So hat sich die Corona-Krise auf die Alten- und Pflegezentren ausgewirkt!

Freitag, 28.05.2021
von MORITZ PAPPERT
MAIN-KINZIG-KREIS - Besonders die Pflegeeinrichtungen für Senioren litten unter der Corona-Pandemie. Die für ältere Menschen wichtigen sozialen Kontakte wurde auf ein minimum reduziert. Besuche waren teilweise nicht, oder erschwert möglich. Glücklicherweise kehrt so langsam wieder Normalität ein. Im Interview berichten die Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises (APZ), wie sie die Krise erlebt haben.
Wie hat sich die Corona-Pandemie allgemein auf das APZ ausgewirkt?
"Zur Koordination der notwendigen Schutzmaßnahmen im Unternehmen, beriefen die APZ-MKK zu Beginn der Pandemie einen Krisenstab ein, um die Entwicklung der Pandemie zu beobachten und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. In den einzelnen Einrichtungen wurden die geltenden Pandemiepläne, fortwährend durch neue Erkenntnisse aktualisiert. Interne Newsticker für die Mitarbeiter*innen und eine kontinuierliche Kommunikation an die Angehörigen und die Öffentlichkeit schafften eine transparente Informationspolitik. Für Angehörige wurde die CORONA-Hotline geschaffen. Diese steht bis heute telefonisch und per E-Mail für Fragen der Angehörigen offen. Besuche und Ausgänge können seit September 2020 über ein Besuchssystem online oder telefonisch gebucht werden. Mit großem Einsatz haben sich alle Bereiche – von der Pflege über die Betreuung, der Haustechnik und der Hauswirtschaft bis hin zur Verwaltung – an die fast täglich neuen Verordnungen und Empfehlungen angepasst.
Neben der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben, war in den Einrichtungen aber auch viel Kreativität gefragt. Das anfängliche Besuchsverbot und das Verbot von Gruppenaktivitäten und einrichtungsinternen Veranstaltungen, wurde in kürzester Zeit, durch die Schaffung alternativer Angebote aufgefangen. Dazu gehören neben der Videotelefonie für Bewohner*innen und den ehrenamtlichen Telefonpaten, auch die Ausweitung von Einzelangeboten der Sozialen Betreuung. Damit die Bewohner*innen der Einrichtungen der APZ-MKK, trotz der Schutzmaßnahmen am kulturellen Leben teilhaben können, finden seit über einem Jahr regelmäßig Hof- und Terrassen-Konzerte und andere Veranstaltungen vor den Einrichtungen statt. Die Konzerte werden im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kunst und Kultur erleben“ der APZ-MKK angeboten, die es den in ihrer Mobilität eingeschränkten Bewohner*innen ermöglicht, an kulturell hochwertigen Veranstaltungen teilzunehmen. Um dies auch unter Einhaltung der aktuellen Schutzmaßnahmen zu ermöglichen, wurde das Angebot entsprechend dem Motto „Gemeinschaft trotz(t) Distanz“ angepasst.
Welche Regeln gelten aktuell?
"In den Einrichtungen der APZ-MKK gelten das „Schutzkonzept zur Ermöglichung von Besuchen und Begegnungen während der Corona-Pandemie“. Grundlage für das Besuchskonzept der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises ist die Zweite Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus (Stand: 17.05.2021) der Hessischen Landesregierung (Corona-Einrichtungsschutzverordnung). Darin werden u.a. die Vorgaben für Besuche in Pflegeeinrichtungen während der Corona-Pandemie definiert. So müssen Besuche bei den Bewohnern weiterhin vorab über Online-Buchungssystem oder telefonisch vereinbart werden (Daten werden für einen Monat erfasst, um diese im Falle eines Infektionsgeschehens dem Gesundheitsamt zur Kontaktverfolgung zu übermitteln). Für den Besuch sind die entsprechenden Nachweise erforderlich (entweder ein negatives Testergebnis, das nicht älter als 24 Stunden ist, der Nachweis über eine vollständige Impfung oder darüber das man in den letzten Monaten erkrankt und vollständig genesen ist). Innerhalb der Einrichtungen gelten für alle Besucher*innen weiterhin die Abstand- und Hygieneregeln."
