Hanau macht sich frei: Das sagen Bürgermeister, Stadträte und Co.

Donnerstag, 23.06.2022
HANAU - Der Main-Kinzig-Kreis und die Stadt Hanau haben in diesen Tagen einen entscheidenden Schritt zur Auskreisung und damit zur Kreisfreiheit der Brüder-Grimm-Stadt gemacht. Wie Landrat Thorsten Stolz und Oberbürgermeister Claus Kaminsky jetzt mitteilten, sind alle wesentlichen Punkte für die vertragliche Einigung geklärt und können in den kommenden Wochen und Monaten zur endgültigen Beschlussfassung in die jeweiligen Parlamente auf den Weg gebracht werden.
KINZIG.NEWS hat für Euch die Stimmen aus der Politik zusammengetragen.
O-Töne aus Hanau
Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD): "Zwei starke Partner im Osten der Rhein-Main-Region - ab dem Jahr 2026 werden wir als Main-Kinzig-Kreis und kreisfreie Stadt Hanau mehr Potential für die Region aufweisen können. Hanau wird dann für seine Bürgerinnen und Bürger vor Ort die Leistungen mit der entsprechenden Bürgernähe und Ortskenntnis und in der Unternehmung Stadt enger vernetzt erbringen.
Der fertige Entwurf des Auseinandersetzungsvertrages ist jetzt ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur tatsächlichen Umsetzung unseres Wunsches. Diese hat sich aufgrund der schwierigen Zeiten, in denen wir leben, verzögert und der einst anvisierter Zeitplan konnte nicht gehalten werden. Aber die Kreisfreiheit kommt, dessen bin ich mir sicher. Mein ausdrücklicher Dank gilt allen Beteiligten, die am Zustandekommen dieser Einigung und des vorliegenden Vertragsentwurfs mitgewirkt haben. Darin wurden alle Punkte geklärt, die geklärt werden müssen. Gleichzeitig wurden dabei die Belange beider Seiten berücksichtigt.
Ich bin zuversichtlich, dass dieser ausgehandelten Rahmenbedingungen bei den Gremien von Stadt und Kreis auf Zustimmung stoßen werden. Und ich bin zuversichtlich, dass die Landesregierung und der Landtag auf Basis dieses Vertrages die notwendigen Beschlüsse fassen werden. Die Stadt Hanau und der Main-Kinzig-Kreis werden auch künftig gut und konstruktiv zusammenarbeiten, wo es geboten und sinnvoll ist. Das hat auch die Zusammenarbeit, die zu diesem Vertragsentwurf geführt hat, eindrücklich bewiesen."
Bürgermeister Axel Weiss-Thiel (SPD): "Die
Verhandlungen haben länger gedauert als wir es am Anfang unseres Weges
erwartet und vielleicht auch gewünscht hätten. Aber mit einer Pandemie
konnte niemand rechnen. Am Ende zählt das gute Ergebnis. Wichtig ist,
dass wir auch als kreisfreie Stadt unseren Charakter als soziale Stadt
bewahren. Mit den sich aus der Kreisfreiheit ergebenden eigenen
Zuständigkeiten können wir unsere Sozial- und Arbeitsmarktpolitik
aktiver gestalten.
Dadurch, dass wir mit der Kreisfreiheit unter
anderem auch für den Sozialleistungsbereich (SGB II, SGB XII, Kommunales
Jobcenter, Heimpflege, Asylbewerberleistungen, Ausbildungsförderung)
verantwortlich sind, eröffnet sich uns die Chance, fokussierter auf die
Probleme der Menschen einzugehen. In Abstimmung mit unseren bisherigen
Aufgabenbereichen wie Kinderbetreuung, Kinder-, Jugend- und
Familienhilfe, Eingliederungshilfe für junge Menschen mit
Beeinträchtigungen, Altenhilfe und Wohnhilfe entsteht die Möglichkeit,
den Hanauerinnen und Hanauer ganzheitliche Unterstützungen anzubieten.
Ein
hervorragendes Beispiel dafür ist die gemeinsame Einrichtung mit der
Agentur für Arbeit. In dem geplanten „Zentrum rund um das Erwerbsleben“
ist ein spezialisierter Fachdienst für Langzeitarbeitslose oder eine
übergreifende Servicestelle ‚Bildung und Teilhabe‘ ebenso vorgesehen wie
ein verzahnter und mehrstufiger Arbeitgeberservice, der Hanauer
Unternehmen unterstützt. Nur als kreisfreie Stadt haben wir hier die
Möglichkeit, passgenaue Lösungen für die Herausforderungen einer
Großstadt anbieten."
