Sowas gab es in Deutschland noch nie

Wirtschaftskrimi in Gründau: Ein Anruf veränderte über Nacht alles

Bürgermeister Gerald Helfrich - Foto: Moritz Pappert


Sonntag, 06.03.2022
von MORITZ PAPPERT

GRÜNDAU - Es ist ein wahrer Wirtschaftskrimi, der sich in Gründau seit 2020 abspielt. Alles dreht sich um einen Anruf im Oktober 2020, der die finanzielle Situation der Gemeinde über Nacht komplett veränderte. Bürgermeister Gerald Helfrich erzählt KINZIG.NEWS, was sich seitdem abgespielt hat. 

Die Ausgangslage: Bis 2019 galten Gründau als eine der Vorzeige-Gemeinden beim Thema Haushalt in Hessen. Doch dann veränderte ein Anruf bei Gründaus Bürgermeister Helfrich alles. Am anderen Ende der Leitung war eine große Firma, der größte Gewerbesteuerzahler der Gemeinde. Laut KINZIG.NEWS-Informationen soll es sich bei der Firma um eine Niederlassung von Evonik handeln 

"Bisher hatte die Firma der Gemeinde rund zehn Millionen Euro im Jahr aus der Gewerbesteuer zugewiesen. Das veränderte sich aber schlagartig. Im vierten Quartal 2020 informierten sie uns, dass durch Corona der in Gründau erwirtschaftete Gewinn gleich null ist und dieser dann vor der Steuer abgeführt wird. Dadurch geht die Gemeinde leer aus".

Doch das war noch nicht alles. Die acht Millionen Euro, die bereits an die Gemeinde 2020 gezahlt wurden, müssen zurückgezahlt werden. "Das war die Schocknachricht 2020. Weil das Geld schon eingeplant war. Ab diesem Datum haben sich die Gründauer Uhren andersherum gedreht", sagt Helfrich. 

"Über Nacht war plötzlich das Konto um 20 Millionen Euro höher

Da kurz darauf die Haushaltsberatungen anstanden, mussten hier, im Vergleich zu den letzten Jahren, deutliche Abstriche gemacht werden. Doch der Krimi ist noch nicht vorbei. Denn ein Jahr später ruft das Unternehmen erneut an. "Die sagten uns, dass der Gewinn doch besser war und dass sie entschieden haben, dass Gründau das Geld wieder bekommt. Außerdem profitieren sie dadurch von der Gewerbesteuer in Gründau, die die niedrigste in ganz Hessen ist. Wir haben gedacht, ist denn schon wieder Weihnachten. Dieses Szenario gab es in Deutschland wohl noch nie." 

Aber: Der Haushalt war schon durch, und zwar auf Sparflamme. "Über Nacht war plötzlich das Konto der Gemeinde um 20 Millionen Euro höher." Am Ende profitierte aber der Bürger. Denn, wenn es dabei geblieben wäre, dass die Gewerbesteuer des Unternehmens wegfällt, hätte die Steuer angehoben werden müssen. 

Nach KINZIG.NEWS-Recherchen handelt es sich bei dem Unternehmen um Evonik. Von der Pressestelle heißt es zu dem Vorfall: "Die Gemeinde Gründau hat die ihr zustehende Gewerbesteuer von Evonik ordnungsgemäß erhalten. Das Wesen der Gewerbesteuer ist es, dass Vorauszahlungen durch Unternehmen geleistet werden, die auf einer Prognose basieren. Erst auf Basis des Jahresabschlusses und schließlich der Steuererklärung steht die tatsächliche Summe fest. "