SINNTAL

Das 1.100-jährige Jubiläum wird an Pfingsten "extra scharf" gefeiert

 Die 670 Einwohner zählende Sinntal-Gemeinde feiert an Pfingsten ein scharfes Jubiläum. Die 670 Einwohner zählende Sinntal-Gemeinde feiert an Pfingsten ein scharfes Jubiläum.
Fotos: Walter Dörr
von WALTER DÖRR


Sonntag, 30.04.2023

Mit einem Heimatabend begannen die Feierlichkeiten zum 1.100-Jahr-Jubiläum von Mottgers. Die 670 Einwohner zählende Sinntal-Gemeinde feiert an Pfingsten ein „scharfes“ Jubiläum. Jens Nietgen präsentierte bei den Heimatabend Teile der Chronik, die aus Anlass des Jubiläums von einem Chronik-Team zusammengestellt wurde. Mitwirkende der Chronik sind Karl-Heinz Fischer, Ralf Müller, Reinhold Zeller, Oliver Maly, Thomas Giebitz, Stephan Przewosnik, Tonja Eigenbrod und Jens Nietgen. Außerdem halfen Hans Georg Föller aus Weichersbach und Karl Kohlhepp aus Rupboden mit.

Die Chronik (DIN A4 Hardcover, 320 Seiten, 30 Euro) kann bei Jens Nietgen (Telefon: 0171 671 83 96) oder per Mail an chronik@mudjesch.de bestellt werden. Das Buch ist ab Mai erhältlich. 923 ist die erste urkundliche Erwähnung, als der aus angelsächsischem Geschlecht stammende Graf Hessi seinen gesamten Besitz in Mottgers dem Kloster Fulda schenkte. In der Chronik wurden die Geschichten der Kirchen, Schulen, Vereine, ehemaliger Gewerbebetriebe (Blaufarbenwerk, Weberei Heinegans), Reichsarbeitsdienstlager, Durchgangslager, Oberförsterei und aktuelle Unternehmen wie Knaus-Tabbert niedergeschrieben.

In einem Bildteil werden alte Postkarten und originale Aufnahmen aus dem Dorfleben gezeigt, Häuser im Wandel der Zeit, Entwicklungen der Infrastruktur (ICE-Schnellbahnstrecke mit Tunnel), Elektrifizierung, Straßenbau, Gaspipeline und die Kläranlage dargestellt. Außerdem das gepflegte Brauchtum, wie Strohbär, Kirmes mit Bloogesellschaft und den Mudjescher Senffressern. Die älteste bekannte urkundliche Erwähnung von Mottgers erfolgte unter dem Namen Otekaresdorf im Jahr 923, als Graf Hessi seinen gesamten Besitz in Mottgers dem Kloster Fulda schenkte. In erhaltenen Urkunden wurde Mottgers später unter folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung): Otekares (1167), Oetenkars (1317), Motkars (1355), Motgars (1358), Motiges (1494), Muttigers (1582) und Motgarts (1549).

Wie die Gemeinde Sinntal auf ihrer Homepage schreibt, wird 1556 ein Jakob Paul von Mottgers gräflich hanauischer Fischer “auf der Schmalen Sinn“ von ihrer Mündung bis an die Alte Rainsmühle „unwendig“ Oberzell. 1705 wird die Kirche neu aufgebaut. 1731 wird das Blaufarbenwerk von Landgraf Friedrich I. gegründet. Die Produktion bestand in der Herstellung von Blaufarben aus Kobalt, Sand und Pottasche geschmolzenem blauem Glas. Die blauen Farben wurden zum Häuseranstrich, zur Glasur von Keramik und auch zum Tuchbleichen gebraucht. 1766/67 wird die Spiegelfabrik Mottgers (Schwarzenfelser Manufaktur) auf dem gleichen Gelände errichtet. Hier wurden aus dem in Altengronau hergestellten Spiegelglas Spiegel gefertigt. Wann der Betrieb stillgelegt wurde, ist nicht genau bekannt, vermutlich gegen 1791. 1812/14 wird ein neues Schulhaus hinter den Pfarrgebäuden auf einem von dem Organisten Klebe in Schlüchtern gekauften Grundstück erbaut.

