TRøNDELAG (NORWEGEN)

Hidden-Gourmet: Warum Ihr für hervorragende Küche nach Norwegen solltet

Gutes Essen in Norwegen? Probiert mal den Rentier-Döner...
Fotos: tby / privat


Samstag, 26.11.2022

Dieser Artikel hat absolut nichts mit dem Main-Kinzig-Kreis zu tun, aber sehr viel mit hervorragendem Essen. Wir möchten Euch diese Story daher nicht vorenthalten. Schließlich schadet ab und an auch ein Blick über den Tellerrand hinaus nicht. 

"Hä? Wie? Was? Echt jetzt?" So oder so ähnlich dürften wohl die meisten Menschen reagieren, wenn sie das erste Mal davon erfahren, wer Europas Food-Region des Jahres 2022 istDenn sie liegt weder in Italien, noch in Frankreich oder Österreich - sondern Mitten in Norwegen. Dürfen wir vorstellen: Trøndelag, die Region rund um Trondheim.

Auf den ersten Blick mag es überraschend wirken, sind die Norweger doch eher für semi-gutes Essen und ihre Tiefkühlpizza-Kultur bekannt. Doch glammheimlich haben sie sich in den vergangenen Jahren nach vorne gearbeitet. Nicht zuletzt gibt es mit dem Credo, dem Speilsalen und dem FAGN heute drei Restaurants in Trondheim, die sich einen Michelin-Stern erkocht haben. 

Doch um DIE Food-Region Europas zu werden, braucht es mehr als ausgezeichnete Sterneküche. Nun neigt sich das Jahr dem Ende entgegen und es ist Zeit Bilanz zu ziehen. 

KINZIG.NEWS-Reporter Tobias Bayer machte sich auf in die Tiefen Trøndelags und entdeckte dabei drei ganz unterschiedliche Food-Pioneere, die die norwegische Ess-Kultur alle auf ihre ganz eigene Weise geprägt haben. 


Rund 40 Kilometer von Trondheim entfernt, im 1600-Seelen-Dorf Hell, verwöhnt der Deutsche Bäcker Markus Steinigk zahlreiche Kunden in der "Eidum Gårdsbakeri" mit seiner Backkunst. Als er vor acht Jahren nach Norwegen kam, war die Backkultur dort noch nicht wirklich vorhanden, das deutsche Bauernbrot in weiter Ferne. Steinigk: "Die meisten Norweger kauften ihr Brot im Supermarkt oder backten es selber." Doch es sollte sich viel tun. 

In der "Eidum Gårdsbakeri" gibt es die verschiedensten Brote: Walnussbrot, Roggenbrot, Landbrot, Weizenvollkornbront, Dinkel-Mohrrüben-Brot und Ciabatta. Zwei bis drei Tausend Brote verkauften sie im Jahr. Das Rezept für das Sauerteig-Roggenmischbrot hat der Spross einer Bäcker-Familie aus Deutschland mitgebracht. 

Früher Adlon, jetzt Kanebullar 

Und natürlich gibt es in der Bäckerei auch das skandinavische Hefegebäck schlechthin: Kanelbullar. In Deutschland vor allem bekannt als Zimtschnecke, verzaubert die Süßspeise mit jeder Menge Zimt, Zucker und etwas Kardamom das Herz der Norweger. Mehrere Tausend Zimtschnecken. Fast genauso gut verkauften sich Markus Mandeltörtchen, das Rezept hat er aus seiner Adlon-Zeit mitgebracht. 

Denn Steinigk war mal Chefkonditor im renommierten Berliner Hotel Adlon. Anfang der Zweitausender sei das gewesen, wenige Jahre nach der Wiedereröffnung des Traditionshauses am Brandenburger Tor. Es waren seine Wanderjahre, nach der Lehre: Kreuzfahrtschiff, Taiwan, Zermatt & St. Moritz (Schweiz), Singapur, Lofoten, Schweden und erste Berührungspunkte mit Norwegen. Zwischenzeitlich hatte er eine eigene Bäckerei in Brandenburg eröffnet. Doch das sei auf Dauer nicht wirklich lohnend, nicht lebenswert gewesen. Zu wenig Verdienst, Arbeit rund um die Uhr. 

Norwegen biete Lebensqualität

Dann ging Steinigk nach Trøndelag, arbeitete ein Jahr in einer anderen Bäckerei und kam schließlich zur "Eidum Gårdsbakeri", welche sein "längster Arbeitsplatz" werden sollte, so Steinigk. Was ihn so lange in Norwegen hält? Da muss der Deutsch nicht lange überlegen: "Der höhere Lebensstandard, Zeit für meine Familie, meine Streichinstrumente und das Ski fahren." Im Winter fahre er "so gut wie jeden Tag" Ski. Steinigk: "Das ist echte Lebensqualität."

