Von „Volxmusik“ bis Fußball auf der Mottgerser Kirmes

Montag, 29.08.2022
von WALTER DÖRR
SINNTAL - Die Mottgerser Kirmes ist die Größte in der Region. Vier Tage lang feierte man – und noch bis heute – das Dorffest, ausgerichtet vom Sportverein FC Hermania. Musik der unterschiedlichsten Genres boten die Programmmacher.
Höhepunkt war ein Gastspiel der aktuell erfolgreichsten Show- und Liveband der neuen Volksmusik, den Troglauern. Aus der Oberpfalz kommen die fünf „g‘standenen Mannsbuilder“, die „Volxmusic“ machen, ein Mix aus AC/DC und den Wildecker Herzbuben. Von ihrer „Muhbarack“, wie der bajuvarische Probenraum heißt, hinaus in die weite Welt führt die musikalische Erfolgsgeschichte. Ihre Hits „Haberfeldtreiber“, „Rasenmäher“ oder das „Bobfahrerlied“ kennt jeder. Regelmäßig sind die Troglauer in bekannten Fernsehsendungen wie „Immer wieder sonntags“, „Musikantenstadl“ oder im „ZDF-Fernsehgarten“ zu Gast.
„Botschafter der nördlichen Oberpfalz"
Und höchst offiziell wurden sie sogar vom bayerischen Ministerpräsidenten zu „Botschaftern der nördlichen Oberpfalz“ ernannt. Wer kennt nicht den Trailersong von „Bauer sucht Frau“? Und wer weiß, dass der von den Troglauer komponiert wurde? Die Troglauer füllen bei ihren Gastspielen große Hallen und Open Airs – und auch in Mottgers war das Festzelt brechend voll. Die Einladung zu „Heavy Volxmusic“ ging ja auch an Alt und Jung, groß und klein, hübsch oder hässlich, blond oder braun, Sozi oder schwarz, Christ oder Moslem, Steuerklasse 3 oder Hartz IV, verwandt oder verschwägert, Preiß oder Bayer, mit’m BMW oder Lada, den Sepp, die Vroni und den Hias, die Nachbarin und das Kindermädchen, die Pfarrersköchin und den, der Dir das Haus „schwarz“ verputzt hat. Kurzum an alle.
Sie kamen in feschen Dirndln und Krachledernen oder zumindest karierten Hemden und Blusen. Die Buam „mit richtiger Volxmusic“ brauchten nur wenige Töne und das Festzelt war ein wahres Tollhaus. Man nutzte die Bänke nicht mehr als Sitzgelegenheit, sondern stieg mit wiegenden Armen darauf und schunkelte. Tausendfach im Chor wurden die Hits mitgesungen. Und als Abendgymnastik beteiligte sich das Volk auch beim Bobfahrerlied an einer rasanten Fahrt durch den Eiskanal – der eigentlich eine einzige laue Sommernacht war. Die „Volxmusik“ riss jeden mit.
„Endlich, dies Joahr, bos is das geil"
Ein weiterer Höhepunkt war natürlich das Aufsagen des Kirmesspruches. Die 30köpfige Bloogesellschaft „Mudjescher Bloo“ holte den buntgeschmückten Baum aus dem Feuerwehrgerätehaus und marschierte ins Festzelt, wo viele Bürger warteten. „Endlich, dies Joahr, bos is das geil, hamma wiere e ur-dentliche Kirmes alleweil.“
So freute sich Bloobodder Niclas Beier auf der Leiter und mit einem riesigen Sombrero-Sonnenschutz zu Beginn des Spruches. „Im Gegensatz zum letzte Mo, steht wiere onser großes Zeltje do.“ Eine Reihe von Unfallsituationen stand zunächst in der Dorfchronik, denn „Autofoarn kann dehie wohl koanner.“ Beim letztjährigen Kirmesspruch: „Kirmessonndich beim Bloospruch, jeder hotts gesieh, do versaachte dübe am Tabbert-Parkplatz e Batterie. Es ganz Zelt guckte un hott gegröhlt, es KFZ hot aach geölt. Die Käuz hon geschobe und gedrückt, doch mit em Zündfunke woar de Waache net bestückt.“ Das Auto eines Mottgersers machte sich auf einer Neigung selbständig. „Es woar von de Besitzer net so gewollt, als de PKW is los-gerollt“ beschrieb der Bloo ein Malheur. Zuerst zum Nachbarn und dann: „Ich kanns euch sooche und dos weiß ich, drübe gings dann voll ins Reißich.