Pfarrer flüchtete ins Schulhaus


Wie hart die Zeiten um 1848 waren, beschreibt ein Ereignis: Einwohner zogen vor das Pfarrhaus und forderten von Pfarrer Flor Verzichtsleistungen auf verschiedene Einkünfte zugunsten der Ortsbürger. Der Pfarrer flüchtete ins Schulhaus und wurde von Lehrer Schäfer durch die Hintertür des Hauses nach Sterbfritz gebracht, von wo beide erst am nächsten Tag zurückkehrten. Zur Erinnerung an den Friedensschluss des deutsch-französischen Krieges 1870/71 wurde 1872 der „Friedensstein“ an der Straßenkreuzung Mottgers/Weichersbach/Schwarzenfels errichtet. Bürgermeister Georg Michael Jordan aus Weichersbach schloss seine Einweihungsrede mit den Worten: „Ich schließe mit dem aufrichtigen Wunsch, dass dieser Frieden so lange ungestört bleiben möge, bis dieses Friedenszeichen verwittert ist."

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurden die ehemaligen Gemeinden Altengronau mit dem Ortsteil Neuengronau, Jossa, Oberzell, Sinntal bestehend aus den Ortsteilen Mottgers, Schwarzenfels und Weichersbach sowie Sterbfritz mit den Ortsteilen Breunings, Sannerz und Weiperz durch Gesetz mit Wirkung zum 1. Juli 1974 zur Gemeinde „Sinntal“ zusammengeschlossen. (Die ehemalige Gemeinde Züntersbach kam durch Gesetz ab 1. Januar 1977 zur Gemeinde Sinntal dazu).  Mottgers hat eine evangelische und eine katholische Kirche. Die größere evangelische Kirche ist auch die Hauptkirche der Kirchengemeinde Weichersbach-Schwarzenfels-Mottgers.

In Mottgers gibt es noch eine eigene Grundschule, die „Grundschule an der Sinn“. 2011 wurde die neue Schule gebaut. Die Grundschule Mottgers gehört zur Verbundschule Sinntal-Sterbfritz, die an sechs Standorten besteht. Schulgebäude ist ein Winkelbau mit 295 Quadratmetern Nutzfläche. Es gibt zwei Klassenzimmer von je 61 Quadratmetern Größe, ein Bereuungs/ Bibliothekszimmer, ein Lehrerzimmer, eine Teeküche, Jungen/Mädchen/Behindertentoiletten und neben zwei Funktionsräumen ein 45 Quadratmeter großes Eingangsfoyer. Gestalterisch bildet die Schule mit dem Dorfgemeinschafts- und Feuerwehrgerätehaus sowie dem Sportlerheim eine Einheit. Der Schulhof ist eine 285 Quadratmeter große Pflaster- und Grünfläche. Für den Erhalt der Schule und in erzieherischen und pädagogischen Angelegenheiten engagiert sich ein 2009 gegründeter Förderverein.

Obwohl Mottgers von der Bahnstrecke Flieden–Gemünden tangiert ist, hat es keinen Bahnhof. Auf der Schnellbahnstrecke Hannover–Würzburg, die die Gemarkung grenzt, gibt es einen Betriebsbahnhof. Übrigens: am 1. Mai 1988 startete am Hauptbahnhof Würzburg eine Weltrekordfahrt des ICE-Prototypen InterCityExperimental. Der Triebzug erreichte auf dem speziell dafür ausgelegten Streckenabschnitt zwischen Würzburg und Mottgers eine Geschwindigkeit von 406,9 km/h und hielt damit den Weltrekord für Rad-Schienen-Fahrzeuge.

Am 27. und 28. Mai wird in Mottgers groß gefeiert. Neben Musikveranstaltungen und Konzerten ist ein stehender Festzug mit vielen Attraktionen an beiden Festtagen ein Highlight. An 55 Stationen, die mit einer Bimmelbahn erreicht werden können, zeigt sich Mottgers. Vom REWE-Markt in Sterbfritz wird es auch eine Shuttle-Bus-Verbindung nach Mottgers geben.