Sinntal: Von der Hexennacht, dem neuen Pfarrer und eingedrückten Heckklappen

Dienstag, 23.08.2022
von WALTER DÖRR
SINNTAL - „Noch drei Joahr, 156 Woche, 1065 Tage und grob überschloche 3.500 Liter Frust-Bier zu Hause aloa im Keller is es jetz wiere soweit, in Neuegrune is Kirmeszeit. De Bloo is dreimo geimpft, getestet un genesen, endlich sitze mir wiere desomme om Tresen.“
So beschrieb Oberbloo Valentin Hess am Beginn des Kirmesspruches die Lage.
Mit dem Musikverein Neuengronau hatte zuvor die 8köpfige Bloogesellschaft den buntgeschmückten Kirmesstrauß bei Pfarrer Lukas Altvater abgeholt. Von einem Hochsitz auf dem Tanzpodium im Festzelt trug Oberbloo Hess die Dorfchronik vor. „Endlich sieht ma widder es eine oder annere Gesicht, über manche freut ma sich, über manche vielleicht nicht. In der lange Zeit wurd einiges getriebe, de Spruch geht deshalb bis heut Obend um 7.“ Von einem Hundebesitzer war zunächst die Rede, der sein aus dem Tierheim geholter Freund nicht bändigen konnte und „am Weihbarch“ weggelaufen ist.
„Es halbe Durf woar auf de Beine un hott gesücht de Hund samt Leine. Sie honn gemerkt, es geht net auf die Schnelle, mir brauche Hilfe von de Professionelle. Die Tierrettung wurd alarmiert, un die is mit Kameras, Lewwerwuscht und Lebendfalle dehie einmarschiert.“ Erst am dritten Tag konnte der Hund gefasst werden. Vom Bloo als Moral von der Geschicht, kafft euch e Schildkröte, da passiert so was nicht. Dass „die meiste honn ihr Haus o de Kanal ogeschlosse, nur anner hott sei Wuschd noch in die Klärgrube geschosse“ beschrieb der Bloo das Problem eines Neuengronauers.
Die erschde Kirmes wird für sie kei leichte
Der Hof sei aufgebaggert, aber es werde noch ein Dixi-Kloo genutzt und bei Bedarf auch in der Nachbarschaft geklingelt. „Dass mir heut krieche Speis un Trank, is eigentlich de Kirche ihrn Dank. Vor Kurzem zog er ins Poarrhaus ei, unsern neue Chef von de Sakristei. Jung, dynamisch, anfang 30, un net nur vorm Altar extrem fleißig.“ So beschrieb der Bloo den neuen Pfarrer Lukas Altvater. Gerüchte habe es gegeben, dass ein schwarzer Pfarrer aus Chile komme. „Wie sich herausgestellt hat, war er do beruflich entsandt, un trägt nur e schwarzes Gewand.“
„Die erschde Kirmes wird für sie kei leichte, aber mir Evangelische müsse ja net beichte. Ihre Vorgänger ham oft mit Abwesenheit geglänzt, un en Großteil der Kirmes oft geschwänzt. Mir hoffe, dass sie lange in ihrem Amt bleibe, un die Alegrüner sie net gleich wiere vertreibe. Ich hätt da noch eine Bitte: halde Sie sich fern von Betz Brigitte,“ riet der Bloovodder zur Vorsicht mit Medienvertretern. In der Hexen-Nacht war in Neuengronau wieder viel los. „Alles was die könne bekomme, troche se in de Bushaldestelle desomme.“ Mit Kästen Bier würden sie bestochen oder das Auto quer in die Hofeinfahrt gestellt. Dass man eine Harley aus der Gartenhütte stibitzte und eine Hexe den Besitzer gaunerhaft an der Haustür ablenkte, war ziemlich dreist.
