SINNTAL
Kirmes-Finale in Mottgers
Fotos: Walter Dörr
Freitag, 02.09.2022
„Nach den beiden „abgespeckten“ Kirmesveranstaltungen in 2020 und 2021 konnten wir dieses Jahr mal wieder aus dem Vollen schöpfen.“ So blickte Hans-Jürgen Zeller vor der Siegerehrung für das Entenrennen auf das diesjährige Kirmeswochenende zurück. Die mittlerweile 45. Zeltkirmes hat der Sportverein FC Hermania Mottgers als Veranstalter auf die Beine gestellt.
In einer Art zweiten Kirmesspruch bilanzierte Zeller pointiert, lustig und kritisch. So sei der Freitag für die „harten Jungs und Mädels“ gewesen. Doch sei Vorsicht wegen dem Gleichbehandlungsgesetz angesagt. Natürlich sei der Abend auch für die restlichen 70 sonstigen Geschlechter gewesen, denn es gebe offiziell 72 Geschlechter, wie bigender oder agender. Zeller Favorit ist genderqueer - heißt: gender non-conforming = geschlechtsneutral, ohne Geschlechterrolle. Genderfluid sei auch nicht schlecht: fließend bewegt sich was zwischen den Geschlechtern männlich und weiblich - teils in wechselnder Ausformung oder veränderlich - so wie es gerade gebraucht wird.
In Mottgers wäre es Samstagnacht um 4.30 Uhr ganz passend gewesen, denn in der Bar waren nur noch vier Mädels und 15 Jungs. „Dann macht es doch Sinn, wenn plötzlich ein oder mehrere Jungs genderfluid wären, um das Verhältnis etwas ausgeglichener zu gestalten und damit vielleicht jeder was davon hat“, sinnierte Zeller. An alle 72 Geschlechter gerichtet, blickte das Vorstandsmitglied zunächst auf die sportlichen Aktivitäten während der Kirmes zurück: nach einem 3:2 Sieg der 2. Mannschaft verlor in einem stark umkämpften Spiel die 1. Mannschaft gegen Niederzell 0:2.
Die D-Jugend gewann gegen die JSG Birstein 6:3 und die Alten Herren siegten 3:0 gegen die SG Sterbfritz/Sannerz. Die Kapelle „Rhön-Adler“ initiierte am Sonntag einen Klimmzug-Wettbewerb, bei dem sich Mottgers gegen die sehr starke Konkurrenz aus Altengronau mit 20 Klimmzügen behaupten konnte. Nach einem positiven kulturellen Rückblick – auch auf den genialen Kirmesspruch - durfte das Thema Bürgermeisterwahl nicht fehlen. Zeller hatte im Vorfeld den drei Kandidaten versprochen, dass er den Bewerber, der an den meisten Tagen auf die Kirmes war und für den meisten Umsatz sorgte, namentlich bei der Entenrennen-Siegerehrung erwähnen werde.
Mit unterschiedlichen Strategien seien die Bewerber vorgegangen: der Ortsansässige Thomas Henfling habe seinen Dienst hinter der Theke gemacht und auch Bons an den Bloo verteilt, Jochen Koppel war einmal hier und hat Körbchen Bier an den Bloo verteilt und Daniel Klee habe angekündigt, viermal auf die Kirmes kommen zu wollen – fünfmal sei er sogar da gewesen. Wer letztlich für den besten Umsatz gesorgt hat, konnte Hans-Jürgen Zeller nicht sagen, sodass auch keine Wahlempfehlung gegeben wurde. Zeller – wie auch Vorstandskollege Harald Kolb – bedankte sich für die vielen Helfer und Unterstützer bei der Kirmes.
