Herz unter Druck: Ursachen, Diagnose und Therapie einer Volkskrankheit
Mittwoch, 24.11.2021
HANAU - Mit über 20 Millionen Betroffenen, etwa jedem dritten Erwachsenen, ist sie die häufigste Volkskrankheit Deutschlands: die Rede ist von Hypertonie, besser bekannt als Bluthochdruck. Jede auch noch so geringe Erhöhung des Blutdrucks schädigt Gefäße und auf Dauer lebenswichtige Organe wie Herz, Gehirn oder Nieren.
Zu den schwerwiegenden Komplikationen eines dauerhaften unzureichend oder nicht behandelten Bluthochdrucks gehören Herzschwäche, Gehirnblutung und Schlaganfall sowie Vorhofflimmern und Nierenversagen. Weil sich die Zahl der Betroffenen in den letzten 30 Jahren fast verdoppelt hat, hat sich die Deutsche Herzstiftung dazu entschlossen, ihre jährlichen bundesweiten Herzwochen dieses Jahr dem Bluthochdruck mit dem Motto „Herz unter Druck“ zu widmen.
Auch in Hanau hatten PD Dr. med. Christof Weinbrenner, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie, Nephrologie und internistische Intensivmedizin am Klinikum Hanau, und Dr. med. Wolfgang Dembowski, Chefarzt und Ärztlicher Direktor am St. Vinzenz-Krankenhaus in Hanau, eine entsprechende Veranstaltung geplant. Aufgrund der aktuell wieder steigenden Corona-Inzidenzen haben sich die Experten aber zum Schutz aller dafür entschieden, diese abzusagen.
„Es ist schade, dass unser Vortragsabend in diesem Jahr erneut ausfallen muss, aber die momentane Situation hat uns leider keine andere Wahl gelassen“, so Weinbrenner. Um die Herzwochen nicht ganz ausfallen zu lassen, haben wir im Interview mit ihm und seinem Chefarztkollegen Dr. med. Wolfgang Dembowski über die Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und Prävention von Bluthochdruck gesprochen.
Herr Dr. Weinbrenner, was genau verbirgt sich denn eigentlich hinter dem Begriff „Blutdruck“?
Weinbrenner:
Der Blutdruck beschreibt allgemein die Kraft, die das Blut auf die
Wände unserer Arterien und Venen ausübt und wird in zwei Werten
angegeben: der systolische Wert, das ist der höhere Wert auf dem
Blutdruckmessgerät, benennt den Druck in den Gefäßen, wenn der
Herzmuskel das Blut in den Körper pumpt. Der diastolische Wert – das ist
der niedrigere von beiden - zeigt den Druck an, wenn der Herzmuskel
entspannt ist und sich die Herzkammern mit Blut füllen. Der Blutdruck
passt sich automatisch an aktuelle Belastungssituationen und Einflüsse
auf den Körper an. Von hohem Blutdruck spricht man ab Werten von 140/90
mmHg, der Normalwert liegt idealerweise bei 120/80 mmHg.
Herr Dr. Dembowski, woher kommt denn zu hoher Blutdruck und wie merke ich, dass ich betroffen bin?
Dembowski:
Wenn sich zu hoher Blutdruck bemerkbar macht, ist es oft schon zu spät,
weil dann schon Organe geschädigt sind. Nicht umsonst sprechen viele
bei Bluthochdruck vom ‚stillen Killer‘, weil er trotz hoher Werte oft
lange ohne jegliche Beschwerden verläuft. Und wenn Beschwerden
auftauchen, dann gleich ziemlich heftig, mit beispielsweise einer
Herzschwäche, Vorhofflimmern und/oder einem Schlaganfall. Die häufigsten
Ursachen von zu hohem Blutdruck in unserer heutigen Gesellschaft sind
Übergewicht und Bewegungsmangel, wobei das eine ja oft das andere
bedingt. Aber auch Stress und eine erbliche Vorbelastung spielen eine
nicht unerhebliche Rolle.
