Amtsdirektorin Sigrid Haas - genügsame Persönlichkeit trotz imposanter Karriere

Samstag, 25.05.2019
von Joana Gibbe
GELNHAUSEN - „Ich denke, dass es die richtige Berufswahl war“, resümiert Sigrid Haas, Direktorin des Amtsgerichts Gelnhausen, ihre fast 40-jährige Tätigkeit in der Justiz. Die letzten Tage im Amt stehen an, denn ab dem ersten Juni hängt sie die Richterrobe an den Nagel und geht in den wohlverdienten Ruhestand.
In der damals noch eher männerdominierten Justizlandschaft schaffte es die Juristin, die sich selbst als eher „rustikal“ und „geradeaus“ bezeichnet, nach ihrem Studium in Frankfurt als erste Frau in die Staatsanwaltschaft Hanau. Auch wenn sie dort anfangs „überhaupt nicht hinwollte“, habe es ihr dann doch „unheimlich gut gefallen“. Nach fünf Jahren bei der Staatsanwaltschaft zog es die gebürtige Gelnhäuserin dann auch beruflich in ihre Heimat, wo sie ab Oktober 1985 gleich mehrere Ämter bestritt. Im Amtsgericht und als erste Richterin in der Barbarossastadt kümmerte sie sich anfangs vor allem um Konkurssachen, Handelsregister und Zwangsvollstreckungen und übernahm die Leitung der zugehörigen Jugendarrestanstalt. Ihr Aufgabenfeld wandelte sich im Laufe der Zeit dann eher zu Jugendstrafsachen, die sie vorerst als Einzelrichterin und später als Vorsitzende des Schöffengerichts verhandelte. Nach zehn Jahren im Amtsgericht wurde Haas stellvertretende Direktorin, 2010 übernahm sie die Leitung.
„Ich habe angefangen, da gab es Schreibkanzleien“, blickt Haas erstaunlich bescheiden auf ihre imposante Karriere zurück. Und nicht nur die Technik habe sich in den vielen Jahrzenten gewandelt. Früher waren es „ganz andere Delikte“, „da haben die Leute reihenweise Autos aufgeknackt und Autoradios geklaut“, erklärt die Direktorin. Während sie damals viele „Kirmesschlägereien“ verhandelte, seien es heutzutage mehr Betrugsgeschichten und Internetkriminalität. In ihrer Zeit bei der Staatsanwaltschaft habe sie aber auch die ein oder anderen Tötungsdelikte verhandelt. Dabei habe sie auch gelernt „Grenzen zu ziehen“. „Du kannst nicht das ganze Leid der Welt auf dich laden, sonst gehst du daran kaputt“, appelliert die Amtsleiterin. Trotzdem hätte sie keiner ihrer Aufgaben missen wollen, denn „nur Verwaltung“ wäre nichts für sie gewesen. Vor allem der Umgang mit Menschen habe ihr immer Spaß gemacht und sei ihr auch intern immer wichtig gewesen, weshalb ihre Bürotür die meiste Zeit offen stand und sie ein gutes Verhältnis zu ihren Mitarbeitern pflegte.
Und auch wenn sie selbst sagt, dass man „sich nicht für so wichtig nehmen“ sollte, kann man über Sigrid Haas eins sagen: Sie hat ein beachtliches Stück Justizgeschichte geschrieben. Jetzt möchte sich die dreifache Mutter und zweifache Großmutter, die seit einigen Jahren in Bad Soden-Salmünster lebt, auf ihre Familie und ihre Leidenschaften, wie Museumsbesuche und ihren Garten, konzentrieren und den Ruhestand mit ihrem Ehemann Ludwig Haas, ehemaliger Leiter der Polizeistation Schlüchtern, genießen. Einige Aufgabe, wie das Lehren von Rechtskunde an der Kopernikusschule in Freigericht, möchte sie auch weiterhin verfolgen. „Langweilen werde ich mich vermutlich nicht“ schmunzelt die 65-jährige, die auch in ihrer Amtszeit mit tausenden gesprochenen Urteilen wohl eher selten Däumchen drehte.
Die Leitung der Jugendarrestanstalt liegt bereits seit März bei Richter Christian Scheuermann. Andreas Weiß, Vizepräsident des Landgerichts, übernimmt ab September die Leitung des Amtsgerichts. +++