"De Deiwel am Bure in Hure"

In Hutten wird seit 1764 Kirmes gefeiert

Die Bloogesellschaft zog mit den Landrücken-Musikanten aus Veitsteinbach durch Hutten. - Fotos: Walter Dörr


Donnerstag, 13.10.2022
von WALTER DÖRR

SCHLÜCHTERN - „Viel Spaß euch mit de Kirmesred un mir, Kaffee, Kuche, Mussig un Bier“: So grüßte Julian Fehl zu Beginn des Huttener Kirmesspruchs aus einem Fenster im ersten Stock der Gastwirtschaft „Zur alten Post“. Zahlreiche Bürger hatten sich auf dem Platz in der Dorfmitte eingefunden, um die Chronik der berichtenswerten Ereignisse des vergangenen Jahres zu hören.

Bis letztendlich die Frage aller Fragen „Wem ist die Kirmes“ lautstark gestellt wurde, musste man warten. Die 17-köpfige Bloogesellschaft zog nämlich erst mit den Landrücken-Musikanten aus Veitsteinbach durch Hutten. Und weil die zünftig gekleideten Musikerinnen und Musiker aus dem fuldischen Nachbarort ihren Slogan „Wir machen Musik“ wörtlich nahmen, dauerten die Stopps vor dem einen oder anderen Haus etwas länger.

„Un wiere wird es Herbst hinieden, es weht aus Norden statt aus Süden, bis Niggolaus is netmeh weit, doch erscht is bei uns Kirmeszeit,“ beschrieb Julian Fehl die Jahreszeit. Ein höflicher Gruß galt der Prominenz, den Pfarrern und den Wirten, Zugezogenen und Wirtshausläffern – kurz allen, die gekommen waren.

"Wie gewonne, so zeronne"

Bei den Geschichten erinnerte der Bloo zunächst an einen Einbruch im Schwimmbad „Heiligenborn“. Heimlich nachts in das Freibad zu gehen, das habe schon jeder einmal gemacht, outete sich der Jugendliche. Ein nicht sportlicher Einbrecher habe andere Ambitionen gehabt und musste, um was zu klauen, mitten durch den Schwimmbadzaun. „Am Schwimme war er net interessiert, sondern meh aufs Geld fixiert. E Brecheise hot er in die Tür geronne, so is er ins Haus neigekomme. Doch drin kriecht er wahrscheinlich einen Schreck, denn die Kasse, die war weg.“

Und weil er sich am Eintrittsgeld nicht bereichern kann, versucht er es im Kiosk nebenan. „Wie gewonne, so zeronne, aach die Kasse hat de Pächter mitgenomme,“ beschreibt Fehl im Kirmesspruch die Lage. „Weil kein Geld war zu hole, hat der Einbrecher vier Dose Red Bull gestohle.“ Angesichts des materiellen Schadens am kaputtenen Zaun und zweier Türen riet der Bloo: „Bann de willst paar Cocktails saufe, solltest du die ganz einfach kaufe.“

Wegen einem gebrochenen Knöchel musste sich ein „Huttener Jong“ von seiner Mutter kutschieren lassen. Weil die beim Parken die Handbremse anzuziehen vergaß und auch „den Gang rausgemacht, hat das Auto einen eigenen Willen entfacht“. Die autonome Spritztour endete aber an der Mauer des Nachbarn. Durch die gute Stimmung bei einem Auswärtsspiel hatten Fußballfans den Überblick über die konsumierte Getränkeanzahl verloren. „Der Weg von Horas heim, ach komm, das Risiko geh‘n mer ein,“ dachte man, „Scho weit gefoarn un fast deham, als jedoch e Polizeikontrolle kam. Die hot de Fahrer früh gesehen, un konnt se übern Feldweg umgehen,“ wusste der Bloo. Dachte der Fahrer, aber „der Kontrolleur hatte noch Kollege, die stonne e paar Meter weiter hinne, da gabs kein entrinne. Ohne Möglichkeit zu drehn, blieb er vor de Bulle stehn.“ Beim Pusten war das Ergebnis nicht zu fassen: trotz all der Trinkerei zeigte der Test Null Komma drei.

