Kommentar zur Ausgangssperre: "Der Frust in der Bevölkerung wächst!"

REGION - Ich fühle mich in diesen Tagen als wäre ich gerade zwölf Jahre alt geworden. Die Eltern erlauben einem abends alleine oder mit Freunden durch die Straßen zu ziehen, frische Luft zu schnappen, auf dem Bolzplatz eine Runde zu kicken. Bedingung: Ganz sicher wieder um 21 Uhr zu Hause zu sein. Pünktlich versteht sich. Wer zu spät kommt, darf am nächsten Abend nicht mehr raus.

Doch ich bin keine zwölf mehr, sondern 32 und trotzdem muss ich wieder um neun Uhr am Abend daheim sein. Doch nicht, weil meine Eltern das wollen, sondern die Politik. Und wenn ich nicht pünktlich daheim bin, gibt es keine elterliche Ermahnung, sondern direkt eine saftige Geldbuße (in Hessen: 200 Euro). Ausgangssperre schimpft sich der nächtliche Hausarrest, der erst wieder um 5 Uhr am Morgen endet. In vielen Regionen ist er wie auch im Landkreis Fulda schon seit längerem gelebte Praxis, hohe Corona-Inzidenzzahlen vorausgesetzt.

Jetzt soll die nächtliche Ausgangssperre in allen Kreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 bundesweit durchgesetzt werden - mit Arroganz, Macht und der Brechstange. Als würde Corona erst am Abend seine ansteckende Wirkung entfalten.

Im Landkreis Fulda galt die Ausgangssperre bereits mehrfach, zuletzt seit dem 8. April. Vize-Landrat und Gesundheitsdezernent Frederik Schmitt spricht im FZ-Interview, wie Bund und Länder auch, von einem "probaten Mittel". Aber auf welcher Grundlage? Wie wirksam ist sie? Darauf hat bisher kein Politiker eine fundierte Antwort geliefert.

Der medizinische Nutzen ist hochumstritten, führende Aerosol-Forscher (Aerosole sind die winzigen Teile, über die Corona übertragen wird) bezweifeln die Wirkung der Ausgangssperre. An der frischen Luft sei eine Übertragung von Corona generell eher unwahrscheinlich, erst recht mit Abstand. Wer dann noch brav FFP-2 Maske trägt, brauche sich eigentlich gar keine Gedanken mehr zu machen. Eigentlich.

Doch die Politik serviert uns permanent neue Verordnungen. Im gefühlten Dauerfeuer und mit erhobenem Zeigefinger gibt es immer mehr Verbote für mündige, geschäftsfähige, selbstbestimmte Bürger. Freiheiten dagegen werden nur sehr zögerlich zurückgegeben.

Diese Inkonsequenz des politischen Handelns führt zu Frust in der Bevölkerung. Der Eindruck der Abgehobenheit einiger Mandatsträger überwiegt mehr und mehr dem Vertrauen und der Akzeptanz in die Corona-Maßnahmen.

Mit wem in der Stadt ich auch spreche: Unverständnis dominiert mittlerweile überall, auch von Leuten, die lange voll und ganz hinter den Corona-Maßnahmen der Regierung standen. Immer mehr sind der Meinung: Die aktuellen Entwicklungen im Kampf gegen das Virus werfen uns zurück, anstatt uns voranzubringen - im Kampf um ein normales Leben. Die Zahlen steigen und steigen trotz unzähliger Einschränkungen.

Klare Worte, sinnvolle Maßnahmen und realistische Perspektiven brauchen die Menschen - unverständliche, wenig bis nichts bringende Verbote nicht. Leben wir doch in einem demokratischen Land, in dem Freiheit immer oberste Priorität haben sollte.

Und wer jetzt mit dem Argument kommt: Aber Feiern sollen durch die Ausgangsbeschränkungen verhindert werden. Das stimmt vielleicht in der Theorie. Aber wer sich mal ein bisschen umhört, bekommt schnell mit: Privatfeiern finden trotz Ausgangssperren statt. Fernab der Öffentlichkeit. In geschlossenen Räumen. Ohne Abstand. Ohne Maske. Dafür mit viel Alkohol. Und sie dauern lange.

Wer schlau ist, feiert durch und fällt erst um Punkt 5 am Morgen aus der Türe. Dann darf man sich nämlich wieder frei draußen bewegen. Ganz legal. Versteht das denn noch irgendjemand?! +++