Auch in Sachen Nachhaltigkeit seien die Norweger den Deutschen voraus: "In Deutschland heißt es bei Bäckern oft, wenn nicht mindestens zehn Prozent der Backwaren übrig bleiben am Abend, dann hast du zu wenig verkauft. In Norwegen versuchen wir keine Lebensmittel zu verschwenden. Wenn etwas aus ist, ist es aus." Die Kunden in Norwegen hätten Verständnis dafür.

Marcus Steinigk (49) - 

- der umtriebige Deutsche aus dem Adlon, der die Trönder mit Deutscher Backkultur verwöhnt. 

Bäcker Marcus Steinigk

Kim Svjargw

- der radikale Norweger, der Londons Spitzengastronomie verließ, um kulinarischen Luxus neu zu interpretieren. 

Hat Luxus-Gastronomie neu erfunden: Kim Sjøbakk

Roy Inge Bergli

- der Naturbursche vom Land, der aus Rentieren Döner macht. 

Der Mann hinter dem Rentier-Döner: Roy Inge Bergli


Mehrere Stunden am Tag sei er in der Natur unterwegs, oft sammele er dabei Beeren, die später im Libab landen. Die Rede ist von Roy Inge Bergli und seiner Spezialität, dem wahrscheinlich gesündesten und verrücktesten Döner der Welt. 

Doch von vorne: Lierne, gut xxx Kilometer nördlich von Trondheim. 

Libab ist unsere Spezialität. Liverten verwendet hier in Lierne gerne lokale Zutaten aus der Umgebung. Viel Elchfleisch und Rentierfleisch. Libab ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit Inge Johnsen. Ein Koch in Trondheim. Einer der besten Köche Norwegens. Das hat uns geholfen, ein lokales Gericht aus Rentierfleisch und ein im Steinofen gebackenes Brot zu kreieren, das wir in unserer eigenen Bäckerei backen. Der Libab hat sich zu einem Riesenerfolg entwickelt und ist unser Bestseller im Foodtruck. Wir verkaufen rund 10.000 libabs pro Jahr. Verwendet 2,5-3 Tonnen geschabtes Rentierfleisch. Es ist ein vollständig lokales Produkt. Mit Rentierfleisch, das 4 Kilometer von unserem Restaurant entfernt geschlachtet wurde. Brot gebacken in unserer eigenen Bäckerei. Cranberry-Dressing mit Cranberries, die hier in Lierne in der Natur gepflückt werden. Mit Salat und eingelegten roten Zwiebeln. Es ist ein gesundes Produkt, ohne Zusatzstoffe, es ist lokal und schmeckt köstlich. Und wie gesagt, es ist unser Markenzeichen und unser Erfolg geworden, und es ist das Gericht, das sich auf dem großen Food Festival in Trondheim am besten verkauft. Es ist auch unser ERG-Recht im ERG-Jahr, Trondheim und Trøndelag wurden zur ERG-Hauptstadt in Europa im Jahr 2022 gewählt, und wir sind ein großer Teil davon.


Nein leider noch nie von deutschem Döner gehört. Wir fahren am ersten Oktoberwochenende nach München. Zum europäischen Finale. Unser Foodtruck mit libab ist Norwegens Repräsentant bei der Europameisterschaft für Foodtrucks und Streetfood. Darauf freuen wir uns sehr.


Trøndelag hat einen langen Weg zurückgelegt, um lokale Lebensmittel zu profilieren. Und es gibt ein breites Spektrum von der Küste bis in die Berge. Sowohl Fisch als auch Schalentiere, Gemüse und Fleisch aus der Natur (Wildfleisch? / Fleisch von einem Wildtier) auf demselben Teller. Ein breites Spektrum, das Sie in anderen Regionen Norwegens nicht bekommen. Trøndelag hat sehr gute Arbeit geleistet, um für sich selbst zu werben, sowohl in Norwegen als auch in Europa und im Rest der Welt. Ich denke, es ist ganz natürlich, dass Trondheim und Trøndelag 2022 zur ERG-Hauptstadt wurden. Ich glaube, dass die meisten lokalen Lebensmittelanbieter, sowohl Erzeuger als auch Gastronomiebetriebe, dies 2022 und nicht zuletzt bis 2023 und 2024 sehr gut genutzt haben.


Norwegisches Essen, es ist reines Essen. Ohne Zusätze. Lokal produziert. Von stolzen Bauern. Der seine eigenen Zutaten liebt und stolz darauf ist, sie seinen Gästen anzubieten. Norwegische Restaurants sind sehr darauf bedacht, lokale Zutaten aus der Umgebung zu verwenden. Im Laufe der Zeit sind norwegische Lebensmittelgeschäfte auch sehr gut darin geworden, lokale Lebensmittel anstelle von Importen aus anderen Ländern zu verkaufen und zu bewerben.

Dieser Artikel ist während eines Recherchestipendiums von visitnorway in Kooperation mit explore Trøndelag entstanden. Ein knappes Dutzend Nachwuchs-Journalisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bereisten dafür eine Woche lang Trøndelag, die Region um Trondheim.