HANAU

Ambulanter Hospizdienst der Martin Luther Stiftung: Da sein, wenn es darauf ankommt

Hospizbegleiterinnen treffen sich zum Austausch mit Koordinatorin Yasemin Grasmück von der Martin Luther Stiftung Hanau (2. v. l.), ganz rechts: Waltraud Goy.
Fotos: Martin Luther Stiftung Hanau


Samstag, 23.08.2025

„Das war eine herzerfrischende Angelegenheit“, sagt Waltraud Goy. Die 76-jährige Rentnerin aus Bruchköbel lächelt, wenn sie an ihren Einstieg in die Hospizarbeit zurückdenkt.

Seit 17 Jahren engagiert sie sich im ambulanten Hospizteam der Martin Luther Stiftung Hanau. Ihre erste Begleitung galt einer ehemaligen Kinderärztin mit fortgeschrittener Demenz. „Ihr Humor war aber geblieben. Wir haben viel gelacht. Sie hat mich immer strahlend empfangen, wenn ich sie zu Hause besuchte. Der Schalk saß ihr bis zuletzt im Nacken.“

Goy hält inne. „Sie hat mir den Einstieg leicht gemacht“, sagt sie. „Alles, was ich in der Schulung zur Sterbebegleiterin gelernt hatte, konnte ich bei ihr anwenden.“

Kurs "Sterbebegleitung" als Grundlage


Goy ist eine von vielen Tausend Menschen, die sich bundesweit in ambulanten Hospizdiensten engagieren. Sie begleiten schwerkranke Menschen und deren Angehörige in der letzten Lebensphase – zu Hause, im Pflegeheim oder im Krankenhaus. „Ich hatte in der Zeitung gelesen, dass es einen Vorbereitungskurs für Ehrenamtliche gibt – und mich sofort angemeldet“, erzählt Goy.

„Wir vermitteln unseren Ehrenamtlichen das nötige Rüstzeug, um Sterbende sicher und einfühlsam zu begleiten“, erklärt Yasemin Grasmück, Koordinatorin im ambulanten Hospizdienst der Martin Luther Stiftung. Der Kurs umfasst ethische, rechtliche und medizinische Grundlagen, ein Pflegepraktikum sowie ein Begleitpraktikum. „Der nächste Kurs startet am 27. September in Hanau. Einige Plätze sind noch frei – neue Freiwillige sind herzlich willkommen“, so Grasmück.

Gemeinsam ein Stück Schokolade genießen


„Jeder Mensch geht anders aus dem Leben“, berichtet auch Rainer Weitzel. Der 63-Jährige aus Gelnhausen begleitet seit sechs Jahren Sterbende. „Für mich kann das bedeuten, am Bett der schlafenden Person zu wachen und in Stille zu verharren. Oder einfach nur die Hand zu halten, wenn es gewünscht wird, das Gefühl des Alleinseins zu lindern und dem Menschen Ruhe und Sicherheit zu vermitteln.“ Ebenso könne es aber auch darum gehen, kleine persönliche Wünsche zu erfüllen, so Weitzel. Als Beispiele nennt er: Musik hören, vorlesen, gemeinsam beten oder ein Stück Schokolade genießen, miteinander zu sprechen oder zusammen zu schweigen.

„Das Schönste ist, wenn Menschen in Frieden gehen können“, sagt Goy. Als junge Frau hatte sie im Krankenhaus erlebt, wie Sterbende ins Bad geschoben und allein gelassen wurden. „Das muss anders gehen“, dachte sie. Jahre später fand sie ihren Weg in die Hospizarbeit. Ihr Leitsatz: „Keiner soll allein sterben müssen.“

Weitzel ergänzt: „Es kommt vor, dass Sterbende, die ihren Frieden gefunden haben, lächeln und noch einmal nach meiner Hand greifen. Das macht mich froh. Es ist, als ob der Sterbende mir ein Dankeschön schenkt.“

Hospizbegleiter Rainer Weitzel und Koordinatorin Yasemin Grasmück von der Martin Luther Stiftung Hanau.

Enkelkinder trauern anders


Dankbarkeit erleben Goy und Weitzel häufig auch von den Angehörigen. „Wer selbst Scheu vor dem Tod empfindet, ist froh, wenn ein Sterbebegleiter ihn tröstet, ermutigt und ehrlich mit ihm spricht. Dadurch werden die Angehörigen mit ihren Sorgen nicht allein gelassen“, so Weitzel.

Marianne Kuhnert, 90, erinnert sich an die Begleitung ihres verstorbenen Mannes im Hanauer Wichernhaus: „Man kommt sich so hilf- und nutzlos vor in so einer Situation und das hat Frau Goy mir genommen. Die Begleitung hat mir sehr viel bedeutet.“ Sie wünscht sich, dass „der ambulante Hospizdient bekannter wird und die Leute erfahren, wie wichtig und hilfreich das sein kann“.

Goy lenkt den Blick auch auf die Kinder- und Enkelgeneration. „Die Tochter von Frau Kuhnert wohnt weit weg. Später sagte sie mir, wie froh sie war, dass ihre Mutter nicht allein war, als ihr Vater starb.“ Sie betont, wie wichtig es für das Weiterleben der Angehörigen ist, wenn sie gut Abschied nehmen können. Goy ist aufgefallen, dass Enkelkinder anders trauern als Kinder. „Kinder regeln oft zuerst Organisatorisches. Enkelkinder sind näher am Gefühl.“

Gut begleitet in der Begleitung


Für eine anfängliche Scheu, die manche Angehörigen eines Sterbenden packt, äußert Waltraud Goy viel Verständnis: „Wir Ehrenamtlichen haben das Privileg der Neutralität“, sagt Goy. „Wir lernen den Menschen erst am Lebensende kennen – unbelastet von familiären Geschichten.“ Das ermögliche einen offenen Blick auf das Hier und Jetzt.

Sowohl Goy als auch Weitzel berichten von schweren und leichten Momenten in der Sterbebegleitung. Weitzel sagt: „Das Ende unseres Daseins, unseres Lebens wird mir jedes Mal vor Augen geführt. Allerdings beunruhigt mich das nicht. Hier hilft mir mein Glaube an Jesus Christus.“ Auch Goy schöpft Kraft aus ihrem christlichen Glauben. Beide wissen aber: Wer andere begleitet, braucht selbst Halt. Deshalb bietet der Hospizdienst der Martin Luther Stiftung Hanau seinen Ehrenamtlichen regelmäßige Supervisionen und persönliche Gespräche an. „Wir unterstützen uns auch untereinander“, sagt Goy. Sie zieht ein positives Fazit: „Ich fühle mich begleitet in meiner Begleitung.“

Vorbereitungskurs startet im September


Der ambulante Hospizdienst der Martin Luther Stiftung Hanau bietet demnächst einen neuen Kurs für Menschen an, die sich ehrenamtlich in der Sterbebegleitung engagieren möchten. Die Schulung umfasst rund 100 Stunden und beinhaltet unter anderem Einheiten zu Kommunikation, Trauer, Ethik, Pflegepraxis und rechtlichen Fragen. Hinzu kommen ein Pflegepraktikum sowie ein begleiteter Einsatz in der Praxis.

Interessierte können sich bis 12. September unter hospizdienst@vmls.de oder 06181/29021320 anmelden. (red)