Zum Glück hot sich koanner ebbes gedoo, zieh beim nächste Mo die Handbrems richtich oo.“ Der nächste „Un-Fall“ passierte einem aus Weiperz zugezogenen Kautz, der auf dem Weg zur Arbeit Durst verspürte. „Im Fußraum hotter noch e Flasche gegriffe, do hot de Kotflügel scho an de Leitplanke geschliffe. Als Sprungschanze hotter se dann genutzt, uni s quer übern Asphalt gedupst. Der Unfallhergang woar brutal, un in de Schadensbeschreibung hieß es – total.“
Kirmes-Sprüche ohne Ende - Lacher vorprogrammiert
Dass der Fahrer letzte Woche von einer Katze irritiert wieder die Beifahrerseite touchierte, war aktuell im Kirmesspruch. Glatteis wurde einem Mottgerser Polo-Fahrer auf der „Starbetzer Höh“ zum Verhängnis. Er konnte nicht bremsen und schob zwei Fahrzeuge zusammen. „Die Polizei woar recht schnell daa, „ach du scho wiere? – dos woar so klaa. En Crash mit em Rol-ler, un vürher zwa Reh, Jong dos kann so net weitergegeh.“ Dem Bahnbediensteten riet der Bloo: „Du kannst dich bestimmt an de Firmewaache bediene, un rollst in Zukunft sicher off de Schiene.“
Auf einen, der alljährlich im Spruch ist, war Verlass, weil er diesmal als Drängler auf der Autobahn von der Polizei geschnappt wurde. Die fünfte Autogeschichte ereignete sich nach dem Eintracht-Sieg in Barcelona mitten in der Nacht, als Fans in Schwarzenfels Getränktenachschub holen wollten. Angeheitert auf der alten Straße „stehn durt so manche Bäume, un de Foahrer woar am Wech ins Land der Träume.“ Dass einem Musiker am Heimweg vom Auto-dach „Musikgeschirr“ herunterfiel war im Spruch. Die Situation beim FC Hermania beschrieb der Bloo: „Uff unserer Spielerliste stehn zwar viele, doch könne von dene nur manche spiele. Grundsätzlich hommer alles, von jung bis alt, von dünn bis fett, doch leit meh als die Hälft im Lazarett. Jeder ist verletzt, jedem dud ebbes weh, ihr Jonge, so kann dos net weitergeh.“
Mottgers, das schönste Dorf
Bei einem Spiel gegen die „Profis von Waischboch“ „wurde getrete un gefaut, un de Schiri bie ömmer freundlich ogeraunt. Köpp sann gerollt, un Schuh gefloche, oarner hot sich de Oarm verbooche.“ Es wurde ein Krankenwagen gerufen, derweil versuchten die Platzordner mit „Öttin-ger-Sprieße“ die Lage zu beruhigen. Da dem Bruder „das Knie explodierte“, wurde noch ein zweiter Sani geordert. Weil noch die Mutter der beiden Kreislaufprobleme bekam und „ömm ging“, bilanzierte der Bloo: „Kreislige-Fußball, so muss er sein, banns wiere mo heißt Derby-Time.“ Mottgers, das schönste Dorf, hat einen jetzt festgestellten Makel: im Industriegebiet Ost ist der Boden durch das Blaufarbenwerk verseucht und die Immobilienpreise fallen. „60 Joar lang interessierte dos koa Sau die Bohne, un heut hasts, durt dürft mer gor net meh wohne.“
„Liebe Sied-lungsbewohner macht euch koa Surche, mir hon euch gern, aach banner hobt zwo Schwänz un vier Ärm,“ tröstete Bloobodder Beier. Dass die Kinzigtal Nachrichten das letztjährige Entenrennen als illegal titulierte, erzürnte den Bloo und er klärte auf. „Dodemit kann mer es Thema schließe, bie ihr seht, dud bis heut es Wasser die Sinn nofließe. Oarns will ich euch noch sooche, liebe Leut, es gibt en Önnerschied zwische schmool und breit.“ Die kürzliche Hochzeit mit Folgen des Bloovodders, von „zwaa Käutz, die hons in sich, de oar is kloar un de anner winzig“, und das bevorstehende 1100-Jahr-Jubiläum von Mottgers waren im Spruch.
Und noch ein wenig Historie:
In 2006 haben sich die drei Sinntaler Gemeinden zur Evangelischen Kirchengemeinde Mottgers-Weichersbach-Schwarzenfels vereinigt. Der Vereinigungstein in Mottgers an den Abzweigungen nach Weichersbach und Schwarzenfels erinnert daran. Die Mottgerser Kirche ist ein spätgotischer Bau von 1422, der 1761 erweitert wurde. 1167 gab es bereits eine kleine Kapelle. 1465 wurde Mottgers eine Pfarrei mit den Filialen Oberzell, Weichersbach, Schwarzenfels und dem bayerischen Teil von Züntersbach. An Pfingsten feierte man das Jubiläum „600 Jahre Kirchturm“.
Die älteste schriftliche Erwähnung von Mottgers unter dem Namen Otekaresdorf stammt aus dem Jahr 923, als Graf Hessi seinen gesamten Besitz in Mottgers dem Kloster Fulda schenkte. Im kommenden Jahr steht also das 1100jährige Dorfjubiläum an. Im Zuge der Gebietsreform schloss sich zum 1. Juli 1972 Mottgers der Gemeinde Sinntal an. Obwohl nur rund 670 Einwohnern, hat Mottgers eine eigene Grundschule, die im Jahr 2011 als Ersatz für die alte Schule gebaut wurde.