Wie läuft das aktuelle Bewohnerleben unter den Corona-Maßnahmen?
"Trotz der zahlreichen Angebote, die geschaffen wurden, um die soziale Teilhabe der Bewohner*innen zu stärken und die Möglichkeit Besuche problemlos über ein Online-Buchungssystem oder über eine Telefon-Hotline buchen zu können, sind die Auswirkungen der Corona-Krise in den Einrichtungen natürlich weiterhin zu spüren. Zum einen gelten immer noch besondere Schutzmaßnahmen, zum anderen können größere Veranstaltungen wie Konzerte, Frühlingsfeste oder andere wohnbereichsübergreifende Feiern noch immer nicht stattfinden. Was die Bewohner*innen immer wieder freut, sind die zahlreichen Aktionen von Ehrenamtlichen, lokalen Unternehmen und von einfachen Bürger*innen, die beispielsweise Blumen, Grußkarten oder Basteleien für die Bewohner spenden. Auch der seit Jahren enge Kontakt zu den umliegenden Schulen und Kindergärten war und ist eine wichtige Verbindung ins örtliche Umfeld. Regelmäßig treffen von Kindern gemalte Bilder und Grußkarten in den Häusern ein und erfreuen die Bewohner*innen."
Wie viel Prozent der Pflegekräfte und der Bewohner sind geimpft?
"Auch wenn die Impfquote bei den Bewohnern durch den Einzug neuer Bewohner*innen, die noch nicht geimpft sind, kurzfristig auch wieder sinken kann, liegt sie derzeit bei etwa 80%. Das Unternehmen hofft auf zeitnahe weitere Impfungen durch die Hausärzte. Bei den Mitarbeiterinnen liegt die Impfquote derzeit bei ca. 60%. Durch die direkte Ansprache von Vorgesetzten sowie der Bereitstellung von Informationen durch das Unternehmen, beispielsweise eines Firmenvideos, sollen noch mehr Mitarbeiter*innen dazu motiviert werden, sich impfen zu lassen."
Falls alle geimpft sind und es trotzdem Einschränkungen gibt: warum ist das so?
"Zum einen ist es so, dass noch nicht alle geimpft sind, zum anderen gibt es derzeit noch keine gesicherten Daten darüber, ob und wenn ja wie hoch die Ansteckungsgefahr ist, die von bereits geimpften Personen ausgeht. Zumal dabei ja auch noch nach dem jeweiligen Impfstoff unterschieden werden müsste. Trotzdem ist es bereits jetzt so, dass Lockerungen erfolgen, sobald eine Impfquote überschritten wird – so dürfen beispielsweise wieder Gruppenangebote stattfinden, sobald 90% eines Wohnbereichs geimpft sind. Die Entscheidung über die geltenden Einschränkungen bzw. geplante Lockerungen, wird auf politischer Ebene entschieden und nicht von den Pflegeeinrichtungen selbst. Das Interesse der APZ-MKK liegt vor allem darin, die Bewohner*innen sowohl vor einer Ansteckung zu schützen, Ihnen aber trotz der geltenden Schutzmaßnahmen ein selbstbestimmtes Leben und soziale Teilhabe zu ermöglichen."
Wie hat die Corona-Pandemie die Arbeit der APZ bzw. der Pflege allgemein Nachhaltig verändert?
"Das Gefühl, gemeinsam der Herausforderung gewachsen zu sein, hat dazu beigetragen, viele Hürden zu überwinden und sich der aktuellen Lage anzupassen. Geholfen haben auch zahlreiche Dankesaktionen, an denen sich besonders der Betriebsrat – als fester Bestandteil im Krisenstab – beteiligt hat, das Engagement der Mitarbeiter*innen, die sich in diesen besonderen Zeiten mit viel Einsatz um die Bewohner*innen gekümmert haben zu würdigen. Beispielsweise wurden mit einem Eiswagen ein mobiles Mitarbeitersommerfest organisiert, wöchentlich kleine Präsente und MNS mit einem lachenden Gesicht verteilt und der Zusammenhalt aller, denen das Wohlergehen der Bewohner am Herzen liegt, gestärkt."
Welche Bilanz ziehen sie jetzt aus der Pandemie?
