Bewegende Gedenkstunde zum Jahrestag des rassistisch motivierten Anschlags

Sonntag, 20.02.2022
von STEFANIE HARTH
HANAU - Say their Names. Die Namen der Opfer nie vergessen: In einer würdevoll gestalteten Gedenkstunde haben Hinterbliebene, Vertreter von Religionsgemeinschaften sowie Honoratioren aus Politik den Opfern des rassistisch motivierten Anschlags von Hanau gedacht.
Unter den 100 geladenen Gästen auf dem Hanauer Hauptfriedhof: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), Landtagspräsident Boris Rhein (CDU) und Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD).
Am 19. Februar 2020 hatte der 43 Jahre alte Täter Tobias R. in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Die Opfer heißen Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kenan Kurtovic, Vili Viorel Paun, Fatih Saracoglu, Ferhat Unver und Kaloyan Velkov. Später tötete Tobias R. auch seine Mutter und sich selbst. Mit der Aufarbeitung der Tat, die bundesweit Entsetzen auslöste, befasst sich aktuell ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Landtags.
"Es gibt Wunden, die heilen nie"
"Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden. Aber das stimmt so nicht. Es
gibt Wunden, die heilen nie. Sie mögen vernarben, man mag sie im Alltag
vergessen, aber sie bleiben. Für immer", sagte Hanaus Oberbürgermeister
Claus Kaminsky. "Die Terrornacht des 19. Februar 2020 ist so eine tiefe
Wunde, die nie ganz verschwinden wird. Sie wird immer wieder schmerzen,
vor allem bei Ihnen, den Vätern, Müttern, Brüdern, Schwestern,
Verwandten und Freunden der Opfer."
Wann immer man diese Wunde berühre und sich an das Geschehene erinnere, schmerze sie erneut. Aber diese Berührung, dieses Erinnern sei wichtig. "Es schützt uns davor, zu vergessen und mahnt uns so zu ständigem Handeln. Gegen Rassismus, gegen Diskriminierung, gegen Hass und gegen die Verletzung der Menschenwürde", betonte der OB in seiner empathischen Rede.
Einfühlsame
Worte fand auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier: "Dieser
furchtbare Terrorakt hat ein ganzes Land erschüttert. Ich versichere
Ihnen: Wir haben die Opfer und deren Angehörige nicht vergessen. Sie
sind mit Ihrem Schmerz und Ihrem Leid nicht allein. Die Opfer nicht zu
vergessen, sie aus der Anonymität herauszuholen: das ist unsere
Aufgabe."
Faeser: "Ich verstehe Ihre Wut"
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte in ihrer emotionalen Ansprache: "Ich fühle mit Ihnen. Ich teile Ihre Trauer. Ich verstehe Ihre Wut. Ich möchte Ihnen versichern: Wir werden immer an Ihrer Seite stehen und alles für eine transparente und lückenlose Aufklärung tun."
Noch viele offenen Fragen
müssten geklärt werden - das sei eine Frage des Mitgefühls und der
Verantwortung. Eine "Spur des rechten Terrors" ziehe sich durch unsere
jüngere Geschichte, betonte Faeser, die die Bekämpfung
rechtsextremistischer Strukturen zu einer ihrer Hauptaufgaben erklärt
hat.
Hanaues Imam Macit Bozkurt apellierte: "Unsere Hoffnung ist, dass sich Politik und Behörden ihrer Verantwortung in puncto lückenloser Aufklärung bewusst werden, um verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen."
Bundesweit haben am Samstag Menschen an die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags von Hanau erinnert: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kenan Kurtovic, Vili Viorel Paun, Fatih Saracoglu, Ferhat Unver und Kaloyan Velkov sind ihre Namen.