DRK-Helfer berichtet über seinen Hochwasser-Einsatz in Rheinland-Pfalz

Donnerstag, 29.07.2021
von ANDREA PAULY*
HANAU/AHRWEILER - Die Bilder und Berichte sind präsent und bestürzend: Vor weniger als zwei Wochen ereigneten sich die dramatischen Unwetter und die daraus resultierende Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, die mehr als 170 Todesopfer forderte, unzählige Menschen obdachlos machte und für Schäden in Milliardenhöhe sorgte.
In dieser Situation waren und sind zum Teil auch heute noch ehrenamtliche Helfer des DRK-Kreisverbandes Hanau vor Ort im Einsatz mit Ausrüstung und Fahrzeugen - von Helfern des Sanitäts- und Betreuungszuges des Main-Kinzig-Kreises über Helfer für die Trinkwasserversorgung und Besatzungen mit Krankentransportwagen des Katastrophenschutzes wie auch Helfer der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV).
Auch die Anteilnahme sowie die Hilfsbereitschaft der Hanauer Bürger für die Flutopfer sind sehr groß. Inzwischen finden allerdings Geldspenden den sinnvollsten Einsatz, da die Lager in den betroffenen Gebieten gut gefüllt und wenig Kapazitäten vor Ort für weitere Sachspenden vorhanden sind. Nach Abschluss der Spendenannahme im Hauptquartier hat der Kreisverband bereits von zweckgebundenen Geldspenden für die jetzige Situation Notwendiges gekauft, wie Schaufeln, Besen, Heftpflaster sowie Verbandsmaterial, die weitere DRK-Helfern an den Einsatzort mitgenommen haben.
Am besten Geld spenden
„Denn große Teile der betroffenen Bundesländer sind intakt, sodass
eine Nahversorgung sichergestellt ist - insbesondere mit Lebensmitteln
und Hygieneartikeln. Man kann nachvollziehen, dass viele spontan helfen
wollten. Aber gerade in den ersten Tagen nach dem Hochwasser verstopften
oftmals private Hilfstransporte die Straßen, sodass beispielsweise für
Räumungsfahrzeuge und für unsere Trinkwasser-Lkw kein Durchkommen war -
ein Problem, das inzwischen durch Sperrungen der Ortschaften für
Privatfahrzeuge von außerhalb erfolgt ist. Private Helfer werden nun mit
Shuttle-Services in die Orte gebracht“, erzählt Kai Hirchenhein, einer
der zahlreichen Helfer.
In seiner ehrenamtlichen Funktion als
Rotkreuzbeauftragter ist Kai Hirchenhein auch verantwortlich für die
Lenkung und Durchführung aller Aufgaben, die für die Vorbereitung des
Katastropheneinsatzes notwendig sind. Außerdem vertritt er den
Kreisverband in allen Angelegenheiten des Zivil- und
Katastrophenschutzes gegenüber der Katastrophenschutzbehörde. Von seinem
Helfereinsatz aus Sinzig im Kreis Ahrweiler zurückgekehrt, berichtet er
von der DRK-Arbeit vor Ort.
Der Voralarm sei am Freitag, 16. Juli erfolgt, als der DRK-Landesverband Hessen die Alarmspitze des Kreisverbandes (Kreisbereitschaftsleitung, Geschäftsführung und Rotkreuzbeauftragten) informierte und der Einsatzstab alles Weitere plante, so Hirchenhein. Der Einsatzbefehl kam Samstag früh. Bis zum Nachmittag waren dann neun Helfer mit Betreuungszug und Fahrzeugen vor Ort sowie vier weitere Einsatzkräfte der Trinkwasseraufbereitung, einer von ihnen Hirchenhein, mit Lkw zum Aufbau der Trinkwasserausgabestellen.
Trinkwasserversorgung im Fokus
Der Einsatzstab des Kreisverbandes beriet sich fortlaufend, wie er die Einsatzkräfte vor Ort unterstützen konnte und koordinierte die Hilfe des DRK von Hanau aus. Auch zwei Krankentransportwagen und die Schnelleinsatzgruppen des Katastrophenschutzes wurden alarmiert und rückten in die betroffenen Gebiete ab. Die ersten Helfer des Betreuungszuges kehrten am Sonntag gesund zurück und am Dienstag dann die Helfer der Schnelleinsatzgruppe, die von ehrenamtlichen Kräften des 2. Sanitätszuges abgelöst wurden. Auch die Helfer der Trinkwasserversorgung wurden regelmäßig abgelöst.
Am
Dienstagmittag wurde ebenfalls ein Helfer der Psychosozialen
Notfallversorgung (PSNV) des Ortsvereins Hanau alarmiert. Er war
gemeinsam mit weiteren Fachkräften aus dem Bereich der PSNV aus Hessen
im Hochwassergebiet, um dort Anwohner und Einsatzkräfte zu betreuen.
