Warum der Mittelstand auf EU-Sanktionslisten gegen Russland achten muss

Montag, 14.03.2022
MAIN-KINZIG-KREIS - Der deutsche Mittelstand hat es in diesen Wochen nicht leicht. Erst brachte die Coronapandemie viele Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage, nun sorgt die Ukraine-Krise für eine Störung der weltweiten Lieferketten und für Probleme bei der Rohstoffversorgung sowie Kostensteigerungen für Rohstoffe und Energie. Ganz zu schweigen von den Sanktionslisten, die die Europäische Union angesichts der fortschreitenden militärischen Invasion durch Russland in der Ukraine nahezu täglich erweitert.
Neben der Erweiterung der Sanktionslisten um russische Politiker und Oligarchen beinhaltet diese insbesondere Finanzsanktionen gegenüber Russland und Belarus. Michael Graf, Beauftragter des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft e.V. (BVMW) und Leiter des Kreisverbandes Main-Kinzig-Kreis, sieht für mittelständische Unternehmer und Dienstleister im Landkreis dringenden Handlungsbedarf: „Ein Verstoß oder eine Verletzung der geltenden Sanktionen aufgrund des Wirtschaftsembargos gegen Russland kann für Firmen nicht nur sehr teuer werden, sogar Freiheitsstrafen sind möglich“.
Warum es schwierig ist, den Überblick zu behalten
Allerdings ist es für viele kleine und mittelständische Unternehmen sehr schwierig, bei den sich ständig ändernden Sanktionsmaßnahmen der EU den Überblick zu halten. Der BVMW arbeitet daher mit einer Anwaltskanzlei aus Aschaffenburg zusammen, die sich intensiv mit der Analyse der Sanktionslisten beschäftigt. Anwalt Dr. Michael Krebs betont: „Sanktionslisten zum Wirtschaftsembargo der Europäischen Union gibt es schon länger, durch den Ukraine-Konflikt werden nun aber viel mehr deutsche Firmen betroffen sein. Es ist vielen gar nicht bekannt, welche Gefahren durch diese Listen lauern. Auf diesen Listen stehen Privatpersonen, Unternehmen, Institutionen mit denen keine oder nur noch eingeschränkte Geschäfte gemacht werden dürfen. Das bezieht sich sowohl auf den Import wie Export von Waren und Gütern mit diesen gelisteten Unternehmen. Und es kann auch Firmen und Personen direkt in Deutschland betreffen.“
Es geht dabei nicht nur um Lieferungen an diese Firmen, sondern auch darum, welche Waren etwa für die Aufrechterhaltung der eigenen Lieferketten und Wertschöpfung bezogen werden. „Als Unternehmen oder Dienstleister kann ich bestimmte Waren daher nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr beziehen und auch nur unter Einschränkungen absetzen“, so Michael Krebs. Diese Listen betreffen laut Krebs nicht nur militärische Güter. Dazu gehören auch normale Artikel wie Papier, Toner oder sogar Bleistifte. Besonders schwierig wird es bei Produkten, die sowohl militärisch als auch nichtmilitärisch genutzt werden können. „So kann man ein Schlauchboot ja auch als Landungsboot zweckentfremden, auch wenn dies von einer deutschen Firma vielleicht unter einem ganz anderen Aspekt nach Russland oder Belarus verkauft wurde. Bei einer Zuwiderhandlung oder Missachtung der geltenden Sanktionsrichtlinien können hohe Schadensersatzforderungen drohen“, warnt der Anwalt.
Gerade die mittelständischen Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis sollten daher darauf achten, an wen sie liefern, mit wem sie aktuell in den Krisenregionen und beteiligten Ländern und Firmen Kontakte und Geschäfte pflegen. Daher sind die Unternehmen verpflichtet, sich über den aktuellen Sachstand zu informieren. „Das ist nicht ganz trivial, da sich die Sanktionslisten teilweise stündlich ändern können, weil ein neuer Oligarch oder ein neues russisches Unternehmen hinzugekommen ist. Da den Überblick zu erhalten und alles richtig zu machen, ist die große Herausforderung für Unternehmen. Das kann man letztlich nur noch softwareunterstützt händeln, sonst verliert man den Überblick“, gibt Michael Krebs zu bedenken.
Es gibt mittlerweile anwaltliche und nichtanwaltliche Dienstleister, die diese Prüfung für Unternehmen durchführen und die entsprechenden Arbeitsmittel haben, damit nichts übersehen werden kann. Der Unternehmer stellt seine Lieferanten/Kundenlisten/Mitarbeiterlisten mit allen verfügbaren Kontakten zur Verfügung, die dann mit entsprechender Software abgeglichen und analysiert werden können. „Bei einem Treffer gibt es dann sinnvollerweise Hilfen, was zu tun und zu berücksichtigen ist. Kann ich das Geschäft ohne Einschränkungen machen, muss ich das Geschäft anzeigen oder genehmigen lassen“, so Michael Krebs abschließend. (pm)