"Die Corona-Pandemie hat sowohl die Stärken als auch die Schwächen im Pflegebereich offengelegt. Bereits zuvor haben die Mitarbeiter*innen häufig an ihrer Belastungsgrenze gearbeitet. Durch die Corona-Krise sind im ohnehin nicht einfachen Arbeitsalltag in den Pflegeeinrichtungen viele Herausforderungen hinzugekommen, denen sich die Mitarbeiter*innen in kürzester Zeit stellen mussten – von der Umsetzung der Schutzmaßnahmen, Besuchsverbote, Besuchsbeschränkungen, über die kontinuierliche Testung von Mitarbeiter*innen und Bewohner*innen, bis hin zur Umsetzung der Maßnahmen zur Stärkung der sozialen Teilhabe der Bewohner*innen.
Im Mittelpunkt aller Maßnahmen und Aktionen standen dabei immer die Bedürfnisse und Wünsche der Bewohner*innen. Auch wenn es dafür viel Zuspruch aus der Gesellschaft gab, geschieht auf politischer Ebene nicht genug, um zu einer schnellen und langfristigen Verbesserung der Arbeitssituation und der Arbeitsbedingungen im Pflegebereich beizutragen. Trotz aller Schwierigkeiten ist die Bereitschaft der Mitarbeiter*innen, den Bewohner*innen durch diese schwierige Zeit zu helfen, auch nach über einem Jahr im Umgang mit der Pandemie nach wie vor groß. Die offene Kommunikation zwischen dem Unternehmen und den Angehörigen, trug dabei zur Akzeptanz der getroffenen Maßnahmen bei. Nicht zuletzt stärkte das gemeinsame Bemühen, den Zusammenhalt aller Beteiligten."
Stehen neue Projekte an? Welche?
"In allen Betriebsteilen stehen aktuelle Projekte an, die entweder bereits angelaufen sind oder in Kürze starten – beispielsweise der unternehmensweite Ausbau der Digitalisierung, die Weiterentwicklung des Leitbilds Gesundheit, der Aufbau einer Sozialberatung innerhalb des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, die Integration ausländischer Arbeitskräfte (Welcome) oder die Optimierung der Einsatzplanung (Arbeitszeit 5.0). Einige Projekte, wie der Ausbau der Digitalisierung, haben durch die Corona-Krise einen weiteren Schub bekommen, weil in kürzester Zeit die digitale Infrastruktur geschaffen werden musste, damit beispielsweise die Video-Telefonie in allen Einrichtungen möglich gemacht werden oder das zu den APZ-MKK gehörende Aus- und Fortbildungsinstitut für Altenpflege Online-Unterricht für die Schüler*innen anbieten konnte. Zusätzlich zu den 12 Pflegeeinrichtungen, sind aktuell drei weitere Einrichtungen in Planung bzw. im Bau. Die Eröffnung des Hauses Spessart in Jossgrund Pfaffenhausen ist bereits für das erste Quartal im Jahr 2022 geplant. Gerade auch im Hinblick auf die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung, setzt das Haus Spessart neue Maßstäbe.
So wird die Einrichtung nachhaltige Techniken wie Solarthermie und Photovoltaik nutzen, um die Energieversorgung sicherzustellen. Durch die Digitalisierung interner Prozesse, die Nutzung neuster Pflegesoftware, der automatisierten Datenerfassung und Datenweitergabe innerhalb der Einrichtung werden die Pflegekräfte entlastet, damit ihnen mehr Zeit für ihre Kernaufgaben bleibt. Digitale Pflegebetten werden in der Lage sein, Vitalparameter zu erfassen und an die Pflegekräfte zu übermitteln. Die Datenübergabe innerhalb des digitalen Netzwerks erleichtert auch die Zusammenarbeit mit Ärzten und Apotheken. Sie schafft Möglichkeiten der Telemedizin und des Medikamentenmanagements in Abstimmung mit den behandelnden Medizinern. Darüber hinaus eröffnen eine bewegungsgesteuerte Lichtregelung neue Wege, dementiell erkrankte Personen zu unterstützen. Ähnlich modern soll das Haus Waldensberg im gleichnamigen Wächtersbacher Stadtteil werden, für den der Spatenstich im Februar dieses Jahres stattgefunden hat und das im ersten Quartal im Jahr 2023 erfolgen soll."