HANAU
Zentrum für Demokratie und Vielfalt in Hanau kommt
Foto: Archiv
Dienstag, 29.09.2020
Das geplante Zentrum für Demokratie und Vielfalt in Hanau kommt. Das beschlossen am Montagmorgen, der Magistrat und – wenige Stunden später - auch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Hanau im Rahmen der finalen Abstimmung über die Vorlage. Der Magistrat wird beauftragt geeignete Räume anzumieten sowie - unter der Federführung der Fachstelle Vielfalt - eine Planungsgruppe zum Aufbau des Zentrums für Demokratie und Vielfalt einzurichten. Die Finanzierung erfolgt durch Mittel der Stadt Hanau und Förderprogramme des Bundes und des Landes.
Bürgermeister Axel Weiss-Thiel, der für das Projekt verantwortlich zeichnet, erläuterte in den städtischen Gremien die Hintergründe: "Der 19. Februar 2020, der Tag des rassistisch motivierten Terroranschlags auf neun Bürgerinnen und Bürger, war der dunkelste Tag für Hanau in Friedenszeiten. Diesen Frieden in der Stadtgesellschaft zu erhalten, fordert alle gemeinsam. Mit dem "Zentrum für Demokratie und Vielfalt" übernimmt die Stadt Hanau bei zentralen Zukunftsfragen des Zusammenlebens Verantwortung für seine Bürgerinnen und Bürger."
"Hanau steht den Opferfamilien und weiteren, indirekt Betroffenen des Anschlags, sowie traumatisierten Hanauerinnen und Hanauer weiterhin nach Kräften bei und erarbeitet gemeinsam mit den Angehörigen der Opfer im persönlichen Austausch eine dauerhafte Erinnerungs- und Gedenkkultur" so Oberbürgermeister Claus Kaminsky. "Darüber hinaus werden wir Demokratieförderung und die Arbeit gegen Rassismus in jedweder Form zu einem Schwerpunkt städtischer Arbeit machen", erklärte Bürgermeister Axel Weiss-Thiel. Das "Zentrum für Demokratie und Vielfalt" solle hier Impulse setzen, begleiten, moderieren und helfen, Antworten zu finden. "Unter dem Motto ‚Vom Nebeneinander zum Miteinander‘ wollen wir im Zentrum bestehender Angebote zusammenbinden und neue entwickeln. Hier wollen wir auch aktive und neue Akteure zusammenbringen, sowie unser Zusammenleben in der Stadtgesellschaft weiter gestalten und entwickeln!", so der Bürgermeister. Leitend zum Selbstverständnis des "Zentrums für Demokratie und Vielfalt" in Hanau seien insbesondere die Artikel 1 und 3 des Grundgesetzes, die die Würde des Menschen für unantastbar erklären und alle Menschen das Recht auf Gleichbehandlung zusichert – ungeachtet von Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöser oder politischer Anschauungen, erläuterte Weiss-Thiel. "Das Ziel der Arbeit im "Zentrum für Demokratie und Vielfalt" ist die Stärkung des Zusammenhalts der lokalen Hanauer Zivilgesellschaft über kulturelle und ethnische Unterschiede hinweg"; fuhr der Bürgermeister fort. Es solle das Vertrauen in die Demokratie stärken und sich gegen Gewalt, Extremismus und Menschenfeindlichkeit engagieren.
Zu diesem Zweck werde sich das Zentrum intensiv mit den städtischen sowie nichtstädtischen Organisationen und Einrichtungen in der Stadt vernetzten. Beispiele möglicher gemeinsamer interkultureller Arbeit sind Bildungspatenschaften, Inklusion von Menschen mit Behinderungen, außerparlamentarische Aktivitäten, Kooperationen mit Schulen und weiteren Einrichtungen, menschenrechtsorientierte Weiterbildung, Demokratiebildung, Flüchtlingsarbeit, Sport und Integration, Sprachintegration, Gemeinwesenarbeit, Initiativen für mehr Akzeptanz vielfältiger Lebensweisen, gegen Homosexuellen- und Transfeindlichkeit, für Willkommens- und Anerkennungskultur sowie niederschwellige Beratungsangebote.
Das Zentrum sei als ein Gebäude gedacht, in dem die vielfältigen Angebote angestoßen, koordiniert und verstetigt würden. Eine besondere Bedeutung komme der Verankerung des "Zentrum für Demokratie und Vielfalt" in die Stadtgesellschaft und den politischen Gremien zu sowie einer engen Zusammenarbeit mit Landes- und Bundesministerien. "Bund und Land nehmen mit ihrer Unterstützung ihren Teil der Verantwortung für das Gedenken und die Verarbeitung des 19.02.2020 wahr und ermöglichen die Realisierung dieses wichtigen Vorhabens", erläuterte Weiss-Thiel.
Das "Zentrum für Demokratie und Vielfalt werde ein offenes Haus sein und Pilotprojekt eines "Vielfaltszentrums" im Sinne des Hessischen WIR-Programms; für alle demokratisch gesinnten Bürgerinnen und Bürger jeden Alters, jeder Herkunft, für Schülerinnen und Schüler – auch im weltweiten Austausch, für Studierende, für alle Bürgerinnen und Bürger alle Generationen, so der Bürgermeister. "Eingeladen mitzuwirken sind alle Menschen, die der Auffassung sind, dass die Grundwerte unserer Verfassung für alle gelten sollten und auch alle Organisationen, die sich aktiv dafür einsetzen."
Im "Zentrum für Demokratie und Vielfalt" solle Raum für Dokumentation und für analoge sowie digitale Schulungen und Erinnerungsarbeit für verschiedenste Zielgruppen sein. Der Empfang von Besuchergruppen aus Deutschland und der Welt sei ebenso vorgesehen wie die Organisation von internationaler Begegnung und das gemeinsame Lernen für Schülerinnen und Schülern. Das Zentrum solle digitale Konzepte der politischen Bildung sammeln und entwickeln, um neben (Weiter-)Bildungsformaten auch Beteiligungsformate zu ermöglichen und bereitzustellen.
Im Zentrum ansprechbar seien zukünftig die städtischen Verantwortlichen der neuen Fachstelle Vielfalt, des mit Bundesmitteln ausgestatteten Programms "Demokratie Leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit" und der mit Landesmitteln geförderten Programme "WIR – Wegweisende Integrationsansätze realisieren" sowie der "Fachstelle Demokratieförderung und Extremismusprävention" (DEXT) der Volkshochschule, das Büro des Ausländerbeirates und die Behindertenbeauftragten. Als weitere mögliche Nutzende für das "Zentrum für Demokratie und Vielfalt" seien Bürger-Initiativen, Migranten-Vereine- und -bürgerschaftliche Organisationen, Selbsthilfegruppen, Geschäftsstelle für "Internationale Wochen gegen Rassismus" und Antidiskriminierungsstelle, externe Opferberatung für Opfer rassistischer und sexualisierter Gewalt denkbar. Inhaltliche Zusammenarbeit wie z.B. mit Hanauer Hilfe e.V., dem Weissen Ring und Frauenhaus könnten darüber hinaus entwickelt werden. "Eine offizielle Eröffnung soll möglichst früh im ersten Halbjahr 2021 erfolgen, sobald die Aufbauphase abgeschlossen ist", teilte Weiss-Thiel mit. (pm) +++