SINNTAL
100 Jahre Elektro Melk Sterbfritz
Fotos: Walter Dörr
Sonntag, 13.10.2024
Elektro Melk aus Sinntal-Sterbfritz ist 100 Jahre alt. Ein Grund also, das Firmenjubiläum Im Rahmen eines Festaktes im Landgasthof Jossgrund in Jossa zu feiern. Jochen Melk stellte in einer Powerpoint-Präsentation die Firmengeschichte vor. Darmstadt, Melbourne und Sterbfritz waren dabei geografische Punkte, denn der Firmengründer, Großvater Adam Melk, wurde 1888 in Arheilgen bei Darmstadt geboren. Da er sich für die damals neue, aufstrebende Technik interessierte, erlernte er einen elektrotechnischen Beruf – sehr zum Leidwesen seines Vaters, der es lieber gesehen hätte, dass er das väterliche Wirtshaus übernimmt. Er nahm ein Angebot an, in Australien beim Aufbau eines Stromnetzes in der Nähe von Melbourne mitzuhelfen. 1919 kehrte er in die Heimat zurück und arbeitete bei Rheinelektra.
Von Melbourne nach Sterbfritz
1920 begann das Überlandwerk Fulda mit der Elektrifizierung der Dörfer im Altkreis Schlüchtern. Vom Umspannwerk Schlüchtern ging es sternförmig in die einzelnen Ortschaften. Adam Melk leitete damals einen Bautrupp, der die Verkabelung von Haus zu Haus durchführte. Und bei dieser Arbeit lernte er in Sterbfritz Anna Brähler kennen, die er 1923 heiratete. Als die Elektrifizierungsarbeiten abgeschlossen waren, machte sich Adam Melk am 6. Oktober 1924 als Elektroinstallateur selbständig. Die Eintragung in die Handwerksrolle erfolgte 1930. Als der einzige Elektriker im östlichen Kreis hatte er mehr als genug mit dem Aufbau der Installation in den Häusern zu tun. Die Erstinstallationen beschränkten sich damals meist auf ein bis zwei Brennstellen in Küche und Wohnstube und ebenso wenigen Steckdosen. Bei Bauern und Handwerkern kamen später auch Elektromotore zur Erleichterung des Arbeitsalltags hinzu. Anfangs wurden die Kunden mit dem Fahrrad angefahren, später mit einem Motorrad. Werkzeuge und Material mussten also auf dem Rad mitgeführt werden, egal wie weit entfernt die Dörfer waren. In den 1930er Jahren gab es eine Erleichterung durch das erste Auto, einen Opel P4.
Zuerst wärmeerzeugende Geräte zum Kochen, Heizen und Bügeln
Es wurden dann auch vermehrt Elektrogeräte verkauft, hauptsächlich wärmeerzeugende Geräte zum Kochen, Heizen oder Bügeln. Und auch schon erste Radioapparate. Der Vater von Dieter und Jochen Melk, Erich Melk (Jahrgang 1929) lernte nach der Schulentlassung von 1944 bis 1947 im väterlichen Betrieb Elektroinstallateur. Das erste Lehrjahr wurde mehrfach von wochenlangen Einsätzen der Hitlerjugend unterbrochen. Erst zu Schanzarbeiten am Westwall, dann zu einer dubiosen Exkursion ins Sudetenland, wo die Gruppe dann kurz vor Kriegsende von den Amerikanern aufgegriffen und nach Hause geschickt wurde. Nach der Währungsreform 1949 ging es mit dem Betrieb wieder aufwärts. Die Materialbeschaffung war zwar immer noch schwierig, es wurde aber zunehmend besser. Erich Melk legte am 26. Juni 1954 die Meisterprüfung ab. Teil der Prüfung war die Elektroanlage beim Neubau der Turnhalle in Sterbfritz. Melk heiratete 1953 Gisela Rupp, die im Schuh- und Textilhaus Merx in Sterbfritz als Einzelhandelskauffrau tätig war. Zwischen 1954 und 1962 kamen vier Kinder zur Welt. Erich Melk wird am 1. Januar 1958 Teilhaber der neuen Gesellschaft bürgerlichen Rechts „A. Melk & Sohn, Elektrofachgeschäft“. In den 1950er und 1960er Jahren
Bauboom in den 1950/60er Jahren steigerte das Geschäft