„Bei der Ankunft am sogenannten Bereitstellungsraum Nürburgring in Rheinland-Pfalz wurden die verschiedenen Einsatzkomponenten je nach Ort des Einsatzes getrennt. Unter anderem die TWA (Trinkwasseraufbereitung) wurde in Löhndorf, einem vom Hochwasser nicht betroffenem Ortsbezirk von Sinzig im rheinland-pfälzischen Landkreis Ahrweiler, stationiert“, erläutert der Rotkreuzbeauftragte. Hier sei es nur kurzfristig zu Stromausfällen gekommen, die dazu führten, dass Telefonverbindungen lahmgelegt waren.
„Wir hatten aber unseren funktionierenden Digitalfunk. Am Sonntag begann dann der Einsatz mit den vier Trinkwasserversorgungslastwagen und Anhängern mit den 20 Wassertanks à 1.000 Liter, die in den ersten drei Tagen verbraucht wurden. Mittwochnacht wurden nochmal 20 weitere Tanks nachgeliefert. Ortschaft für Ortschaft wurde nach den Räumungsarbeiten auf den Straßen erschlossen. Das hat Tage gedauert. Inzwischen könne alle Trinkwassertanks fortlaufend befüllt werden, um die Bevölkerung durchgehend zu versorgen“, sagt Hirchenhein.
Leere, schlammdurchtränkte Höhlen
Geplant
ist eine Versorgung für circa zwölf Wochen, wobei die Hilfskräfte vor
Ort nun wöchentlich abgelöst werden. Da noch nicht alle Häuser begangen
werden konnten, musste vor Ort noch immer erkundet werden, während die
Bundeswehr parallel dazu provisorische Brücken herstellte, um Teile von
Ortschaften, die durch einen Bach oder Fluss getrennt sind, erreichen zu
können.
Die Basis für die DRK-Trinkwasser-Lkw befindet sich auf
dem Parkplatz des Sportplatzes und geschlafen wird im Gemeindehaus auf
Feldbetten. „Vor Ort wurden wir von Einheimischen verpflegt. Hier zeigt
sich eine große Hilfsbereitschaft. Beispielsweise hatten sich vier Damen
aus Löhndorf zusammengeschlossen, die uns Einsatzkräfte voll verpflegt
haben. Oder Handwerker aus dem Ort, die vorbeikamen und ihre
Telefonnummer hinterleißen mit dem Angebot, anzurufen, falls etwas
gebraucht wird“, erzählt der DRK-Helfer.
Ansonsten habe die örtliche Einsatzleitung die Verpflegung durch andere Verpflegungsstellen organisiert. „Doch je kürzer die Wege, desto besser in so einer Situation. Man muss sich vorstellen, es gibt Bereiche, wie in Ahrweiler, wo die Infrastruktur komplett zerstört ist, die Häuser nur noch leere, schlammdurchtränkte Höhlen und die Straßen nach den ersten Aufräumarbeiten von Müllbergen gesäumt sind. Und dann gibt es keinen Kilometer entfernt Ortsteile, wo das Leben ganz normal weitergeht, weil sie einfach etwas höher liegen“, beschreibt Hirchenhein die Situation im Einsatzgebiet, wo die DRK-Helfer immer von den frühen Morgenstunden bis zum Einbruch der Dunkelheit tätig waren.
"Oftmals waren wir auch so etwas wie Seelsorger"
Im
Gegensatz zu dem, was momentan an manchen Stellen durch die Medien
gehe, haben Hirchenhein und seine Kollegen die betroffenen Menschen vor
Ort als sehr dankbar erlebt, auch wenn die DRK-Kameraden nicht immer
alle Wünsche erfüllen und Fragen beantworten konnten.
„Oftmals waren wir auch so etwas wie Seelsorger. Die Menschen haben uns ihre Erlebnisse und Geschichten erzählt, während wir unsere Trinkwassertanks aufbauten. So beispielweise eine Dame, die uns eine bewegende chronologische Schilderung der Nacht gab, als ihr Haus geflutet wurde und sie von Stockwerk zu Stockwerk bis auf das Dach des Hauses vor den Wassermassen geflüchtet ist, wo sie die Nacht verbachte, nicht wissend, ob sie hier für die nächsten Stunden in Sicherheit war“, erklärt der Rotkreuzbeauftragte.
Diese und andere Schicksale hätten die Helfer stark berührt. Aber nicht nur der Kontakt mit den Anwohnern sei durchweg positiv und oft hilfreich gewesen, auch das Zusammenspiel mit den anderen Einsatzkräfte-Einheiten von der Feuerwehr, über die Bundeswehr bis zur Polizei habe reibungslos funktioniert und sei durchweg konstruktiv und unbürokratisch gewesen. Auch hier habe das Motto „kurze Wege“ gegolten. Man habe sich gegenseitig unterstützt und geholfen, um zeitnah und kurzfristig reagieren zu können.
*Andrea Pauly ist Pressesprecherin des DRK-Kreisverbandes Hanau