GELNHAUSEN

Jörg Engelhardt zeigt Fotografien zum Thema "Leben auf, von und mit der Straße"

Fotograf Jörg Engelhardt und die Teamleiterin der Fachambulanz für Suchtkranke, Cosima Goncalves Silva, freuen sich über die neue Ausstellung im Caritas-Zentrum Gelnhausen. Fotograf Jörg Engelhardt und die Teamleiterin der Fachambulanz für Suchtkranke, Cosima Goncalves Silva, freuen sich über die neue Ausstellung im Caritas-Zentrum Gelnhausen.
Fotos: Caritas-Verband für den MKK


Mittwoch, 26.04.2023

Arme Menschen, die vor Luxus-Geschäften oder Banken um Kleingeld bitten, Obdachlose, die unter einer Werbung für den großen Lotto-Jackpot ihr Nachtlager aufschlagen oder Passanten, die achtlos an Wohnungslosen vorbei eilen: Szenen, denen die meisten Menschen nur einen flüchtigen Blick schenken. Nicht so Fotograf Jörg Engelhardt. 

Mit aufmerksamem Auge fängt er sie mit seiner Kamera ein und beleuchtet sie aus einem sozialkritischen Blickwinkel. Im Rahmen der neuen Ausstellung „Kunst im Caritas-Zentrum“ sind einige seiner Werke nun in der Beratungsstelle des Caritas-Verbandes für den Main-Kinzig-Kreis im Gelnhäuser Herzbachweg zu sehen.

Es ist die zweite Ausstellung, die hier seit dem Einzug vor gut einem Jahr stattfindet. Waren es in der ersten Ausstellung die farbenfrohen Bilder von Künstlerin Susanne Hoos, geht es mit den Werken von Jörg Engelhardt diesmal künstlerisch in eine ganz andere Richtung: Die Fotografien von Engelhardt beschäftigen sich mit Realität und Vergänglichkeit, fangen Einzelheiten ein, die vielen im hektischen Alltag verborgen bleiben und regen zum Nachdenken an. Dies beeindruckte auch Cosima Goncalves Silva, Teamleiterin der Fachambulanz für Suchtkranke, als sie Engelhardts Werke im Rahmen der Ausstellung „Menschwerk“ 2022 in Aschaffenburg sah. Unter dem Motto „Leben auf, von und mit der Straße“ zeigte er verschiedene Gesichter der Armut, wie sie sich von Hamburg bis Lissabon in vielen großen Städten finden. 

„Die Bilder zeigen etwas, das bedrückend und zugleich berührend ist“, findet sie. Und etwas, dem nur wenige ihre Aufmerksamkeit schenken, wie Engelhardt feststellt: „Die meisten Menschen ignorieren es“, fasst er seine Beobachtungen zusammen. Für manche sei der Anblick schlicht normal geworden, andere haben feste Vorurteile gegenüber den Menschen auf der Straße. Dass hinter jedem von ihnen ein eigenes Schicksal steht, nehmen nur wenige wahr. „Viele wissen auch nicht, wie sie damit umgehen sollen“, ergänzt Goncalves Silva.

Gespräche auf der Straße suchen


Unter dem Stigma „der Obdachlose“ werde alles zusammengefasst. Etwas, dass sie so auch aus dem Bereich der Suchtkrankenhilfe kennt: Auch hier werde oft nur von „dem Suchtkranken“ gesprochen, ohne die gesamte Persönlichkeit des Menschen zu sehen. „Dabei ist die Sucht nur ein kleiner Teil seiner Persönlichkeit, die aus ganz vielen verschiedenen Rollen besteht.“

Bei seiner Arbeit nimmt sich Engelhardt bewusst Zeit, neben seinen Fotografien auch immer wieder das Gespräch mit den Menschen auf der Straße zu suchen. So manches gute Gespräch sei dabei schon entstanden. Dem 61-Jährigen geht es ausdrücklich nicht darum, die Menschen mit seinen Fotos bloßzustellen, sondern darum, ihnen Öffentlichkeit zu geben und die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren. Denn soziale Themen liegen dem Künstler am Herzen. Vor sieben Jahren hat er eine Selbsthilfegruppe für Männer mit Depression gegründet, die schnell gewachsen ist. Er ist Mitglied im Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention und Gründungsmitglied im Seligenstädter Bündnis gegen Depressionen.

Seit 2002 widmet er sich der Kunst, dabei hat sich die Fotografie als sein Steckenpferd entwickelt. Dabei arbeitet er ausschließlich analog und in schwarz-weiß. Auf Hilfsmittel wie Scheinwerfer oder Reflektoren verzichtet er ebenfalls grundsätzlich. Er arbeitet ausschließlich mit dem, was er vorfindet. Eine Nachbearbeitung seiner Fotos gibt es nicht. Trotzdem haben seine Bilder eine ganz besondere Tiefe, fangen Emotionen ein und regen zum Nachdenken an. „Die Welt ist nicht schön im klassischen Sinn“, stellt Engelhardt fest. Sie sei weder perfekt noch makellos. Doch auch darin liegt ein Reiz: „Ich möchte die Welt so zeigen, wie sie ist – auch wenn es manchmal weh tut.“

Seine Bilder sind im Rahmen der Ausstellung „Kunst im Caritas-Zentrum“ noch bis Oktober in der Beratungsstelle zu sehen. Weitere Informationen zum Künstler und seinen Werken gibt es auch im Internet unter. (red)