Geschichte lebendig erzählt

Mittelalterliche Karten und Weltansichten: Vortrag im Dorfmuseum Altenhaßlau

Joselyn Grimm beim Vortrag über Mittelalterliche Weltansichten. - Foto: Heimat- und Geschichtsverein Linsengericht


Sonntag, 12.10.2025

LINSENGERICHT - Karten, die keine Wege weisen, sondern Weltanschauungen abbilden: Beim Monatsabend des Heimat- und Geschichtsvereins Linsengericht entführte Joselyn Grimm vom Kultur- und Geschichtsverein Hasselroth das Publikum in die faszinierende Welt mittelalterlicher Weltansichten.

In ihrem gut besuchten Vortrag im Dorfmuseum Altenhaßlau zeichnete die Referentin die Entwicklung europäischer Weltbilder vom Hochmittelalter bis zur Schwelle der Neuzeit nach. Im Zentrum stand dabei nicht nur die Frage, wie die Menschen sich die Erde damals vorstellten – sondern auch, was Karten über Glaube, Wissen und gesellschaftliche Vorstellungen verraten.

Vom Mythos der „Erdscheibe“ zur Weltkugel

Gleich zu Beginn räumte Grimm mit einem weit verbreiteten Irrtum auf: Die Vorstellung, im Mittelalter habe man an eine flache Erde geglaubt, sei ein modernes Klischee. Bereits antike und mittelalterliche Gelehrte hätten mehrheitlich von einer kugelförmigen Erde gesprochen.

Statt Wegweiser waren viele Karten des Mittelalters symbolisch aufgeladen: T-O-Schemata, Psalterkarten oder Zonenkarten dienten der Darstellung heilsgeschichtlicher und theologischer Zusammenhänge. Die Erde war in diesen Karten weniger geografischer Raum als Bedeutungsträger – ein Spiegel des göttlichen Plans.

Wundervölker, Mischwesen und der Priesterkönig

Mit dem Aufstieg des Handels und der Seefahrt verschob sich der Fokus: Karten wie die sogenannten Portolane legten nun mehr Wert auf Genauigkeit, etwa zur Navigation entlang der Küsten. Der Behaim-Globus von 1492 und die Mantelkarte der „Schedelschen Weltchronik“ (1493) markieren den Übergang zur empirischeren Kartografie – noch ohne das gerade „entdeckte“ Amerika, aber bereits mit dem Anspruch, die Welt umfassender zu erfassen.

Im letzten Teil des Vortrags beleuchtete Grimm die Rolle von Legenden und Erzählungen in der Kartografie. So fanden sich auf mittelalterlichen Weltkarten häufig auch Fabelwesen, exotische Völker und fantastische Orte – etwa das sagenumwobene Reich des „Priesterkönigs Johannes“, das bis ins 17. Jahrhundert immer wieder kartografisch verzeichnet wurde. Auch der fiktive Reisebericht des „John Mandeville“ prägte über Jahrhunderte das Bild ferner Regionen.

Karten als kulturelle Dokumente

Der Vortrag machte deutlich: Mittelalterliche Karten dienten nicht in erster Linie der Orientierung im geografischen Sinn. Vielmehr sind sie kulturhistorische Dokumente – Zeugnisse davon, wie Menschen ihre Welt interpretierten und was sie als wichtig empfanden. Zwischen Glaube, Wissen und Macht illustrierten sie eine sich wandelnde Sicht auf die Welt – und nicht zuletzt auch das Bedürfnis, das Unbekannte einzuordnen.

(red)

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