Stängel und Co. stehenlassen

Main-Kinzig-Kreis gibt Tipps zum Insektenschutz in der kalten Jahreszeit

Der Main-Kinzig-Kreis gibt Tipps zum Insektenschutz im Herbst und Winter. - Archivfoto: KN/Carina Jirsch


Montag, 15.11.2021

MAIN-KINZIG-KREIS - Blühende Gärten und artenreiche öffentliche Grünflächen sind ein wichtiger Beitrag zum Insektenschutz. Jetzt im Herbst wird vielerorts „aufgeräumt“ – es wird nochmal gemäht, Laub beseitigt und alles Verblühte entfernt und damit leider auch wichtige Lebensräume für Insekten und viele andere Tiere.

Denn nicht nur die Förderung des Blühens ist wichtig für die biologische Vielfalt, sondern auch der Erhalt von Strukturvielfalt und Überwinterungsquartieren außerhalb der Blühsaison, sind sich der Landschaftspflegeverband Main-Kinzig-Kreis (LPV) und die Untere Naturschutzbehörde des Main-Kinzig-Kreises einig.

Das seit gut einem Jahr laufende Projekt „Main.Kinzig.Blüht.Netz“ im Bundesprogramm Biologische Vielfalt hat genau das zum Ziel: dauerhafte, struktur- und artenreiche Lebensräume zu schaffen, anstatt nur kurzfristige bunte Blütenzauber, die vor allem das menschliche Auge beglücken. So wurden in vielen Kommunen im Main-Kinzig-Kreis bereits längerfristig wirksame Maßnahmen umgesetzt und Wiesen, Säume und Wildstaudenbeete angelegt oder durch eine Umstellung der Pflege die Weiterentwicklung bestehender Flächen zu blütenreicherem Grün angestoßen.

Nicht nur das Blühen ist wichtig: Eine Wildbiene hat es sich in einem Stängel einer Königskerze gemütlich gemacht.    - Foto: Main-Kinzig-Kreis/Ralf Geyer

Nicht nur das Blühen ist wichtig: Eine Wildbiene hat es sich in einem Stängel einer Königskerze gemütlich gemacht. - Foto: Main-Kinzig-Kreis/Ralf Geyer

Der Fokus der Beratungen durch das Projektteam des LPV liegt hier ganz auf heimischen Wildpflanzen: Diese sind die beste Unterstützung für Insekten und dienen als Nahrung und Lebensraum. „Viele Pflanzen und Tiere passen oft wie Schlüssel und Schloss zusammen“, erläutert die Biologin und Projektmitarbeiterin Dr. Eva Distler. So ist etwa der blau blühende Natternkopf eine wichtige Pollenquelle insbesondere für die darauf spezialisierte Natternkopf-Mauerbiene. Die hohen, gelben Königskerzen sind Futterpflanzen für nahezu 90 Insektenarten: Schmetterlinge, Fliegen, Käfer, Wanzen und Fransenflügler nutzen über die ganze Vegetationsperiode hinweg unterschiedliche Pflanzenteile wie Blätter, Stängel, Knospen, Blüten und Samen.

Wo bewusst aufs Mähen verzichtet wird


Wenn spätestens jetzt im Herbst die Blüte der Wildpflanzen zu Ende geht, aber dennoch die verblühten Pflanzen stehen bleiben sollen, ist das für manche Menschen gewöhnungsbedürftig. Häufig kommt die Frage auf, warum denn hier nicht gemäht wird. Doch an vielen Stellen wird bewusst auf das Mähen verzichtet. Denn verblühte Wildpflanzen sind mit ihren vertrockneten Stängeln, Blättern und Samenständen extrem wichtig als Überwinterungsquartier für viele Insektenarten. Sie überwintern in den verschiedensten Entwicklungsstadien in den toten Pflanzenteilen – als Eier, Larven oder Puppen. Wiesen werden vor dem Winter nochmal gemäht, aber es darf ruhig ein kleiner Randbereich stehen bleiben. Wildblumensäume und Wildstaudenbeete sollten generell erst nach dem Winter zurückgeschnitten werden, empfiehlt  die Biologin.

Archivfoto: KN/Gerhard Manns

Archivfoto: KN/Gerhard Manns

Angeregt durch das Projekt "Main.Kinzig.Blüht.Netz" wollen auch viele private Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer etwas für Bestäuber und andere Tiere tun und lassen Stauden stehen, anstatt den Garten im konventionellen Sinn „winterfest“ zu machen. Auch Vögel profitieren davon – die Samenstände dienen einigen Arten als Winterfutter. Gehölzschnitt – nur da wo unbedingt nötig – kommt in die Totholzhecke oder wird als Haufen aufgeschichtet und erfüllt einen neuen Zweck als Lebensraum für Igel und andere Kleintiere. Holzstämme dienen als Refugium für Holzbienen, Käfer und weitere Insekten.

Laub von Bäumen und Sträuchern verbleibt am besten im Garten: Einfach unter die Hecke rechen und schon finden dort viele Tiere ein Winterquartier oder Vögel suchen sich ihre Nahrung. Alle Menschen, die Bienen, Schmetterlingen und Co. über den Winter helfen möchten, lassen also einfach etwas mehr „Unordnung“ zu. Und kommt der erste Frost, strahlt ein von Rauhreif überzogener verblühter Blütenstand oft eine ganz besondere Magie aus, die sicherlich auch das menschliche Auge hoch erfreut. (pm)