FULDA / MKK

Impuls von Stefan Buß zur Fastenzeit: Das perfekte und das vernarbte Herz

Stadtpfarrer aus Fulda - Stefan Buß -
Foto: KN/Hendrik Urbin
von STEFAN BUß


Mittwoch, 06.03.2024

Ein junger Mann stand eines Tages auf einem Platz in der Stadt und erklärte, dass er das schönste Herz der ganzen Stadt habe. Viele Menschen versammelten sich um ihn und alle bewunderten sein Herz. Es war auch wirklich wunderschön.

Es hatte keinen Fleck und keine Fehler. Die Menschen gaben ihm recht. Es war in der Tat das schönste Herz, das sie je gesehen hatten. Der junge Mann war stolz und prahlte weiter mit seinem schönen Herzen. Da tauchte ein alter Mann auf und sagte: „Dein Herz ist nicht annähernd so wundervoll wie meines.“ Die versammelte Menge und der junge Mann schauten auf das Herz des alten Mannes. Dieses schlug kräftig, aber es war voller Narben.

Es hatte Stellen, wo Stücke entfernt und durch andere ersetzt worden waren. Die passten nicht richtig, und es gab einige ausgefranste Ecken. An einigen Stellen waren tiefe Furchen, und es fehlten Teile. Die Leute starrten ihn an: „Wie kannst du behaupten, dein Herz sei besser?“ Der junge Mann schaute auf das Herz des alten Mannes und begann zu lachen.
„Du musst scherzen, dein Herz mit meinem zu vergleichen. Mein Herz ist perfekt und deines ist voller Narben und Tränen.“

So sagte der alte Mann, „Ja, deines sieht perfekt aus. Aber tauschen würde ich nicht mit dir.“ Die Menschen lauschten, als der Alte weitersprach: „Jede Narbe steht für einen Menschen, dem ich mein Herz geöffnet habe. Ich reiße ein Stück meines Herzens heraus und reichte es meinen Mitmenschen. Oft geben sie mir dann ein Stück ihres Herzens, das in die leere Stelle meines Herzens passt. Aber weil die Stücke nicht genau gleich sind, habe ich einige Kanten. Ich schätze sie sehr, denn sie erinnern mich an die Beziehungen, die wir geknüpft haben. Manchmal habe ich auch ein Stück meines Herzens gegeben, ohne dass mir der Andere ein Stück seines Herzens zurückgegeben hat. Das sind die leeren Furchen.

Etwas von seinem Herzen anzubieten bedeutet, ein Risiko einzugehen. Auch wenn diese Furchen schmerzhaft sind, erinnern sie mich daran, was ich für diese Menschen empfinde. Ich hoffe, dass sie eines Tages zurückkehren und den Platz ausfüllen. Erkennst du jetzt wahre Schönheit des Herzens?“

Was macht uns die Geschichte deutlich? Wahre Schönheit und Wert eines Herzens wird nicht durch äußere Perfektion bestimmt, sondern durch die Spuren von Liebe, Mitgefühl und selbstlosen Taten, die es im Laufe eines Lebens sammelt. Es ist wichtig, nicht nur an die Oberfläche eines Menschen zu schauen, sondern tief in sein Herz, um seine wahre Natur und Schönheit zu erkennen. Wie sagt es Antoine de Saint-Exupery: “Man sieht nur mit den Augen des Herzens gut. Das Wesentliche bleibt für die Augen unsichtbar.“