Plakataktion soll Frauen Mut machen, sich Hilfe zu holen
Donnerstag, 24.06.2021
Nach Vergewaltigung - Main-Kinzig-Kreis – Die meisten Vergewaltigungen werden nicht angezeigt. Es ist leider traurige Realität, dass Betroffene aus Angst vor einer Anzeige nicht die notwendige medizinische Versorgung und psychologische Nachbetreuung erhalten, da sie das Ereignis aus Scham lieber für sich behalten.
Oftmals
sind die Frauen direkt nach der Tat nicht in der Lage, solche wichtigen
Entscheidungen zu treffen. Sollten sie sich vertraulich an jemanden im
persönlichen Umfeld wenden, wird aus Unkenntnis leider ebenfalls der ein
oder andere falsche Rat gegeben. Sexuelle Übergriffe durch Partner,
Bekanntschaften oder im Familienumfeld erschweren vielen Frauen in
besonderem Maße, sich anzuvertrauen. Nicht selten wird gerade hier die
Situation verharmlost oder falsch eingeschätzt. Es ist bekannt, dass
etwa 90 Prozent der Täter aus dem direkten Umfeld kommen.
Kreisweite Kampagne
Eine kreisweite Kampagne im Öffentlichen Nahverkehr soll dieses Thema in den nächsten Wochen fokussieren. In den Bussen der Kreisverkehrsgesellschaft (KVG) Main-Kinzig und der Hanauer Straßenbahn (HSB) werden eingängige Plakatmotive gezeigt, die auf die Hilfsangebote aufmerksam machen. „Gehen Sie zum Arzt – und nicht zum Alltag über“ – so lautet die Botschaft der Aktion, auf die Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler und der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky aufmerksam machen.
Die Einschätzung, dass es sich tatsächlich um eine Vergewaltigung handelt, wird von den Opfern nicht immer als solche wahrgenommen, so die Erfahrungen der Fachleute in den Beratungsstellen. Da ist schnell mal die Rede von einem „irgendwie doofen Abend“.
Unterstützung zur Bewältigung der Tat
Nach Übergriffen mit so genannten K.O.-Tropfen wissen manche Frauen gar nicht, ob eine Vergewaltigung stattgefunden hat. Auch hier sollten sie immer daran denken, dass Spuren gesichert werden und sie selbst medizinisch und therapeutisch versorgt werden. „Wir stellen die medizinische Versorgung und die Unterstützung zur Bewältigung der Tat in den Vordergrund“, erklärt Claus Kaminsky. Und Susanne Simmler ergänzt: „Jede Frau soll sich ernst genommen fühlen, und zwar in ihrer individuellen Lage, auf Wunsch anonym, ohne Angst haben zu müssen, dass es zwingend zu einer Anzeige kommen muss.“ Dafür sind die örtlichen Kliniken – die Main-Kinzig-Kliniken in Gelnhausen, das Klinikum Hanau und das St. Vinzenz-Krankenhaus Hanau rund um die Uhr erste Anlaufstelle.
Das Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ existiert bereits seit 2015 im Main-Kinzig-Kreis dank der Beratungsstelle Frauennotruf in Frankfurt. Dort hat das Projekt seine Wurzeln und liefert nicht nur Materialien, sondern auch wertvolle Erfahrungen. „Gerade in den zurückliegenden Monaten beherrschte die Corona-Pandemie sehr stark die Krankenhäuser. Es ist anzunehmen, dass Frauen größere Scheu hatten, eine Notaufnahme aufzusuchen, obwohl dies dringend angeraten wäre“, betont Susanne Simmler. „Hier soll die Plakataktion dafür werben, diesen Schritt zu gehen, auch wenn es schwer fällt“, ergänzt Claus Kaminsky.
Angebot, Spuren zu sichern
Die Koordinatorinnen des Referates für Frauenfragen und Chancengleichheit beim Main- Kinzig-Kreis und der Stabsstelle Prävention, Sicherheit und Sauberkeit der Stadt Hanau, Grit Ciani und Andrea Pillmann, berichten davon, dass Anfang dieses Jahres über den Frauennotruf Frankfurt eine umfangreiche ärztliche Fortbildung stattgefunden hat: „Die zentralen Notaufnahmen, Pflegekräfte und gynäkologischen Fachabteilungen sind gut geschult. Sie erkennen die Situation auch, wenn eine Frau nicht ganz genau artikuliert, weswegen sie in die Klinik kommt.“
Ein zentraler Bestandteil der Versorgung ist das Angebot, Spuren zu sichern. So kann die Betroffene auch später noch in Ruhe über eine Anzeige nachdenken. Sie hat dann auch Zeit, erst einmal Kontakt zu einer Beratungsstelle aufzunehmen und das Erlebte zu besprechen, um zunächst einmal den notwendigen psychologischen Beistand zu erhalten, bevor sie weitere Schritte unternimmt. Dies ist deshalb wichtig, da ohne gesicherte Spuren ein eventuelles späteres Strafverfahren eingestellt werden könnte. (pm) +++