MAIN-KINZIG-KREIS
Vor 500 Jahren war auch das Kinzigtal Schauplatz der blutigen Bauernkriege
Foto: MKK-Pressestelle
Mittwoch, 06.11.2024
In dem zwei Jahre andauernden Krieg gegen Adel und Geistlichkeit forderten die Bauern Mitte des 16. Jahrhunderts mehr Rechte und das Ende der Leibeigenschaft. Der Traum von einer gerechteren Welt erfüllte sich jedoch nicht, stattdessen gehen die Bauernaufstände als blutige Katastrophe in die Geschichte ein.
„Das Streben nach Freiheit und Mitbestimmung in demokratischen Prozessen war ein wesentlicher Kern der deutschen Bauernaufstände vor 500 Jahren. Der Bergwinkel-Bote als eines der wichtigsten historischen Quellenwerke des Main-Kinzig-Kreises wirft einen spannenden Blick auf diese Zeit und lässt die damaligen Geschehnisse lebendig werden, denn auch das Kloster in Schlüchtern war Ziel der Bauernaufstände, ebenso wie die Steckelburg, die belagert wurde. So wird regionale Geschichte begreifbar und ich bedanke mich bei allen Autoren für ihre große Fleißarbeit und das Interesse an der Heimatgeschichte“, sagte Landrat Thorsten Stolz während der Vorstellung des 76. Heimatjahrbuchs in Schlüchtern, zu der einige der insgesamt 14 Autoren ins evangelische Gemeindezentrum Effata gekommen waren.
Es waren bewegte Zeiten
Es waren bewegte Zeiten: an zahlreichen Orten gab es Aufstände, es wurden Klöster und Burgen gestürmt. Am Beispiel Kloster Schlüchtern heißt es etwa im Jahr 1525, dass eigens ein Inventar erstellt wurde, das Auskunft darüber gibt, was aus dem Kloster Schlüchtern an beweglicher Habe, aber auch an Wertsachen in Sicherheit gebracht werden musste, nicht zuletzt die Mönche selbst, die Schutz in Hanau suchten. Zerstörungen muss es wohl während dieser Zeit dennoch im Kloster gegeben haben, darauf deuten Funde von Trümmern und Scherben hin, die bei archäologischen Grabungen im Ostturm in den 1980er Jahren entdeckt wurden und aus der Zeit der Bauernkriege stammen.
In einem weiteren Beitrag wird der „Kalbsbaum“ bei Flörsbachtal beleuchtet, der auf einer historischen Karte vermerkt ist, die aus der Feder des Wappenmalers Elias Hoffmann stammte und in den Jahren zwischen 1581 und 1592 entstanden ist. Zum Kalbsbaum selbst heißt es, dass dort bei einem hohen, aufgerichteten Stein 280 Bauern erschlagen worden sein sollen – schrecklicher Hinweis darauf, wie unbarmherzig der Umgang der Obrigkeit mit den aufrührerischen Bauern war. Weniger blutig geht es im Wirtshaus als dörflicher Mittelpunkt zu, am Beispiel von Sarrod. Dort forderte die Dorfgemeinde im Jahr 1713 die Errichtung eines Wirtshauses vom Fuldaer Fürstabt Adalbert von Schleifras, was nicht allen gefiel, über mehrere Jahre hinweg entspann sich ein Wirtshausstreit, alles fein säuberlich in den Akten der Fuldaer Rentkammer vermerkt und für den Heimatkalender von Dr. Benedikt Mario Röder aufgearbeitet. Jedoch floss auch im Wirtshaus Blut: 1827 gerieten zwei Gäste wohl nach zu viel Alkohol in einen handgreiflichen Streit, einer starb schließlich als Folge einer Messerverletzung.
Einen ausführlichen Bericht über jüdisches Leben in Ulmbach und den Holocaust gibt Horst Kunz. Ergänzt wird dieser Themenbereich durch den Beitrag von Ernst Müller-Marschhausen, der über die Familie Schlüchterer schreibt, eine jüdische Familiendynastie, und wie es dazu kam, dass jüdische Familien deutsch klingende Nachnamen annehmen mussten, um als Gemeindebürger leben und arbeiten zu können.
"Ein attraktives und lesenswertes Nachschlagewerk"
Wie Schriftleiter Dr. Bernd Giesemann erklärte, sei der Bergwinkel-Bote ein attraktives und lesenswertes Nachschlagewerk. Er lobte die beteiligten Autoren, die einen wertvollen Dienst für die regionale Geschichtsforschung leisten. Sie seien Kulturbotschafter für den Altkreis Schlüchtern, der Heimatkalender sei auch für Menschen außerhalb der Region interessant. „Erzählt werden viele kleine Geschichten, die in das große Weltgeschehen der damaligen Zeit eingebettet sind. Das macht den besonderen Reiz für jeden aus, der sich für Heimatgeschichte interessiert“, fasste der Landrat zusammen.
Gleichzeitig ist der Heimatkalender auch ein Nachschlagewerk für statistische Daten aus dem Main-Kinzig-Kreis und informiert über die Größe der einzelnen Kommunen, außerdem finden sich Wirtschaftsdaten und geografische Angaben. Gesetzt und gedruckt wurde der Jahreskalender im Druck- und Pressehaus Naumann in Gelnhausen, dessen Verleger Oliver Naumann brachte die ersten Exemplare der 76. Ausgabe mit. Herausgeber ist der Kreisausschuss des Main-Kinzig-Kreises.
Der Bergwinkel-Bote hat 196 Seiten und ist für 8,90 Euro an folgenden Stellen erhältlich: GNZ-Kundencenter und Main-Kinzig-Forum in Gelnhausen; Buchhandlung „Dichtung & Wahrheit“ in Wächtersbach; Stadtverwaltung in Bad Soden-Salmünster; Verkehrsbüro in Steinau; Gemeindeverwaltung und Elektro Melk in Sterbfritz, Kinzigtal Nachrichten, „Karmann’s Schöne Seiten“ und die Tourist-Info in Schlüchtern.
Der Bergwinkel-Bote entstand unter Mitwirkung folgender Autoren und mit Unterstützung des Zentrums für Regionalgeschichte: Karl-Walter Auhl, Tim Bachmann, Markus Dersch, Gerd Euler, Dr. Georg-Wilhelm Hanna, Walter Kreuzer, Horst Kunz, Gerhard Lauer, Ernst Müller-Marschhausen, Dr. Benedikt Mario Röder, Karlheinz Schaldach, Ulrich Schwind, Hermann Tilp und Bernd Ullrich. (red)