„Es geht über die Vorstellungskraft, Neuegrune hot wiere e Fußballmannschaft,“ so leitete der Bloo auf die erfolgreiche Spielgemeinschaft mit der SG Breunings über. „Die coolste Mannschaft weit un breit, net nur erfolgreich in de dritte Halbzeit. Es gob ettliche Sieche, deshalb wurd in die B-Liga aufgestieche. Unsere Unterstützung is euch gewiss, doch müsst ihr aach immer mol ins Dur neischiss.“ Ein Weihnachtsbaumbauer „hot mit de Einnetzmaschine rangiert, un dobei is ebbes passiert. Beim Rückwärtsfoahrn gobs en Knall, un in de Heckklappe von seim Auto woar e riesen Dall.“ Nach der Reparatur setzt sich vorsichtshalber der Senior ans Steuer. Nach einer Dorfrunde sieht er nach seinen Bäumen. In einer Wiese tat es ein Schlag, denn „es is wiere es Rückwärtsfoarn missglückt, un die Heckklappe is bis zum Anschlag eigedrückt.“
„Oarn Rentner honn ma in unserm Kaff, der weiss net, was der de ganze Daach soll schaff.“
Wie der Bloo wusste, fahre der Mann jetzt mit dem E-Bike, weil das keinen Rückwärtsgang hat. „Trotzdem se zweimol teuer hon gewendet, ham se uns de Kirmesbaam gespendet,“ dankte der Bloo. „Ein Bauer ist jedem bekannt, der liefert jedes Joar fürn Spruch allerhand,“ freute sich der Bloo. Die jüngsten Taten: Er vergas die Frontladerschaufel voll Mist zu verriegeln, sodass sich die Ladung im Dorf verteilte. Als er später mit seinem Mulcher ausrückte, dotzte er ein Haus mit einem lauten Knall. „De Mulcher krumm, die Dachrinne verzoche, dos mit dem laute Knall woar net geloche. En Spengler sollt den Schode reparier, do sacht der Besitzer: loss gut sei, dos mache mir.“ „Oarn Rentner honn ma in unserm Kaff, der weiss net, was der de ganze Daach soll schaff.“
Ein Boot-Schnäppchen von Ebay „1000 Euro gekauft wie gesehe, dos wird schon net untergehe. Dehamm im Hof wurd dos Deng kernsaniert, wahrscheins hot er dobei net alle Löcher zugeschmiert,“ denn bei der Probefahrt auf dem Main „lag das Boot nach einige Meter krasser, plötzlich immer tiefer im Wasser. Man tat de Maschinenraum checke und sah, da tut ebbes lecke.“ Nach der Reparatur ein erneuter Versuch. „Dosmo woar alles dicht, doch mitte im Fluss wollt der Motor nicht. De Motor woar gänzlich tot, jetzt woars nur noch e Paddelboot.“
Dass ein Führerschein-Neuling den Rausch der Geschwindigkeit genoss und einige Unfälle baute, kam ebenso in den Kirmesspruch, wie das Einkaufsmalheur eines Neuengronauer Paares, weil er den Autoschlüssel und sie das Geld hatte. Abschließend hoffte der Oberbloo, dass „die Neuegüner wiere einiges treibe, dass wir aach im nächste Joahr honn wiere wos zu schreiben“. Das Aufsagen des Kirmesspruches wurde vom Musikverein Neuengronau umrahmt, der anschließend auch noch aufspielte.
Etwas Historisches:
Die Auferstehungskirche in Neuengronau wurde 1783 ge-baut. Die schöne Fachwerkkirche prägt das Dorfbild. Vorher gab es eine Basilika aus dem Jahr 1167. Zur Erhaltung des denkmalgeschützten Gotteshauses wurde 2008 der „Förderverein zur Erhaltung der Evangelischen Kirche Neuengronau“ gegründet. Die erste urkundliche Erwähnung Neuengronaus ist am 21. Dezember 1295 datiert. Die zweitälteste Urkunde stammt aus dem Jahr 1323. Ein bedeutendes Kapitel der Neuengronauer Geschichte ist die Pfarrei, die am 13. Mai 1396 erstmals erwähnt wird. Im Sommer 1993 machten sich die Ortsbeiratsmitglieder Gedanken über das anstehende 700-jährige Jubiläum von Neuengronau.
Damals war man aber der Meinung, dass das 411 Einwohner zählende Dorf für ein großes Fest zu klein sei. Ein Vierteljahrhundert später – und rund 80 Einwohnern weniger – packte man den historischen Anlass „725 Jahre Neuengronau“ erneut an. Zunächst der Ortsbeirat am 11. Mai 2018, in einer Bürgerversammlung am 13. Juni 2018 und mit der Gründung des Vereins „Dorfgemeinschaft Neuengronau“ am 19. Dezember 2018, der laut Satzung das Jubiläum organisieren und durchführen sollte. Viele Ideen trug man zusammen und über Christi Himmelfahrt vom 20. bis 24. Mai 2020 wurde das Jubiläumsfest terminiert. Die Corona-Pandemie machte den Neuengronauern aber einen Strich durch die Rechnung, denn das Jubiläum musste aufgrund gesetzlicher Vorschriften und zum Schutz der Menschen abgesagt werden. Ein „725 Jahre plus“-Jubiläum ist im Gespräch.