Stadtrat Thomas Morlock (FDP):
"Der Verhandlungskommission ist es gelungen, in der Sache hartnäckig,
aber im persönlichen Umgang miteinander immer fair zu bleiben. Aber die
Beharrlichkeit hat sich am Ende für alle gelohnt, denn im Ergebnis
können wir alle zufrieden sein. Die Übernahme weiterer Aufgaben im Zuge
der Kreisfreiheit ermöglicht es der Stadt, Synergien zu nutzen, um die
Verwaltung noch effizienter und bürgernaher zu gestalten. Wie gut uns
das in der Praxis gelingt, beweist unser Bürgerservice, der im Vorgriff
auf die Kreisfreiheit n einem ersten Schritt die Zulassungsstelle
integriert hat, tagtäglich.
Mit den neuen gebündelten
Verantwortlichkeiten wird es uns aber auch möglich, Aufgaben
ganzheitlich zu betrachten. Wir können unsere Arbeit dann an den realen
Lebenslagen ausrichten, weil die Hindernisse durch unterschiedliche
Zuständigkeiten entfallen. Ein konkretes Beispiel dafür ist die
Kontrolle der Gaststätten, die einerseits von der städtischen
Ordnungsbehörde erledigt wird, wenn es beispielsweise um Lärmbelästigung
oder andere Verstöße gegen das Ordnungsrecht geht. Fällt dabei aber
eine unsaubere Küche oder unhygienische Lebensmittellagerung auf, war
bisher muss bis zur Kreisfreiheit das Veterinäramt des Kreises
hinzugezogen werden. Diese Splittung entfällt künftig, was die Arbeit
sicher effizienter macht."
Stadtverordnetenvorsteherin Beate Funck (SPD):
"Mit der jetzt getroffenen Einigung haben Stadt und Kreis bewiesen,
dass die wohlmeinenden Worte am Beginn des Weges ernst gemeint waren.
Der Kreis hat uns keine Steine in den Weg gelegt und dennoch die
Interessen der übrigen 28 Kommunen immer im Blick behalten. Hanau hat in
seiner Kompromissbereitschaft dokumentiert, dass man die Auskreisung
nicht zum Nachteil der übrigen Städte und Kommunen durchsetzen will.
Letztendlich
war die Stadt Hanau die längste Zeit in ihrer Geschichte kreisfrei.
Erst mit der Gebietsreform von 1974 haben wir diesen Status verloren und
viele Entscheidungen für unsere Stadt wurden andernorts getroffen,
nämlich im Kreishaus, das seit 2005 in Gelnhausen zu finden ist. Der
Wunsch, jetzt wieder kreisfrei zu werden, ist auch Ausdruck unseres
neuen Selbstbewusstseins, das sich im Zuge der positiven Entwicklung
unserer Stadt gebildet hat. Ausgehend vom erfolgreichen Stadtumbau und
einer beispielhaften Konversion ist jetzt richtige Zeitpunkt, durch die
Kreisfreiheit zu dokumentieren, dass wir es uns zutrauen, die damit
verbundenen Aufgaben zu bewältigen. Dabei profitieren die Menschen
unserer Stadt künftig durch eine größtmögliche Nähe zwischen Rathaus und
Bürgerschaft."
Stadtverordnete Ute Schwarzenberger (SPD):
"Unsere erfolgreiche Arbeit in der Verhandlungskommission hat jetzt die
Grundlage geschaffen, dass Hanau als kreisfreie Großstadt weiter
aufblühen kann. Mit dem Schritt in die Kreisfreiheit kommt die Stadt
letztlich ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag nach, den Menschen in
Hanau eine wohnort- und bürgernahe Dienstleistung aller kommunalen
Aufgaben anzubieten. Dafür sind wir als jüngste Großstadt Hessens gut
aufgestellt. Es spricht deshalb nichts dagegen, dass wir uns unsere
Steuerungs- und Gestaltungsmöglichkeiten ausschöpfen.
