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Weihnachten wird auf der ganzen Welt anders gefeiert

Auf der ganzen Welt wird Weihnachten anders gefeiert
Symbolbild Pixabay
von Kurt Svatek


Sonntag, 26.12.2021

Eine Geschichte aus dem Buch "Weihnachten fällt wohl ins Wasser" von Kurt F. Svatek. Zur Verfügung gestellt vom TRIGA Verlag in Gelnhausen. Viel Spaß beim Lesen!

Der schönste, größte und damit auch berühmteste Christbaum der Welt steht wohl vor dem Rockefeller Center. Während sich Abertausende in den Kaufhäusern zu »Jingle Bells« und »White Christmas« dem Konsumrausch ergeben, üben Eislaufsternchen im Schutz seiner 30.000 Lichter und von riesigen beleuchteten Weihnachtsengeln wohlwollend betrachtet ihre Pirouetten. That’s Christmas Time in New York.

Ja, auch in den Weltstädten wird Weihnachten eben überall anders begangen. Zwischen den Bürotürmen des Pariser Geschäftsviertels La Défense reiht sich ein Zeltdach an das andere. Darunter natürlich Weihnachtsbuden mit einem Hauch von Weihnachtszauber und Kitsch. Nur schauen Sie einmal in einem gewöhnlichen deutsch-französischen Taschenwörterbuch unter »Gemütlichkeit« oder »gemütlich« nach. Sie werden zwar, je nach Situation, gut zehn Ausdrücke dafür finden, aber keiner trifft den Kern der Sache, wie seinerzeit schon Kurt Tucholsky festgestellt hatte. Die Geburt des Herrn ist hier einfach der Tod der Gans. Das interessanteste Geschenk hat sich die Stadt allerdings selbst gemacht, in dem es in so einer Vorweihnachtszeit 70 Jahre nach Einstellung der letzten Tram eine knapp acht Kilometer lange Straßenbahnlinie im Süden einweihte. Ein Präsent um immerhin mehr als 300 Millionen Euro.

In Wien sind Adventmärkte schon seit mehr als 400 Jahren verbürgt und locken gerade heutzutage auch viele fremde Gäste an. Aber auch in Berlin hat sich mittlerweile leise Weihnachtsstimmung etabliert. Das Brandenburger Tor erstrahlt im Lichterglanz, und der Glühwein wärmt natürlich da wie dort, lässt das Leben pulsieren und das Lachen ungehinderter aus der Seele dringen. Aber um das Mysterium eines Weihnachtsmarktes zu durchdringen, ist es nötig, ein Kind bei sich zu haben. Dieser Ausspruch stammt übrigens bereits aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Den Tivoli-Park schmücken blinkende Lichter. Die Leute trinken hier wie auch in der Kopenhagener Altstadt und in der Fußgängerzone Ströget ihren »Glögg«, heißen Rotwein mit Branntwein und Gewürzen oder das »Julebryg«, starkes, dunkles Bier. Dazu essen sie »Ris a l’amande«, einen Reispudding mit Kirschsoße und einer Glücksmandel darin. Der Vatikan und die Stadt Rom konkurrieren wieder einmal um den schönsten Weihnachtbaum der Ewigen Stadt. 

Das wie immer bunte Treiben auf der Piazza Navona hat durch die Weihnachtsbuden noch an Farbe gewonnen. Der Besucher lehnt sich an das Geländer der Fontana die Fiumi, das ist Berninis Vier-StrömeBrunnen im Zentrum, und lässt sich die gebratenen Maroni schmecken, oder er verkostet ein Stück »Porchetta«, die römische Version unseres Spanferkels. Weihnachten ist hier weit weg von der leicht schwermütigen Besinnlichkeit des Mitteleuropäers, Weihnachten ist schlicht und einfach Vergnügen, nicht zuletzt durch rhythmisch blinkende Lichterketten aus weißen, aber auch gelb, blau, rot und grün bemalten Glühbirnen symbolisiert. Und wer sich etwas besonders sehnlich erwünscht, schreibt dies auf einen Zettel unter dem Christbaum am Römischen Hauptbahnhof, der Statione Termini.

Vielleicht erfüllt »Babbo Natale« dann den Herzenswunsch besonders schnell. In Rio de Janeiro kommt der Weihnachtsmann mit einem Helikopter ins Maracana-Stadion geflogen, in dem ihn bereits 200 000 Menschen erwarten. Dann gibt es natürlich eine große Party. Die koptischen Christen Ägyptens essen 43 Tage vor dem Fest, das sie übrigens erst am 7. Januar begehen, vegetarisch. Erst nach Mitternacht gibt es wieder Fleisch.

Viele Australier hingegen nehmen ihren Christbaum ans Meer mit. Rund um Sydney besucht der Weihnachtsmann nur mit einer Badehose bekleidet eine Strandparty nach der anderen und bekommt dort kühles Bier. Kein Wunder, bei mehr als 30 Grad. Für die Dekoration des Hauses zu sorgen und nach dem großen Familienfestmahl aufzuräumen, ist in Kenia Aufgabe der Kinder.

Mindestens zwölf Gerichte kommen in Bulgarien auf den Tisch, nämlich eines für jeden Monat. Je üppiger die Tafel ist, umso mehr wird man dann im nächsten Jahr zu essen haben, sagt zumindest der Volksmund. Sizilien kennt dreizehn Gänge. Für die zwölf Apostel und für Jesus. Selbst in Japan und Indien wird immer öfter das Weihnachtsfest begangen. Den Japanern bringt Hoteiosho die Geschenke, eine Mischung aus Weihnachtsmann und Krampus. Im Aquarium in Tokio schwimmt Santa Claus sogar mit den Fischen mit. 

Inder schmücken Palmen, Mangobäume und Bananenstauden mit bunten Lichterketten. Das Familienoberhaupt erhält von seinen Angehörigen eine Zitrone als Zeichen der Verehrung überreicht. Man kann dort aber auch Weihnachtsmänner finden, die auf der Straße Essen an Arme verteilen. In Indonesien entsteht so mancher Weihnachtsbaum aus alten Dosen. Ganz extrem geht es in der Antarktis zu. Die Wetterstation befindet sich nämlich zehn Meter unter den Schneemassen. Da hilft den Meteorologen nur ein Weihnachtsbäumchen aus Kunststoff, um ein wenig Stimmung zu verbreiten, denn das Menü ist auch nicht gerade üppig: Würstchen mit Kartoffelsalat.

Da geht es in Bayern schon anders zu. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Sonntagen oder Feiertagen aber auch zu allen anderen deutschen Ländern steigt der Stromverbrauch am 25. Dezember zwischen 8 Uhr morgens und mittags extrem an. Schuld daran ist die mindestens dreistündige Bratzeit der traditionellen Weihnachtsgans. Ja, und die eine Million Matrosen, die täglich auf See sind, feiern so gut es eben geht nach der jeweiligen Landessitte. Wird Weihnachten in jeder Weltgegend auch anders begangen, die Sehnsucht nach Frieden ist wohl überall gleich.