Themenlieferant der Extraklasse

Wie jedes Jahr war der Sportverein für den Kirmesspruch wieder Themenlieferant der Extraklasse. Nach dem Abstieg war es „umso schöner dann, bann mer wiere von Sieg zu Sieg eile kann.“ Durch den neuen Trainer und frischem Wind ist der Bloo zuversichtlich „Mit viel Kampf un e bissche Glück, sin mir bald wiere zurück. Geht’s so weiter, dos is kloar, spiele mer in de Gruppeliga nächstes Joar.“ Das Team der Stunde sei aber die zweite Mannschaft, denn durch „gute Spiele is es gelunge, die Konkurrenz wurd mühelos bezwunge.“ Mit dem „wichtigsten Elfmetertor seit Andy Brehme 1990 war dann klar und der Traum vom Aufstieg wahr.“ Und das wurde mächtig gefeiert „gut und lang – es fiel sogar der Hosenzwang“.

Ein verschwundener Würfelbecher bei der Huttener Würfelrunde führte zu Beschuldigungen – sogar auch des unschuldigen und braven Bloos. Überraschend sei der Becher an seinem altbekannten Ort im Gasthaus „Dicke 7“ wiedergefunden worden. Die Moral vom Bloo: „Bann mer zu blöd is auf sei Zeug aufzupasse, sollt mer es Beschuldige von annern lasse.“

Aktenkundig wurde auch ein Einkaufen im Nachbarschaftsladen. Zwei Zugezogene wollten dort nach 11 Uhr einkaufen – „das heißt, de Lade war schon geschlosse, die Eingangstür war dennoch offe.“ „Die Öffnungszeite warn dene net bekannt, weil sie kamen aus einem fremden Land. Drinnen war alles dunkel, die Mitarbeiter fort, bloß die Ware stand noch an ihrem Ort.“ Ein Nachbar stellt das Paar beim Verlassen des Ladens mit der Frage „bos se da mache für Bosse, es Lädche hätt doch scho geschlosse.“ Sie erklärten ganz ohne Randale, dass sie den Einkauf am nächsten Tag bezahle. Der Nachbar machte ein Beweisfoto. Die Moral von der Geschichte: „Ban ihr net wollt in die Kirmesred nei, kauft zu de Öffnungszeite im Lädche ei.“

15 Entenküken schaffte sich eine Familie an, um sie großzuziehen. Das gefiel auch einem Habicht, der sich kurzerhand zehn zu Mittag schmecken ließ. Ob ein verschwundener Kater im letztjährigen Kirmesspruch vertreten war oder nicht führte bei zwei Huttenern zu einer Wette um zehn Kisten Bier. Der Bloo lieferte dieses Jahr den Beweis, dass er drin war. Die Moral: „Bei de Kirmesred net richtig zuzuhörn is es Spiel mim Feuer, für den, der net zugehört hott, wird es jetzt richtig teuer.“ Vier Tage lang feierte Hutten Kirmes mit Musik und Köstlichkeiten für Leib und Seele.

Noch ein wenig Geschichtliches


Die heutige evangelische Kirche in Hutten wurde 1764 gebaut. Vor dem Barockbau gab es schon eine Vorgängerkirche aus dem Jahr 1558. Wie überliefert ist, habe das ganze Dorf seine Kircheneinweihung gefeiert – und bei der Kirmes 2020 auch wieder. In 2014 wurde das 250jährige Jubiläum des Gotteshauses im auf 455 Metern (üN) höchstgelegenen Schlüchterner Stadtteil begangen, dessen Bewohner gerne als das „Bergvolk“ bezeichnet werden. Verschiedene Renovierungen musste der Bau in der langen Zeit seines Bestehens über sich ergehen lassen, so wurde bei der Renovierung 1952-56 der Seiteneingang an der südlichen Längsseite des Kirchenschiffes zugemauert und 2001/2002 musste das Dach komplett erneuert werden.

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