ging es durch den Bauboom von Geflüchteten und Vertriebenen aufwärts. Es entstanden Siedlungen am Rande der Dörfer. Mit der zunehmenden Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in der „Wirtschaftswunder-Zeit“ wurden die Hausinstallationen auch zunehmend erweitert und der Verkauf und Service von Elektrogeräten intensiver. Elektroherde, Kühlschränke und Waschmaschinen hielten Einzug in alle Haushalte. Und es wurde auch mit Strom geheizt und warmes Wasser erzeugt. In den 1960er Jahren spezialisierte sich Elektro Melk auf Elektro-Speicherheizungen. Durch gestiegene Energiekosten nach der Ölkrise 1973 verloren jedoch die Nachtspeicherheizungen an Wirtschaftlichkeit, so dass sie nur noch bis in die 1980er Jahre verbaut wurden. Die Söhne Dieter und Jochen Melk treten in Fußstapfen von Vater und Großvater. Dieter Melk lernt von 1975 bis 1979 im elterlichen Betrieb Elektroinstallateur und legt 1982 die Meisterprüfung ab. Er heiratet 1979 Heike Schneider. Jochen Melk lernt von 1976 bis 1980 Radio- und Fernsehtechniker in der Rundfunkwerkstatt des Großhändlers Schmitt & Co. in Fulda. Nach dem Wehrdienst arbeitet er noch eine Weile dort, danach drei Jahre lang bei Elektro Enders in Salmünster. Er legte 1986 die Meisterprüfung ab und trat zum 1. Januar 1987 in die Firma Melk ein. Der Firmengründer Adam Melk konnte die positiven Entwicklungen des Betriebes bis ins hohe Alter von 92 Jahre noch mitverfolgen. Er starb 1980. Nach seinem Tod firmierte der Betrieb als „Elektro Melk, Inhaber Erich Melk“. Die Firma war seit ihrer Gründung in der Maidbrunnstraße ansässig. Die Ortsrandlage war für das hauptsächlich betriebene Elektrohandwerk in Ordnung. Um den Verkauf von Elektroartikeln stärker betreiben zu können, unternahm man Anstrengungen zum Kauf einer passenden Immobilie in der Ortsmitte.
Ein neuer Laden in der Dorfmitte
Erst Mitte der 1970er Jahre konnte ein Anwesen in der Brückenauer Straße erworben werden. 1982 baute man da ein Geschäftshaus, das Ende September 1983 eröffnet wurde. Das Sortiment erweiterte man um Haushaltswaren und Geschenkartikel und baute den Verkauf von Unterhaltungselektronik aus. Trotz starken innerörtlichen Mitbewerbern – es gab drei weitere Elektrofachgeschäfte in Sterbfritz – lief das Ladengeschäft gut an. „Das Internet hieß damals noch Otto-Versand und der Mediamarkt in Fulda eröffnete erst 1985“, beschrieb Jochen Melk die Lage. Gisela Melk und Schwiegertochter Heike leiten Büro und Laden, zwei Auszubildende zur Einzelhandelskauffrau sind im Verkauf tätig. Bezüglich der Mitarbeiter berichtete man beim Jubiläum stolz, dass seit 1944 43 Lehrlinge im Elektrohandwerk und nach 1983 sechs Einzelhandelskauffrau-en ausgebildet wurden. Zeitweise wurden bis zu vier Lehrlinge gleichzeitig beschäftigt. Viele blieben nach der Ausbildung noch einige Jahre als Gesellen. Einer der ersten Lehrlinge, die Erich Melk nach seiner Meisterprüfung ausbildete, war Bruno Friedrich. Nach der Gesellenprüfung wurde er als Geselle übernommen und wurde sehr bald zu einem unentbehrlichen Mitarbeiter. Er gestaltete fast 25 Jahre die Firmengeschicke mit und war maßgeblich an der Lehrlingsausbildung beteiligt. Das freundschaftliche Verhältnis bestehe noch immer, obwohl Friedrich 1982 die Firma verließ. Der zweite langjährige Mitarbeiter ist Alexander Schnaidt. Er war über 20 Jahre bei Melk tätig. Er absolvierte seine Ausbildung in Kasachstan und kam 1994 als Spätaussiedler nach Deutschland. Schnell lernte man seine ruhige Art, seine Zuverlässigkeit, seinen technischen Sachverstand und sein Improvisationstalent schätzen. 1997 trat mit Alexander Melk die 4. Generation in den Betrieb ein. Er legte im Januar 2001 seine Gesellenprüfung ab.
