Traditionelle Freigerichter Bittwoche eröffnet
Montag, 27.05.2019
von Moritz Pappert
FREIGERICHT - Seit mehr als hundert Jahren begehen die katholischen Christen von Freigericht die Bittwoche um den Feiertag Christi Himmelfahrt auf eine besondere Art. Am Himmelfahrtstag finden in vielen katholischen Gemeinden bis heute die traditionellen "Flurprozessionen" statt, bei denen in Feld und Flur um gedeihliches Wetter und eine gute Jahresernte gebetet wird.
Die fünf Dörfer des Freigerichts fanden - nachdem die Gemeinden Altenmittlau, Bernbach, Horbach und Neuses eigenständige Pfarreien wurden und nicht mehr zur Mutterpfarrei des größten Freigericht-Ortes Somborn gehörten - eine eigene Form des so genannten "Wallens": Am Sonntag vor Himmelfahrt zogen die Prozessionen aus den kleineren Dörfern in die St. Anna-Kirche Somborn, an den einzelnen Werktagen der Bittwoche wallte man sternförmig jeweils in einen anderen Ortsteil des Freigerichts, um hier Bittgottesdienst zu feiern.
Als seit Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Landwirtschaft auch in den Freigericht-Dörfern für die meisten Bewohner nicht mehr die Haupterwerbsquelle war und der persönliche Bezug zu Saat und Ernte immer mehr in den Hintergrund rückte, die Werktage der Bittwoche für die jetzt zumeist in der Industrie des Rhein-Main-Gebietes beschäftigten Dorfbewohner auch nicht mehr als "Feiertage" genutzt werden konnten, kam der Brauch des "Wallens" in die kleineren Freigerichter Ortsteile zum Erliegen.
In den 80er Jahren setzte auch in Freigericht ein wachsendes neues historisches Bewusstsein ein, das die nicht mehr vorhandenen Bittprozessionen als Verlust empfinden ließ. Auf Initiative der damaligen Vorsitzenden des Musikvereins "Viktoria" Altenmittlau Bernhard Betz und des Bernbacher Musikvereins Heinrich Noll - traditionsgemäß werden die Bittprozessionen von den dörflichen Blasmusikvereinen musikalisch begleitet - kam es neben der sonntäglichen Wallfahrt nach Somborn zu einer Wiederbelebung: So findet nun seitdem am Dienstag vor Christi Himmelfahrt eine frühabendliche Sternwallfahrt der Freigerichter Gemeinden jährlich wechselnd in ein anderes der kleineren Freigericht-Dörfer statt, in diesem Jahr ist die Bartholomäus-Kirche in Bernbach das Ziel. Den Himmelfahrtstag selbst feiern die einzelnen Kirchengemeinden dann jeweils vor Ort in ihrer eigenen Form mit Bittgottesdiensten, die der heutigen Zeit gemäß meist dem Anliegen der Bewahrung der Schöpfung dienen, die aber angesichts vermehrter Klimaveränderungen wieder mit dem alten "Wettersegen" schließen.
Am Bittsonntag des Jahres 2019 wurde die Freigerichter Bittwoche nun wieder mit den Wallfahrten nach Somborn eröffnet. Zwar haben die Prozessionen heute nicht mehr die Teilnehmerzahlen früherer Zeiten, als jeweils das ganze Dorf "auf den Beinen" war, dennoch zogen auch in diesem Jahr wieder viele Freigerichter zu ihrer Somborner "Mutterkirche". So sammelten sich die Bernbacher (vgl. Fotos) schon am frühen Morgen bei herrlichstem Wetter, um dann an der kleinen Kapelle "Helgenhäuschen" in Altenmittlau sich mit der dort wartenden Prozession aus der Nachbargemeinde zusammen zu schließen. Mit den Gruppen aus Horbach und Neuses zog man dann gemeinsam in die große Pfarrkirche von Somborn ein, wo die Freigerichter Gemeinde-Pfarrer den festlichen Bitt-Gottesdienst feierten. Wie üblich fanden nach der Messe auf dem Somborner Kirchplatz und im Pfarrzentrum Begegnungen und Austausch mit "Wall-Worscht" und Getränken statt, bevor sich dann die einzelnen Prozessionen wieder auf den Heimweg in ihre Dörfer machten. Am "Helgenhäuschen" trennten sich dann die Bernbacher wieder von den Altenmittlauern, um dann an der St. Bartholomäuskirche in Bernbach mit dem Segen von Gemeindepfarrer Dr. Kasaija die Bitt-Wallfahrt zu beschließen. (pm)+++