REGION
"Die gute Nachricht des Tages": Ein Hoch auf die deutschen Tugenden
Grafik: K.N
Mittwoch, 03.02.2021
Man muss sie einfach liebhaben, die Deutschen. Anständige, aufrechte Menschen sind das, wie jüngstes Beispiel einmal mehr beweist: Es war so gegen 15 Uhr in der Hanauer Innenstadt, als sich ein gutes dutzend Sonntagsspaziergänger an einer Fußgängerampel versammelte. Die Hälfte hüben, die andere drüben. Nun versteht es sich ja von selbst, dass man nicht einfach über eine rote Ampel latscht, wenn Kinder in der Nähe sind. So viel Vorbild muss schon sein! Aber: Weit und breit niemand unter 25. Was also tun?
Ein kurzer
Blick nach rechts und nach links – kein Auto, kein Bus, kein Laster oder sonst
was auf vier oder gar nur zwei Rädern unterwegs. Aber deshalb gleich gegen die
Straßenverkehrsordnung verstoßen? Nun ist man ja gerade als Deutscher nur
äußerst selten in Eile (Ha, ha!), was sich im vorliegenden Fall zumindest in
der ersten Minute des Wartens als großer Vorteil erwies. Stoisch hingen alle
Augen an dem kleinen roten Männchen, das mit ebensolcher Ruhe gar nicht daran
dachte, Platz zu machen für seinen grünen Kollegen.
Nach
eineinhalb Minuten dann die ersten zögerlichen Blicke zu den anderen. Da
standen sich plötzlich keine Fremden mehr gegenüber, sondern Verbündete, deren
dringlichste Frage war: „Was meint ihr, sollen wir gehen?“ Tja, wäre man jetzt
Italiener, Spanier oder Franzose – längst hätte man alle Skrupel über Bord
geworfen. Aber so? Nach zwei Minuten drohte schließlich die Anarchie
auszubrechen. Unzufriedenes Gemurmel ließ keinen Zweifel daran: Lange würde man
dieses Spielchen nicht mehr mitmachen. Trotzdem: Keiner traute sich, den ersten Schritt zu tun.
Nach drei endlos langen Minuten dann die Erlösung. Die Ampel sprang
wie von Zauberhand auf Grün, und der kleine Pulk löste sich wieder ebenso
schnell auf, wie er sich gebildet hatte – glücklich darüber, alles richtig
gemacht zu haben. Wenn das keine gute Nachricht ist! +++