Premiere der Kolumne BAYER BAR

Mit Verlaub: Fickt Euch, Ihr Duzer! - Ein Plädoyer für das Sie

TobiTheBayer überlässt das Rampenlicht gerne denen, die wirklich wichtig sind - oder es meinen. Daher reicht hier getrost ein verschwommenes Foto aus der Bahn. - Foto: privat


Dienstag, 26.03.2024
von TobiTheBayer

IRGENDWO - Hey Buddies, jetzt mal ehrlich: Wann hat eigentlich dieser ganze Schwachsinn angefangen, dass jeder jeden sofort und überall Duzen muss? Diese Lebensphilosophie "IKEA" halte ich als Mittzwanziger kaum aus, auch wenn ich mich selbst immer wieder dabei erwische. 

Und falls Ihr jetzt in Kubicki-Manier denkt, was will denn der spießige JU-Spacken, der bestimmt in seiner Freizeit ärmellose Ralph-Lauren-Westen und Krawatten trägt und sich von Papi mit dem Porsche zum Politiker-Besuch fahren lässt, um dort mit der Hand auf dem Herz patriotisch die Nationalhymne zu singen - dann liegt Ihr falsch. Hab nie ´ne Krawatte getragen, lieber Hoodie mit Sakko und so. Mitglied bei der JU bin ich auch nicht, Papi fährt Skoda und ich selbst. 

Alle zu Duzen, ist wie zum ONS "Ich liebe Dich" zu sagen

Also auf jeden Fall schüttele ich immer den Kopf, wenn mich wildfremde Menschen plötzlich Duzen. Auf der Straße, beim Shopping, im Internet sowieso - und auch auf der Arbeit, bei Erstkontakten. Das Du ist zu einer Seuche geworden - seit Jahren. 

Mich stört an dem Du erstmal überhaupt nichts. Im Gegenteil: Das DU ist toll, etwas besonderes, eine Möglichkeit einem Verhältnis eine besondere Wertschätzung zu verleihen. Aber es kommt immer auf den Moment und die Häufigkeit der Verwendung an. Jeden zu Duzen, ist für mich genauso strange wie zum One-Night-Stand "Ich liebe Dich" zu sagen. Und nein, "Ich liebe Sie" ist in diesem Fall auch keine gute Idee. 

Viele Sprachen bieten gar keine Option bei der persönlichen Ansprache zwischen „Du" und „Sie" zu unterscheiden. Im Englischen etwa gibt es nur das „you“. Wir haben hier im Deutschen die wunderbare Möglichkeit der Unterscheidung, die wir nutzen sollten. Möchte ich mehrere Menschen ansprechen und das Sie erscheint mir zu spießig und unpassend, habe ich noch eine Möglichkeit. Diese machen wir uns auch bei KINZIG.NEWS zu Nutze. Ich verwende das im Plural deutlich weniger übergriffige „Du" in Form eines „Ihr" oder „Euch".

Ü50- Bosse Duzen, das ist strange

Der Brüller, was ich aus Unternehmen von Freunden mitbekomme. Da lässt sich der Ü50-CEO eines Weltkonzerns auf einmal Duzen, weil das nun hipp ist und besser zum Zeitgeist passt. Jeder Mitarbeiter darf heute Paul (Name geändert) sagen. Doch Paulchen, Du bist nicht von jetzt auf gleich näher an Deinen Mitarbeitern, nur weil Dich jetzt jeder Duzen darf. Das Du suggeriert eine Nähe, wo keine ist. Der Mangel an Authentizität ist kaum auszuhalten und enttäuscht am Ende nur die ganzen neuen Duz-Freunde.

Getoppt wird das noch von einem Abteilungsleiter, der, so erzählte man mir, nach Jahrzehnten des "Sie" abstimmen lies, ob seine Mitarbeiter zum Du wechseln wollen. Das darf man sich also unter gelebter Demokratie vorstellen... Heute lässt er sich übrigens Duzen. 

Beleidigen beim Sie fällt schwerer

Gerade im beruflichen Umfeld gab und gibt es kaum Kollegen und besonders Vorgesetzte, zu denen ich ein solch respektvolles, anständiges und wertschätzendes Verhältnis habe wie zu denen, mit denen ich mich Sieze. Ein „Du Arschloch“ oder „Fick Dich" geht halt auch schneller und gedankenverlorener über die Lippen als ein „Sie Arschloch" (außer man heißt Joschka Fischer). Oder habt Ihr schonmal zu jemandem gesagt: „Ficken Sie sich"? Wohl kaum - Eure Domina vielleicht mal ausgenommen. 

Das Sie nimmt harten Worten die Schlagkraft

Auch wenn in einem Siez-Verhältnis Beleidigungen deutlich länger auf sich warten lassen, selbst wenn sie mal geschehen: Lest nochmal die obigen Beleidigungen. Mit einem "Sie" sind sie gleich weniger verletzend als mit einem "Du". Das "Sie" ist ein Panzer, der abprallen lässt, was uns nicht gefällt und verletzt.

Bodo Kirchhoff schreibt in seinem Roman "Widerfahrnis", mit dem er 2016 den Buchpreis gewann, einen Satz, der mich bis heute umtreibt : „Ein Du ist nur etwas Wert, wenn es aus dem Sie hervorgeht.“ Ich will, dass das Du wieder einen Wert hat. 

BAYER BAR, die Kolumne 

Immer wenn er Lust hat, schreibt KINZIG.NEWS-Mittzwanziger TobiTheBayer in seiner losen Kolumne BAYER BAR über Themen, die ihn gerade umtreiben. "Häufig unangenehm, selten unangebracht", wie sein alter Journalistenschul-Direktor zum Abschied über ihn sagte. Oft kreisen seine Gedanken in den Texten um die Themen Freiheit und Anstand. 

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