Niedrigwasser und Trockenheit: Wie geht es unseren Flüssen und Seen?

Freitag, 19.08.2022
von MORITZ PAPPERT
MAIN-KINZIG-KREIS - Seit Wochen hat es bei uns nicht mehr richtig geregnet. Was für uns ein schöner Sommer ist, ist allerdings für die Pflanzen, Tiere und Gewässer weniger gut. Die Situation unserer Flüsse und Seen ist kritisch. Niedrige Wasser-Pegel machen den Verantwortlichen Sorgen. Wir haben beim Kreis und zwei Experten vom NABU, Franz-Josef Jobst und Thomas Mathias, nachgefragt, wie die Lage wirklich ist, was man dagegen tun kann und welche Folgen das Niedrigwasser haben kann.
Wie geht es unseren Flüssen und Seen?
MKK: "Die Situation in den Flüssen und Seen, ebenso wie in den Brunnen der Wasserversorgung, ist seit mehreren Wochen nun schon besorgniserregend. Die gemessenen Pegelstände sinken weiter, was sich an Flüssen, Bächen und Seen auf die dortige Vegetation existenziell bedrohlich auswirkt."
Wie viel Wasser führen sie gerade? Wie viel, im Vergleich zu den letzten Jahren?
MKK: "Nahezu alle Pegelstände im Main-Kinzig-Kreis liegen unterhalb des mittleren Niedrigwassers und somit in einem kritischen Bereich. Jeder extrem heiße Tag und jede Woche ohne Niederschlag verschärfen diese Situation zusätzlich. Kritische Tiefstände haben die Pegel auch schon in den vergangenen Jahren erreicht. Die Situation hatte sich dann aber 2021 etwas entspannt. 2022 haben wir aber wieder einen extrem heißen und trockenen Sommer, der die Lage deutlich verändert hat und zum Handeln zwingt."
Was kann die Bevölkerung tun, um hier gegenzusteuern?
MKK: "Im Main-Kinzig-Kreis gilt seit Juni bereits ein Wasserentnahmeverbot, um die Situation an den Fließgewässern nicht zusätzlich zu verschlechtern. Außerdem lässt sich im privaten Bereich problemlos Wasser einsparen:
- In Hitzezeiten sollte lieber geduscht als gebadet werden, wobei die Duschzeit kurz sein sollte.
- Einbau von wassersparenden Armaturen und Spülkästen und beim Spülen die Spar- oder Stop-Taste nutzen.
- Beim Zähneputzen oder Einseifen den Wasserhahn abdrehen.
- Tropfende Wasserhähne reparieren.
- Wasch- und Spülmaschinen nur vollgefüllt laufen lassen.
- Grünflächen möglichst selten mähen (dreimal im Jahr genügt). Denn: Grünflächen, die selten gemäht werden, sind viel resistenter gegen Hitze. Hochgewachsenes Gras kann Feuchtigkeit viel besser speichern und der Boden trocknet nicht so schnell aus.
- Es sollte derzeit ganz auf die Bewässerung von Rasen und Zierpflanzen oder das Abspritzen von Hof- und Gehwegflächen mit Trinkwasser verzichtet werden. Hierfür ist es sinnvoll, Regenwasser in Tonnen und Zisternen zu sammeln, sofern die Möglichkeit dazu besteht.
- Verzicht auf private Swimmingpools.
- Schottergärten sind für anhaltend heiße Sommer nicht geeignet, da sie sich auf bis zu 60 Grad aufheizen können.
- Auch in der Küche kann einiges an Wasser beim Gemüse- und Obstwaschen aufgefangen werden.
- Zimmerpflanzen können bei Regen nach draußen gestellt werden"
Thomas Mathias: "Keine Pools aufstellen und füllen, auch wenn die Baumarkt-Werbungen noch so verführerisch sind. So wenig wie möglich Fläche um das Wohnhaus herum versiegeln, damit das Regenwasser in den Boden versickern kann. Wenn möglich einen kleinen Teich auf seinem Grundstück anlegen. Auch wenn er im Hochsommer trocken fällt.
Auf jeden Fall so viel Regen- / Dachwasser wie möglich auf seinem Grundstück versickern lassen, nachdem die Zisternen / Wasserbehälter voll sind. Das Grundstück mit einer Hecke aus verschiedenen Beerensträuchern oder Laubgehölzen einfassen. Hecken, Sträucher, Bäume sorgen für Schatten / Halbschatten und für ein günstigeres Mikroklima.
Die Umweltbeauftrage / den Umweltbeauftragten seiner Gemeinde aufsuchen und darum bitten, dass die Entwässerungsgräben auf den landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen nicht ganz so tief ausgehoben werden. Damit unsere Böden nicht so schnell "ausbluten / entwässern" und damit das Wasser nicht so schnell über die Gräben zu Hochwasser in dem unteren Kinzigtal führt. Dies sehen wir immer wieder bei Starkregen. Und in längeren Trockenphasen sind dann die Flächen zu schnell ausgetrocknet.
Privatpersonen, welche Landwirtschafts- / Forstflächen im Eigentum haben, können mit ihrem Pächter sprechen. Vielleicht gibt es Möglichkeiten eine nassen Ecke auf der Fläche zu belassen oder durch Rückbau einer vorhandenen Drainage wieder so eine Teilfläche zu vernässen."
Was sind die Folgen geringer Wasserstände?
MKK: "Bedrohlich sind diese Pegelstände insbesondere für die Pflanzen und Tiere, die in den Gewässern vorkommen. Dringend zu berücksichtigen sind aber auch die Wassermengen an den hiesigen Brunnen. Deren Messstände fallen ebenfalls seit Monaten. Damit bekommen die Hochbehälter, in denen das Trinkwasser vor der Abgabe ins Netz gespeichert wird, ein quantitatives Problem."
Franz-Josef Jobst: "Der Grundwasserspiegel senkt sich immer weiter ab. Deshalb ist es z. B. für die Bäume auch mit tiefen Wurzeln immer schwerer, an Wasser zu kommen. Folge: Nicht nur die Fichten, auch viele Laubbäume sterben ab und stehen nicht mehr als CO²-Neutralisator zur Verfügung."
Thomas Mathias: "Die Landwirtschaft und Forstwirtschaft (wir Menschen) werden immer weniger ernten. Die Preise steigen. Es ist schon Jahrzehnte bekannt, dass wir Menschen besser mit unseren natürlichen Ressourcen umgehen sollten. Unser Flächenverbrauch ("Flächenfraß") ist unverantwortlich. Wir wissen schon sehr lange, dass wir zuviel verbrauchen. 1,6 Erden müssten wir haben, um uns unseren derzeitigen weltweiten Konsum leisten zu können. Ohne Wasser ist kein Leben möglich. Die vielen Waldbrände aufgrund der Trockenheit belasten unser Klima zusätzlich. Jeder Einzelne sollte eine Kleinigkeit für unseren Lebensraum Erde tun."
Wann bessert sich die Lage?
MKK: "Eine Besserung der Lage ergibt sich nur durch eine längere Phase mit Regen. Einzelne Niederschlagsereignisse werden das Problem, das ja kein rein auf das Kreisgebiet oder einen Teil dessen begrenztes ist, nicht lösen."