Und was kann ich tun, damit ein zu hoher Blutdruck eben nicht unentdeckt bleibt und im Stillen Schäden anrichtet?
Weinbrenner:
Das ist eigentlich ganz einfach: den eigenen Blutdruck kennen und ab
dem 40 Lebensjahr regelmäßig selbst messen oder beim Arzt messen lassen.
Ist man familiär vorbelastet, sollte man sogar schon früher starten.
Denn je älter ein Mensch wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit,
dass man einen Bluthochdruck entwickelt. Wer zuhause misst, sollte
versuchen, sich vor der Messung zu entspannen, indem er fünf Minuten
ruhig sitzt, den Unterarm locker auf den Tisch legen und die Manschette
so am Oberarm anbringen, dass sie auf der Höhe des Herzens sitzt. Beim
Handgelenks-Blutdruckmessgerät muss die Manschette am Handgelenk auf
Herzhöhe gehalten werden. Nach der Messung sollte man die Werte in einem
Blutdrucktagebuch notieren, um auch über einen längeren Zeitraum einen
Überblick über die Entwicklung der Werte zu haben.
Wie
sieht es denn mit Prävention aus? Kann ich aktiv etwas dazu beitragen,
gar nicht erst einen zu hohen Blutdruck zu entwickeln?
Dembowski:
Ja, auf jeden Fall. Das wirksamste Mittel ist regelmäßige Bewegung, die
kann den oberen Blutdruckwert um bis zu 10 mmHg senken – das ist
genauso viel wie ein Blutdruckmedikament. Schwimmen, Radfahren, Walken
oder lockeres Joggen haben einen messbaren Einfluss auf den Blutdruck,
ideal wäre, sich drei bis fünf Mal die Woche für ca. 30 bis 45 Minuten
zu bewegen. Sport ist aber nicht nur gut für das Herz-Kreislauf-System,
er hilft auch, Übergewicht als primären Risikofaktor für Bluthochdruck
zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Eine ausgewogene, gesunde Ernährung mit
möglichst wenig Salz und Zucker spielt dabei natürlich genauso eine
Rolle. Auch rauchen sollte man nicht, das hat gerade aus der
medizinischen Perspektive in vielerlei Hinsicht Vorteile. Außerdem
sollte man versuchen, ausreichend Entspannung in den Alltag zu
integrieren. Stresshormone setzen den gesamten Organismus dauerhaft
unter Druck und lassen ihn nicht zur Ruhe kommen – das schadet dem
ganzen Körper. Mit Aktivitäten, die einem Spaß machen und den Stress
vergessen lassen, lässt sich da gut entgegenwirken. Das Tolle an all
diesen Tipps ist übrigens, dass sie nicht nur in der Vorbeugung gegen
Bluthochdruck wirken, sondern auch helfen, bestehenden Bluthochdruck zu
senken – und dazu noch nahezu kostenlos sind.
Apropos Behandlung: Wie geht es weiter, wenn Sie bei einem Patienten einen zu hohen Blutdruck feststellen?
Weinbrenner: Im ersten Schritt empfehlen wir immer die von Herrn Dr. Dembowski erläuterten Lebensstiländerungen und eine regelmäßige Überwachung des Blutdrucks. Bei Patienten, die keine weiteren Risikofaktoren mit sich bringen, kann hier eine konsequente Umsetzung auch schon ausreichend sein, um den Bluthochdruck gut in den Griff zu bekommen. Reicht das nicht aus, unterstützen wir die Therapie mit blutdrucksenkenden Medikamenten, aber auch hier ist Konsequenz das Stichwort. Die Patienten müssen ihre verschriebenen Medikamente dauerhaft und regelmäßig einnehmen, nur dann kann die Behandlung die gewünschte Wirkung haben und effektiv gegen Folgeerkrankungen wir Herzrhythmusstörungen (vor allem Vorhofflimmern), einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall vorbeugen. (pm)