Kreisfreiheit
ist kein Selbstzweck. Übersetzt in den Alltag müssen mit dem neuen
Status kurze Wege, Wohnort bzw. bürgernahe Dienstleistungen und schnelle
Entscheidungswege entstehen. Dahinter steht viel Arbeit, aber das wir
davor keine Angst haben, zeigen die vielen positiven Entwicklungen der
letzten Jahre, die wir tatkräftig auf den Weg gebracht und
vorangetrieben haben."
Ehrenamtlicher Stadtrat Joachim Stamm (CDU):
"Mit dem positiven Abschluss der Verhandlungen haben wir einen
wichtigen Meilenstein auf unserem Weg in die Kreisfreiheit geschafft.
Darauf dürfen alle Beteiligte stolz sein. Eine kreisfreie Großstadt
Hanau wird im Reigen der Oberzentren im Rhein-Main-Gebiet mehr Gewicht
bekommen. Gerade im Standortwettbewerb um Arbeitsplätze und
Kaufkraftzuwachs wird uns der Imagegewinn zu einer besseren
Positionierung verhelfen. Dazu kommt, dass in vielen Erhebungen und
Dokumentationen nur die kreisfreien Städte und Kreise detailscharf
erfasst werden. Die Leistungsstärke unserer als Stadt als
Wirtschaftsstandort wird damit künftig sichtbarer.
Als nicht mehr
kreisgehörige Kommune eröffnen sich uns zudem mehr Entscheidungs- und
Gestaltungspielräume, da wir neue Verantwortlichkeiten übernehmen. Das
hat auch Vorteile für interessierte Investoren, die künftig alle
relevanten Informationen aus städtischer Hand erhalten."
Ehrenamtliche Stadträtin Karin Dhonau (Grüne):
"Die Zwangspause durch Corona hat die Arbeit der Verhandlungskommission
für eine ganze Weile auf Eis gelegt. Umso so erfreulicher, dass die
offenen Fragen jetzt doch zügig geklärt werden konnten, so dass einer
abschließenden Einigung nichts mehr im Wege stand. Auf kommunaler Ebene
werden viele Entscheidungen getroffen, die ganz unmittelbare
Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger haben. Deshalb ist die
Frage, welche Kompetenzen und Befugnisse eine Stadt hat, von großer
Bedeutung für die Einflussnahme auf wichtige Entwicklungen.
Mit
Kreisfreiheit werden viele Aufgaben auf die Stadt übergehen: die Untere
Wasserbehörde, die Untere Forstbehörde, die Untere Bodenschutzbehörde
und die Immissionsschutzbehörde gehören ebenso dazu wie die Untere
Fischereibehörde, die Jagdbehörde sowie neue Aufgaben im Bereich des
Gesundheits- und Veterinärwesens. Auch der Verbraucherschutz und die
Lebensmittelüberwachung fallen fortan in die Verantwortung der Stadt.
Damit
erhalten wir im Zuge der Kreisfreiheit zusätzliche Verantwortung für
wichtige Aufgaben des Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutzes. Die
unmittelbar verfügbare ökologische Fachkompetenz, die sich aus diesen
zusätzlichen Aufgaben ergibt, wird dazu führen dass die Anliegen des
aktuellen Amtes für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz mit der Unteren
Naturschutzbehörde, dem technischen Umweltschutz und den
Nachhaltigkeitsstrategien im Sinne einer umweltfreundlichen,
nachhaltigen Stadtentwicklung gestärkt werden."
O-Töne aus dem Main-Kinzig-Kreis
Landrat Thorsten Stolz (SPD):
"Wir gehen ab dem Jahr 2026 auf zwei Wegen in die gleiche Richtung.
Hanau übernimmt für sich und seine Bürgerinnen und Bürger mehr
Verantwortung, und das wird der Stadt gut gelingen. Der
Main-Kinzig-Kreis bleibt weiterhin der starke und verlässliche Partner
der Menschen in den 28 Städten und Gemeinden, der er seit fast 50 Jahren
ist. Und die Wege werden sich davor wie danach natürlich auch kreuzen.
Wo wir uns unterstützen und in gemeinsamer Sache auftreten können,
werden wir das tun. Wir können mit den Ergebnissen wirklich zufrieden
sein. Von der Einigung geht das Bekenntnis aus, dass wir für die Region
gemeinsam eintreten. Für die weiteren Städte und Gemeinden haben wir
zudem klare Vereinbarungen festgehalten: Keine Belastungen durch die
Auskreisung und mehr statt weniger Bürgernähe."
Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler (SPD): "Mit der Auskreisung der Stadt Hanau ändert sich für die Bürgerinnen und Bürger in Hanau und in den anderen Städten und Gemeinden nichts in puncto Verlässlichkeit staatlicher Verantwortung und Unterstützung. Das ist eine ganz wesentliche Botschaft, gerade für die vielen hundert Familien, die darauf vertrauen. Dass der Main-Kinzig-Kreis und die Stadt Hanau gerade für diesen Bereich in den vergangenen Monaten viel Zeit aufgewendet haben, um eine gute, langfristig tragfähige Lösung zu finden, zeigt die Bedeutung dieses Themas."
Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann (CDU):
"Ein Miteinander wird es auch nach 2026 geben. Das ist eine sehr
zentrale Botschaft, die nach den Verhandlungen steht. Wenn wir auf den
Bereich der weiterführenden Schulen und der Berufsschulen blicken, dann
ist das für die Zukunft sowohl der Stadt Hanau als auch des
Main-Kinzig-Kreises auch eine ganz wichtige Botschaft. Die
wirtschaftliche Entwicklung, die Herausforderungen des Wohnungsmarkts,
die Fortschritte in der Digitalisierung der Region: All das müssen und
werden wir in einem Miteinander angehen. Dann gewinnen alle."
SPD-Fraktionsvorsitzender Klaus Schejna: "Zwei Partner, zwei Wege, zwei starke Stimmen: Ich denke, dass die Region östlich von Frankfurt gewinnen kann, wenn sich die zwei großen Körperschaften weiterhin und noch intensiver gemeinsam einbringen. Wir sind Nachbarn mit teils gleichen Themen und gleichen Zielen, ob im Ausbau des Nahverkehrs, der Versorgung mit Wohnraum oder in der Bildungspolitik. Da werden uns die Projekte nicht ausgehen, bei denen wir uns auch in Zukunft eng miteinander abstimmen und uns in die gleiche Richtung bewegen werden."
CDU-Fraktionsvorsitzender Heiko Kasseckert:
"Das Ergebnis wird von uns begrüßt. Es stellt sicher, dass die
Kreisfreiheit Hanaus finanziell nicht zu Lasten der übrigen
kreisangehörigen Kommunen geht. Das war und ist für uns eine wichtige
Voraussetzung. Wichtig ist außerdem, dass es Themenfelder gibt, in denen
wir auch künftig partnerschaftlich zusammenarbeiten. Wir haben den
Wunsch der Kreisfreiheit immer respektiert und als ehemaliger
Bürgermeister kann ich die Motive der Brüder-Grimm-Stadt Hanau sehr gut
nachvollziehen. Damit sind wir auch in der stark wachsenden
Metropolregion künftig mit zwei starken Stimmen vertreten, was uns mehr
Gewicht verleiht. Im Kreistag und im Landtag werden wir das Ergebnis
unterstützen und uns für die Umsetzung der Kreisfreiheit ab 2026
einsetzen."
Bürgermeister Stefan Erb, SPD (als Vorsitzender der Bürgermeisterkreisversammlung Mitglied der Verhandlungskommission): "Die Gespräche und Verhandlungen zwischen der Kreis- und der Stadt-Seite waren nach meinem Empfinden von Beginn an sachorientiert und von der wichtigsten Frage geprägt, was denn für die Bürgerinnen und Bürger des gesamten Kreises die besten Lösungen wären. Da konnten viele der Kapitel schon früh abgeschlossen werden, andere brauchten eben länger, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Pandemie. Jetzt haben wir ein Ergebnis vorliegen, das im Geiste des Kreistags und der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister dergestalt erzielt worden ist, dass es Mehrbelastungen oder Einschränkungen für die verbleibenden 28 Städte und Gemeinden auf ein absolutes Minimum reduziert bzw. gänzlich ausschließt."
Kreistagsvorsitzender Carsten Ullrich (SPD): "Ich habe die Fraktionen des Kreistags in den vergangenen Monaten und Jahren immer sehr nah dran an diesem Thema erlebt. Letztlich sind sich alle Parteien sehr wohl bewusst, dass sie die Interessen aller Städte und Gemeinden im Blick behalten müssen. Der Plan einer Stadt darf nicht zulasten der 28 anderen Kommunen gehen. Darin waren sich alle Abgeordneten immer einig. Ich sehe darin die Grundlage für eine sachliche Prüfung und ein für alle Seiten gutes Verhandlungsergebnis." (pm)