HANAU

"Frieden ist alternativlos" - über 6.000 Menschen beim Trauermarsch - Wort des Bischofs

Über 6.000 Menschen zogen beim Trauermarsch am Sonntag durch die Brüder-Grimm-Stadt.
Fotos: Joana Gibbe


Sonntag, 23.02.2020

Auch mehrere Tage nach der schrecklichen Terrortat am vergangenen Mittwochabend sind die Menschen in Hanau und der ganzen Region aufgewühlt. Nachdem sich am Samstag rund 6.000 Menschen an einem Demonstrationszug in der Innenstadt und einer anschließenden Mahnwache auf dem Marktplatz beteiligten, zogen auch beim Trauermarsch am Sonntag wieder über 6.000 Menschen durch die Brüder-Grimm-Stadt. In Marburg kamen 4.500 Menschen zu einer weiteren Demonstration. 

UPDATE: SONNTAG 17:00 Uhr: Um 14 Uhr startete am Kurt-Schumacher-Platz, unweit des ersten Tatorts, der Trauermarsch in Richtung Innenstadt, wo sich der zweite Tatort befindet. "No to racism", "Stoppt die Hetze gegen den Islam", "Frieden ist alternativlos", "Hass ist Gift" und weitere Sprüche zierten die Plakate der über 6.000 Menschen, die von Kesselstadt bis zum Marktplatz marschierten. Neben gelegentlichen Parolen wie "Nazis raus", die von den Organisatoren gleich höflich unterbunden wurden, verlief der gut einstündige Trauermarsch friedlich und ruhig. Auf dem Marktplatz versammelten sich die Menschen zu einem Gebet und einigen kurzen Ansprachen, unter anderem auch von Oberbürgermeister Claus Kaminsky, der erneut verdeutlichte, dass "die Ermordeten Hanauer Bürgerinnen und Bürger" waren.

UPDATE 10:10 Uhr: In den Gottesdiensten im Bistum Fulda wurden am Sonntag ein Wort-Schreiben von Bischof Dr. Michael Gerber verlesen: "Liebe Schwestern und Brüder! Die Ereignisse von Hanau am 19. Februar haben uns zutiefst erschüttert. Uns bewegt das Schicksal der Menschen, die der Bluttat zum Opfer fielen, sowie deren Angehörigen und Freunde. Ihr weiteres Leben wird auch unter dem Eindruck dieser schrecklichen Erfahrung stehen.

Umso mehr dürfen wir dankbar sein für alle Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls in diesen Tagen. Viele Einsatzkräfte leisten einen Dienst, der sie bis an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit führt. Ich bin all jenen dankbar, die in unseren Beratungsstellen und in weiteren therapeutischen und seelsorglichen Angeboten für Gespräche bereit stehen. Aus der ganzen Welt kommen Botschaften der Solidarität und der Verbundenheit im Gebet. Das Schreiben, das uns Papst Franziskus am 21. Februar hat zukommen lassen, ist für uns ein Zeichen der Ermutigung und der Stärkung.

Es ist beeindruckend, wie in Hanau die Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Religionen und Konfessionen in großer Gemeinsamkeit sich den Herausforderungen stellen. Der „Runde Tisch der Religionen“ und die „Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen“ leisten hier Bedeutendes. Als Katholische Kirche erfahren wir uns gerade in Hanau als ein „Volk aus vielen Völkern“. Noch mehr zeigt sich die Vielfalt, wenn wir auf die Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Konfessionen und Religionen in Hanau schauen. Am vergangenen 13. Oktober durfte ich anlässlich des „Sonntag der Weltmission“ in Hanau erfahren, welche Chance in diesem Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft liegt.

Für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung, die von Integration anstatt von Ausgrenzung geprägt ist, wird es wesentlich sein, ob es uns gelingt, Erfahrungsräume zu gestalten, in denen dieses Miteinander als Bereicherung erlebt und eingeübt werden kann. Nicht zuletzt unsere Kindertageseinrichtungen sowie weitere Begegnungsorte und Initiativen leisten hier einen wesentlichen Beitrag. Herzlichen Dank allen, die sich in großer Kontinuität und Beharrlichkeit für dieses Miteinander einsetzen!

Schließen wir die Opfer ein ins Gebet und nehmen wir die vor uns liegende Fastenzeit als Anlass für die Frage, was unser je persönlicher Beitrag für eine Kultur des Miteinanders sein kann: an dem Ort, an dem ich lebe, und in den Beziehungen, in denen ich stehe", so der Bischof in seinem Wort abschließend.

Ticker vom Samstag:

"Die Opfer waren keine Fremden! Sie waren Teil unserer Stadtgesellschaft und als Stadtgesellschaft zeigen wir Solidarität und Anteilnahme", verspricht Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky darüber hinaus eine zentrale Trauer der Stadt für die Opfer des Attentats. Diese werde in Abstimmung mit den Angehörigen sowie den Bundes- und Landesbehörden vorbereitet.

"Die Sorgen und Nöte der Angehörigen der Ermordeten und Verletzten haben Priorität für uns. Wir wollen sichergehen, dass wir immer nach den wirklichen Bedürfnissen der Angehörigen handeln", unterstreicht Kaminsky die Haltung der Stadt. In diesem Kontext hat er für kommenden Montag eine Sondersitzung des Runden Tischs der Religionen einberufen.

Zu diesem Gremium gehören insgesamt 36 Hanauer Kirchen- und Religionsgemeinschaften, die sich regelmäßig treffen. "In diesem Rahmen werden wir klären, wie den verschiedenen Bedürfnissen rund um die Trauer Sorge getragen werden kann", verspricht OB Kaminsky einen offenen Austausch und Informationen aus erster Hand.

Bereits am Freitag wurden mit Dr. Maria Haas-Weber, Vorsitzende des Hanauer Ärztevereins, und Dr. Silke Hoffmann-Bär, Leiterin der Stabsstelle Gesundheit der Stadt Hanau, zwei offizielle Opferbeauftragte benannt. Maßgeblich unterstützt werden die beiden Ärztinnen von Robert Erkan, der die Funktion des Leiters Koordinierungsstelle Angehörige übernommen hat. Der zertifizierte Mediator und Hanauer Stadtverordnete ist auch Mitglied des Ausländerbeirats der Stadt Hanau. Er wird gemeinsam mit den zwölf weiteren Beiratsmitgliedern eine koordinative und vermittelnde Funktion in Richtung der Familien übernehmen.

Hessisches Kriminalamt warnt vor Spekulationen in den sozialen Netzwerken

Dem HLKA fallen vermehrt Spekulationen über den Tathergang des Anschlags in Hanau aus verschiedenen Quellen auf. Aus Sicht der hessischen Polizei gibt es zur Zeit keinen Grund in diesem Zusammenhang von einer akuten weiteren Gefahr auszugehen. Allen Hinweisen zum Tathergang wird im Rahmen der gemeinsamen Ermittlungen von HLKA und BKA unter Leitung des GBA akribisch nachgegangen. Das HLKA bittet, jegliche Spekulationen durch ungesicherte Quellen kritisch zu prüfen und diese auf keinen Fall ungefiltert weiter zu verbreiten. +++