Am Pfingstmontag: Mühlen ließen ihre Flügel und Wasserräder drehen

Mittwoch, 08.06.2022
von WALTER DÖRR
SCHLÜCHTERN - Das bekannte Lied „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp klapp“ trifft nicht auf die Gegebenheiten an der Gehrmühle in Gundhelm zu. Das Mühlrad dort ist nämlich erst im Jahr 2010 nach altem Vorbild mit Gummersbacher Eiche rekonstruiert worden, denn von dort kommt der Besitzer der dazugehörenden Immobilie.
Traditionell öffneten bundesweit mehr als 1.000 historische Mühlen an Pfingstmontag ihre Türen. Die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung (DGM) e.V., Petershagen-Frille, und ihre Landes- und Regionalverbände, wie der Hessische Landesverein zur Erhaltung und Nutzung von Mühlen (HLM) e.V. in Hungen, luden zum Deutschen Mühlentag ein. An diesem besonderen Tag lassen die Wind- und Wasser-, Dampf- und Motormühlen des Landes ihre Flügel und Wasserräder drehen. Die Mühlenbetreiber setzen Mahlgänge in Betrieb und gewähren den Mühleninteressierten bei Führungen einen Einblick in das Kulturgut Mühle und das alte Müllerhandwerk. Die Idee des Deutschen Mühlentages hatte man bereits vor über 25 Jahren.
Bundesweiter Aktionstag
Anfang der 1990er Jahre erfreuten sich in Deutschland regionale Mühlenveranstaltungen großer Beliebtheit. Und so wurde der Wunsch nach einem bundesweiten Aktionstag wach, wie ihn die holländischen Mühlenfreunde bereits seit 1973 begehen. Im Jahr 1994 gab es erstmals einen Deutschen Mühlentag. Jährlich wechselnd richtet ein Landes- oder Regionalverband die zentrale Eröffnungsveranstaltung aus – in diesem Jahr fand sie an der Schleifmühle in Schwerin unter Federführung des Mühlenvereins Mecklenburg-Vorpommern und des Stadtgeschichte- und Museumsverein Schwerin statt.
Die Römer brachten übrigens die Technik der Wassermühlen mit nach Deutschland. Mit der Kraft des Wassers werden unter- oder oberschlächtige Wasserräder angetrieben. Sie wurden aber nicht nur zum Kornmahlen genutzt, sondern auch, um andere Maschinen wie Schrotmühlen, Aufzüge, Sägen für Holz und Steine oder Pumpen anzutreiben. Zur Ver- oder Bearbeitung von (Roh-)Stoffen nutzte man also ursprünglich als Energiequelle die Naturkräfte Wind und Wasser.
„Der bundesweite Mühlentag soll der interessierten Öffentlichkeit die Bedeutung, Geschichte und Funktionen der ältesten Kraftmaschine der Menschheit näherbringen und die Aufmerksamkeit auf diese technischen Denkmäler richten, deren Geschichte über 2000 Jahre zurückreicht“, sagt laut Internet der DGM-Präsident Professor Johannes Weinig. „Mühlen sind die Vorläufer unserer gesamten technischen Entwicklung und gelten als die ältesten Maschinen der Menschheit.“ Weil der Betrieb von Wind- und Wassermühlen heutzutage nicht mehr nötig ist, da zum Beispiel Mehl industriell produziert wird, macht man sich für den Erhalt des kulturellen Erbes stark.
In Hessen hatten an Pfingstmontag 35 Mühlen ihre Tore geöffnet. Wie die Gehrmühle in Schlüchtern-Gundhelm, die Ölmühle Niederdorfelden, die Alte Mühle Gründau-Breitenborn, die Weidmühle in Schotten-Eschenrod, die Schlagmühle Flieden, die Wallingsmühle Hofbieber-Wallings, das Herrenmühle-Kraftwerk Haag in Rotenburg an der Fulda oder die Klostermühle Seligenstadt. Wir besuchten die Gehrmühle, die malerisch im Tal des Schwarzbaches nahe des Schlüchterner Stadtteils Gundhelm liegt und stellen sie in einer Fotostrecke vor.
Die ehemalige Korn- und Getreidemühle, die schon vor 1700 erwähnt wird, war vor Jahren baufällig und wird vom Besitzer aufwendig in seiner Urform restauriert. An das Mühlengebäude wurde 1880 ein Stall angebaut. Vermutet wird, dass sich das Mahlen für die Familie Scheel nicht mehr gelohnt hat und man in der Landwirtschaft ein weiteres Aus- und Einkommen suchte. Mit einer Turbinenanlage von 1970 und einem Gleichstromgenerator wird die Hauslichtversorgung sichergestellt.
Das im Jahr 2010 neu errichtete Wasserrad hat einen Durchmesser von 5,20 Meter und wird oberschlächtig mit Wasser vom Schwarzbach versorgt. Die Mühlentechnik im Inneren der Mühle konnte noch nicht besichtigt werden – lediglich die Turbine durch ein geöffnetes Fenster von außen. In der geöffneten Scheune, in der die Gäste bewirtet wurden, faszinieren die restaurierten eichenden Balkenkonstruktionen. Hier steht auch ein mobiles Sägewerk, mit dem aktuell weitere Eichenbalken bearbeitet werden. Die Außenfassade der Mühle ist bereits wie im Original hergerichtet. Auch im Inneren des bewohnten Hauses gibt es viel zu entdecken. Der Größe des Hauses geschuldete schmale steile Treppen oder unterschiedliche Stockhöhen durch Um- und Anbauten. In einem Wohn- und Schlafzimmer ist die Zeit stehengeblieben: offene (krumme) Eichenbalken, historische Einrichtungen (Betten, Tische), eine Nähmaschine….
Und in das Zimmer kommt man nur, wenn man sich sehr bückt, denn da steht für unser heutiges Verständnis keine Normhöhe zur Verfügung. Märchenhaft. Historische Geräte und Gegenstände waren im ehemaligen Kuhstall ausgestellt.