Danke sagte Zeller seinen Helferinnen Luisa Ulrich, Hanna Sperzel und Lian Ulrich beim Entenaussetzen. Fast hätte ein Fliegenfischer aus der Stadt, die aktuell nur aus Baustellen besteht, also Schlüchtern, mit seiner Aktion aus dem Oktober 2021 das legendäre Entenrennen zum Aussterben verdammt. Dieser Fliegenfischer hat nämlich mit seiner Tochter und Sohn im Oktober 2021 (nachzulesen in der KN vom 02.11.2021) Reste eines „illegalen Entenrennens“, insgesamt 91 gelbe Plastikenten, auf der schmalen Sinn eingesammelt. Illegal, dem widersprach Zeller, denn das Entenrennen trage zur Belustigung bei der Kirmes bei und fördere noch die Jugendabteilung des Vereins. Allein die Vermutung, dass die Entchen vielleicht von dem „legalen Entenrennen“ auf der „richtigen Sinn“ von dem CSU-Entenrennen in Bad Brückenau stammen könnten, ließ Zeller an vielem zweifeln: „Plastikenten, die stromaufwärts schwimmen?
Holla die Waldfee, was hat Corona nur mit den Menschen gemacht.“ „Unsere FC-Entchen dienen vielmehr wissenschaftlichen Zwecken: Im Jahre 1992 (lt. KN vom 10.01.2022) entwichen 29.000 Plastikentchen aus einem Container eines Frachtschiffes auf dem Weg von Hongkong in die USA. Durch die schwimmenden Plastiktiere erfuhr die Wissenschaft neue Kenntnisse über Strömungen in den Weltmeeren. Einige Entchen strandeten in Australien oder Indonesien, während andere in Alaska angespült wurden.
Für die Wissenschaft wurde deutlich, wie lange Plastikmüll in den Meeren schwimmt und die Daten helfen, vermisste Boote zu finden und die Ausbreitung von Ölteppichen besser zu kontrollieren. Johanna Bähr, Ozeanographin an der Uni in Hamburg, sagt: Der Unfall mit den Entchen brachte der Forschung einen wahren Datenschatz. Auf einen Schlag gab es tausende von Datenpunkten. Der Einsatz von sogenannten „Driftern“ ist eine der ältesten Methoden der Meeresforschung. „Toll Ihr Fliegenfischer, ihr habt also gegen die Wissenschaft und Forschung gearbeitet.“
„Natürlich kann ich den Vorwurf „Alle reden von Mikroplastik in den Meeren, hier ging es um Mikroplastik auf oder in der schmalen Sinn“ nicht auf uns sitzen lassen und habe selbst mal nachgerechnet. Die 91 gelben, kleinen süßen Entchen haben in den zwei Monaten auf der Sinn mit einer Gesamt-Bauchfläche von 4 qcm viel, viel weniger Mikro-Plastik an die Sinn abgegeben, als die drei Fliegenfischer mit Ihren Plastik-Watthosen, die bis unter die Achsel gehen. Sage und schreibe volle zwei Tage sind die drei - Sie nannten es einen Umweltfrevel - mit Ihren Plastik-Keschern in unserer Sinn umhergelaufen und haben durch das auch noch gegen die Strömung-Laufen ein vielfaches an Mikroplastik an die Sinn abgegeben.
Umweltfrevel ist wirklich der richtige Ausdruck, nur war der Adressat der falsche.“ Dieses Jahr werde man die Wissenschaft mal nicht unterstützen und alle Enten aus der Sinn einsammeln. „Das nenne ich Nachhaltigkeit.“ So Zeller. 200 Enten gingen 2022 an den Start, 25 davon vom Bloo. Die Wegstrecke betrug 400 Meter vom Start bis zum Ziel. Platz 1 (200 Euro Siegprämie) errang Katja Kohlhepp (Ente Nr. 171), Platz 2 (150 Euro) belegt Joel Nietgen (Ente Nr. 134), Platz 3 (100 Euro) Niclas Beier (Ente 120) und Platz 4 (50 Euro) Morris Mohr (Ente Nr. 161).
Mit dem Hinweis auf das an Pfingsten 2023 anstehende 1100-jährige Jubiläum von Mottgers warb Zeller um Helfer, damit das Dorf den Gästen bestens zu präsentiert werden kann. „Gemeinsam schaffen wir das“.