Ein kritischer Meinungsbeitrag

Kreisbauernverband zur Rückkehr der Wölfe: "Weidetierhaltung in Gefahr"

Der Wolf ist zurück in Hessen - und spaltet die Gemüter... - Symboldbild: Pixabay


Donnerstag, 19.01.2023

MAIN-KINZIG-KREIS - Der Kreisbauernverband (KBV) Main-Kinzig beäugt die Rückkehr der Wölfe mit Argusaugen. In einem kritischen Meinungsbeitrag spricht der KBV Klartext. KINZIG.NEWS veröffentlicht den Kommentar im Wortlaut. 

"Von Regierungsseite und aus Sicht von Naturschutzverbänden wird die Rückkehr des Wolfes als durchweg positiv angesehen. 'Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Wölfe in Deutschland massiv bejagt und schließlich ausgerottet, auch in Hessen. Nun erobern sie ihre alten Gebiete langsam zurück. Für den Artenschutz ist die Rückkehr der Wölfe eine gute Nachricht.' (Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie)

Wer dieser so positiven Aussage was entgegenzusetzen hat, kann fast nur verlieren, oder? Es ist per se nicht zu verteufeln, dass der Wolf sich wieder in Deutschland ansiedelt, äußerst fraglich jedoch, wie mit Bedenken, Sorgen und Auswirkungen auf die Weidetierhaltung umgegangen wird. Und natürlich schauen Weidetier- und Nutztierhalter mit sehr wachem Auge auf die Rückkehr des Wolfes. Da bei Nutztieren ein natürliches Fluchtverhalten oft nicht möglich ist, kommt es bei Übergriffen auf Schaf- und Ziegenherden häufig zu Mehrfachtötungen.

Laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) gab es in Deutschland im Monitoringjahr 2021/2022 ganze 161 Rudel. In einem Rudel, dem Familienverbund, leben fünf bis zehn Tiere. Bundesweit sind es somit 1.175 Wolfsindividuen. Der Deutsche Jagdverband geht davon aus, dass der Bestand jedes Jahr um ein Drittel zulegt.

"In der Praxis nicht so leicht umsetzbar"


Zwar wird vom Einsatz und der Förderung von Herdenschutzmaßnahmen gesprochen - etwa in Form von Zäunen oder Herdenschutzhunden – dies ist, wie so oft, in der Theorie schnell als Lösung darstellbar aber in der Praxis nicht so leicht umsetzbar. Weidezäune, die bisher vor allem das Ausbrechen der Weidetiere verhindern sollten, müssen nun so konstruiert werden, um auch noch gleichzeitig das Einbrechen von Wölfen zu verhindern. Eine tatsächlich praktikable wolfssichere Einzäunung ist bisher so nicht vorhanden.

Anscheinend springen Wölfe ungern über Zäune, graben jedoch umso lieber unter Zäunen durch. Aus diesem Grund müssten die Zäune höher und engmaschiger, sowie auch noch in den Boden eingegraben werden. Wer sich einmal Weiden und Koppeln angesehen hat, wird schnell feststellen, dass die Eingrabungen schnell in Baggerarbeiten ausarten. Dies ist sowohl für den einfachen Pferdehalter als auch für einen Schaf- und Ziegenhalter mit immer wechselnder Weidefläche schlichtweg nicht umsetzbar. Eine kleinparzellierte Einzäunung aller Weideflächen in Deutschland wäre außerdem weder naturschutzfachlich zu verantworten noch wirtschaftlich darstellbar.

Waren Sie mal in der 'Alten Fasanerie' (Wildtierpark) in Klein Auheim und haben sich die Wölfe aus der Nähe angesehen? Wissen Sie noch, wie hoch diese Zäune waren, damit keines dieser Tiere entkommt? Nun stellen Sie sich das mal bildlich vor, Sie gehen spazieren oder wandern und wo das Auge hinreicht, sind jetzt überall solche Zäune aufgestellt. Das mag im ersten Augenblick übertrieben klingen, aber wenn man darüber nachdenkt, ist es eigentlich eine sehr logische Konsequenz. Außerdem gibt es einfach Flächen, die nur schwer oder gar nicht wolfssicher eingezäunt werden können.

Eine weitere Lösung soll die Anschaffung eines Herdenschutzhundes sein. In Einzelfällen sicherlich praktikabel, Wölfe von Herden fernzuhalten. Die Anschaffung, Ausbildung und der Unterhalt sind jedoch teuer und aufgrund der Konflikte, die entstehen können – der Herdenschutzhund schützt die Herde beispielsweise auch mit lautem Gebell vor Spaziergängern - keine flächendeckende Lösung.

"Wer soll das am Ende des Tages bezahlen?"


Egal nun welche Lösung vorgeschlagen wird – abgesehen außerdem ob praktikabel oder nicht - alle kosten Geld und nicht gerade wenig. Wer soll das am Ende des Tages bezahlen? Und glauben Sie jetzt bitte nicht, dass die Förderung so konzipiert ist, dass daraus ein tatsächlicher Anreiz entsteht solche Maßnahmen sofort umzusetzen. Die Grenzen des Herdenschutzes sind relativ schnell erreicht.

In der letzten Konsequenz wird sich ein Weidetier- oder Nutztierhalter eher dafür entscheiden, die Tiere im Sommer in ihren Ställen und Boxen zu lassen, als die Tiere dem Risiko auszusetzen. Wer kommt morgens schon gerne auf die Weide zu seinen Tieren und muss feststellen, dass ganz und gar ein Tier fehlt und/oder gerissen wurde?!

Warum also nicht doch mal nach rechts und links auf Ländern schauen, die auf eine bestehende Wolfspopulation blicken und anscheinend eher in der Lage sind das Thema etwas rationaler anzugehen? Was genau spricht gegen eine regulierte Koexistenz? Was spricht dagegen die Tiere in einem reglementierten Ausmaß zu bejagen, die Scheu vor Menschen zu erhalten und sie etwa in für sie geeigneten Gebieten einzugrenzen? Vorreiter sind hier die nördlichen Länder Schweden und Norwegen.

Management in Schweden und Norwegen


Wie der NABU berichtet, haben sich Norwegen und Schweden auf 300 Wölfe als 'kleinste überlebensfähige Population' geeinigt. An diesem Referenzwert wird sich orientiert. In Schweden gibt es eine Lizenzjagd auf Wölfe, die jeweils nach geschätztem aktuellem Bestand ausgelegt wird. 2019 und 2020 wurde die Jagd ausgesetzt, weil der Bestand unter 300 Wölfe gesunken war. 2021 und 2022 wurde die Jagd wieder aufgenommen.

In Norwegen sind nur fünf Prozent des Landesfläche als offizielles Wolfsgebiet eingestuft - nur hier dürfen sich Rudel bilden. Obwohl es in Norwegen viel geeigneten Lebensraum für Wölfe gibt, wird ihre Ausbreitung strikt begrenzt und die Akzeptanz ist traditionell gering. In Norwegen gibt es eine jährliche Lizenzjagd auf Wölfe mit dem Ziel, den Anteil an den insgesamt 300 vereinbarten Wölfen mit Schweden nicht zu überschreiten.

Deutschland hat im Vergleich hierzu die dreifache Menge an Wölfen, das Achtfache an Einwohnern, aber weniger Fläche als die beiden genannten Länder. Nun liegt es an uns, Konsequenzen daraus zu ziehen und sich darüber Gedanken zu machen, in welcher Form solch ein Referenzwert in unserem Land umzusetzen ist, damit sowohl Wolf als auch Weidetiere und der Mensch koexistieren können." (red/sh)

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