Seit 2000 Firmierung „Elektro Melk, Dieter & Jochen Melk GbR“
Zum 1. Januar 2000 übergab Erich Melk das Geschäft an seine Söhne Dieter und Jochen und der Betrieb hieß nun: „Elektro Melk, Dieter & Jochen Melk GbR“. Erich Melk, der wie seine Frau noch länger im Betrieb mitarbeitete, verstarb 2023 im Alter von 93 Jahren, Gisela Melk 2024 im Alter von 90 Jahren. Nach dem Tod von Heike Melk nach langer schwerer Krankheit fiel 2014 die zweite kaufmännische Kraft weg. Die Firma Elektro Melk ist Gründungsmitglied des Gewerbevereins Sinntal und hat an neun Gewerbeschauen von 2002 bis 2018 teilgenommen. Auch an den Gewerbeschauen in den 1950er und 1960er Jahren des damaligen Gewerbe- und Verkehrsverein Sterbfritz war Melk beteiligt – damals wie heute auch im Vorstand des Vereins. Die Schließung des Bahnübergangs in der Brückenauer Straße und die Fertigstellung der A 66 bis Fulda brachte dem Ladengeschäft deutliche Umsatzrückgänge. Das Verkaufspersonal wurde deshalb reduziert und das Sortiment gestrafft. 2017 wurde jedoch nach der Schließung eines örtlichen Geschäfts Schreibwaren und Schulbedarf neu in das Sortiment aufgenommen. Auch im Kerngeschäft Installation wurde der Personalbestand verringert. Während im Jubiläumsjahr 1999 neben den Inhabern zehn Mitarbeiter beschäftigt waren, sind es heute vier Beschäftigte plus die zwei Chefs. Das Kerngeschäft von Elektro Melk ist heute die Elektroinstallation - sowohl in privaten Haushalten (Reparaturen, Altbausanierungen, Neubauten) als auch in vielen Betrieben und in Einrichtungen der öffentlichen Hand. Der Bereich Handel umfasst neben Elektroinstallationsmaterial vor allem Elektrogroß- und Kleingeräte und die Unterhaltungselektronik sowie Haushaltswaren, Geschenkartikel, Schreibwaren und Schulbedarf.
100 Jahre Firmenjubiläum ist selten
In einem Grußwort betonte der Vize-Präsident der Handwerkskammer Wiesbaden, Andreas Brieske, dass ein 100jähriges Jubiläum bei den 27.105 betreuten Betrieben eher selten sei. Meisterbetriebe stellten sich den Herausforderungen des Marktes und zeigten Leidenschaft für das Handwerk. Man übernehme eine soziale Verantwortung für die Gesellschaft. 43 ausgebildete Lehrlinge bei Elektro Melk seien eine besondere Leistung. Auch erwähnte Brieske das ehrenamtliche Engagement der Melks in der Innung. Kreishandwerksmeister Martin Gutmann von der Kreishandwerkerschaft Hanau sagte, dass die Selbständigkeit von Handwerkern oft bewundert werde, weil es ihnen gut gehe. Er verwies aber auf die Verantwortung, die ein Unternehmer habe: für das Geschäft und die Mitarbeiter. Das familiäre Umfeld gehöre dazu. Obermeister Mike Lorenz von der Elektro-Innung Main-Kinzig gratulierte zu dem besonderen Firmenjubiläum, auf das man stolz sein könne. Dank und Anerkennung galt dem Ausbildungsbetrieb Elektro Melk. Im Gründungsjahr 1924 sei Elektrizität ein Luxusgut gewesen.
Im Gründungsjahr 1924 war Elektrizität ein Luxusgut
In der Nachkriegszeit sei Elektrizität stark gefragt gewesen und die Entwicklung habe sich bis heute stark verändert – eine Herausforderung für Elektrofirmen und Leidenschaft, Disziplin, Denken und Handeln. Sinntals Bürgermeister Thomas Henfling gratulierte dem Geschäftspartner Elektro Melk. Das 100jährige Jubiläum sei ein herausragendes Ereignis. Die Fachkompetenz werde geschätzt. Die Ausbildung von 43 Lehrlingen betonte Henfling. Im Namen des Gemeindevorstandes beglückwünschte Henfling Dieter und Jochen Melk und wünschte weiter viel Erfolg. Der Sterbfritzer Ortsvorsteher und als Vorsitzender des Dorfvereins „Starwetz lebt“ gratulierte Willi Merx. Stolz könne man sein, was die Firma Melk in Sterbfritz geleistet habe. Er erinnerte an Veränderungen bei der Elektrizität im Ort und freute sich, eine derartige Firma im Ort zu haben, auf die man sich verlassen kann. In einem Grußwort sagte Bruno Friedrich, dass Elektro Melk ein guter Ausbilder und Lehrmeister sei. Noch immer pflege er eine freundschaftliche Beziehung. Pfarrer Arne Schmitz erläuterte, dass das 100jährige Jubiläum von Elektro Melk in einem Schaltjahr genau am gleichen Wochentag stattfinden kann. Das geschäftliche Handeln sei ein Zeugnis von Fleiß und Ausdauer. Durch ehrenamtliches Engagement gebe es mehr als den zu bezahlenden Service. Über Generationen weitergegeben gelte es bei der Feier Dank zu sagen. Als Jubiläumsgeschenk werde sich der Pfarrer als gelernter Elektroinstallateur an zwei Urlaubstagen der Firma Melk zur Verfügung stellen.