FULDA/MKK

Impuls von Stefan Buß: Von Gott getragen wie auf Adlersflügeln

Stadtpfarrer aus Fulda - Stefan Buß
KN/Hendrik Urbin
von STEFAN BUß


Samstag, 08.07.2023

Mit meinen Messdienergruppenleitern gab es einen Austausch mit den Messdienern unserer Partnerstadt Dokkum, dem Ort des Martyriums des hl. Bonifatius. Beim Besuch in Dokkum kam es zum Gespräch mit den Jugendlichen, warum sie Messdiener sind und zu Kirche und Glaube stehen. In einer Gesprächsrunde in einer Gastfamilie äußerte einer: 

„Ich bin geprägt durch die positiven Erfahrungen mit Kirche. Es gab mir Werte für mein Leben und ich erfahre mich in allen Lagen von Gott getragen. Am nächsten Tag auf einem Pilgerweg setzte sich das Gespräch fort. Auch hier wurde deutlich: Die Erfahrungen waren positiv prägend und die jungen Menschen fühlen sich getragen. Da kam mir ein Bild der Bibel in den Sinn. Dort heißt es: „Ich habe euch auf Adlerflügeln getragen …“ (Ex. 19,4). Ein schönes Bild, wenn der Mensch sich getragen wissen kann. In der Vogelwelt war es zunächst unbekannt, dass ein Vogel sein Junges auf den Flügeln trägt. Im Jahre 1978 beobachtete ein Vogelkundler in Mühlheim an der Ruhr Folgendes: Er wohnte an einem alten Kirchplatz, ihm gegenüber im Turm nistete jedes Jahr ein Falken-Paar. In einem Jahr hatten die Falken-Eltern relativ schwach entwickelte Junge. Vor allem das zweite war noch klein, als es ans Fliegen ging. 

Die beiden standen drei Tage an der Brüstung und wagten es nicht, sich vom sicheren Halt abzuheben. Nun, endlich packte es das größere, der Flug gelang. Der kleinere Vogel brauchte noch eine Weile, bis er zu fliegen begann. Aber er flatterte so ängstlich und ungeschickt, dass er in dem Baum, der auf dem Kirchplatz stand, eine Notlandung produzierte. Die Mama setzte ihm nach, ordnete das Gefieder, schob den Kleinen ein paar Äste hinauf. Von dort startete er den zweiten Versuch. Aber er zappelte wieder und es ging mit ihm steil hinunter. Unten auf dem Kirchplatz spielten Kinder mit ihren Hunden. Bevor der Jungvogel unten aufprallte, schoss die Mutter wie ein Pfeil hinter ihm her, tauchte unter ihn, sodass sich das Junge an ihrem Rücken festkrallen konnte und hob es in die Höhe. 

Nun, aus dem Jungen wurde auch ein richtiger Falke, der alle Flugkünste beherrschte. Aber, erstmals hatte ein Vogelkundler so etwas beobachtet. Was bei einem Falken möglich ist, kann auch bei einem Adler vorkommen. Wenige Jahre später wurde dies in der Steiermark bestätigt. Das gibt es, dass ein Adler ein Junges ergreift und es flügelschlagend davonträgt. Ein hoffnungsvolles und mutmachendes Bild. Gott trägt den Menschen, wie ein Adler sein Junges auf den Flügeln trägt. Was macht uns das Bild deutlich? Der Mensch darf also wahrnehmen: Gott hat uns dieses Leben geschenkt und er unternimmt alles, um es uns zu erhalten, um es zu schützen, um es auf einen guten Weg zu führen, um das Leben wertvoll werden zu lassen. Es wird bei jedem Menschen Wegstrecken geben, da fühlt er sich wie im Absturz, wie unser kleiner Falke. Das kann eine lebensbedrohliche Krankheit sein, schweres Leid, zerbrochene Beziehungen. 

Solche Sturzflüge kann der Mensch nur bestehen, wenn er darauf vertraut: Da ist einer, der trägt mich. Da ist einer, der holt mich aus einer Situation, in der es wirklich bedrohlich für mich wird, heraus. Das Zeugnis der Jugendlichen, sich von Gott getragen zu wissen, hat mich tief berührt. Es wird darin auch spürbar, wie wertvoll es ist miteinander Glaubenserfahrungen zu teilen. Kirche als „Erzählgemeinschaft“ erleben, formulierte einmal Bischof Michael Gerber. Wann haben Sie das letzte Mal eine wertvolle Glaubenserfahrung mit anderen geteilt?