Bürgermeister- und Gemeindeportrait: Oberbürgermeister Claus Kaminsky

Dienstag, 28.05.2019
von Joana Gibbe
HANAU - Die schöne Brüder-Grimm-Stadt Hanau zählt 98.290 Einwohner, verteilt auf neun Stadtteile. Oberbürgermeister der Stadt ist Claus Kaminsky (SPD), gebürtiger Hanauer und Familienvater von drei Söhnen und Großvater einer Enkelin. Seit 15 Jahren ist der 59-jährige verheiratet.
Was gibt es zur Geschichte der Stadt zu erzählen?
Wir haben in der Geschichte ganz viele Überraschungen zu bieten. Hanau war über 200 Jahre lang zwei eigenständige Städte, Althanau und Neuhanau. Die Altstadt erhielt 1303 die Stadt- und Marktrechte. Die Neustadt wurde 1597 von wallonischen und niederländischen Glaubensflüchtlingen gegründet und erst um 1835 hatten die beiden Städte zu einer Kommune zusammengefunden. Ein interessanter Aspekt ist, Napoleon errung seinen letzten Sieg auf deutschem Boden 1813 bei Hanau. Das ist auch der Grund dafür, dass wenn Sie in Paris sind und in den Triumphbogen gehen, da sind die die Siege von Napoleon deklariert, dann finden Sie auch Hanau. Vielleicht haben Sie auch schon vom Hanauer Ultimatum gehört, das in der kurhessischen Revolutionsbewegung eine große Bedeutung hatte. Der deutsche Turnerbund wurde in Hanau gegründet, Hanau ist die Geburtsstadt der Universalgelehrten Jacob und Wilhelm Grimm, wir sind eine Brüder Grimm Stadt, des Komponisten Paul Hindemith oder des Malers Moritz Daniel Oppenheim, um nur einige weltbekannte Persönlichkeiten zu nennen. Aktuell ist es so, dass wir seit dem Abzug der Amerikaner 2008 das erste Mal in unserer langen Geschichte militärfrei sind und das empfinden wir als ein großes Geschenk. Und zu erleben und jetzt dabei zu sein, wie ehemals militärische Einrichtungen heute zivil genutzt werden, als Schulen, als Kindertagesstätten, wo Firmen entstehen mit Arbeitsplätzen, wo wohnen entsteht, das ist, glaube ich, ein großes Glück unserer Generation das haben zu dürfen und wir sind, glaube ich, diesem Anspruch, der damit verbunden ist, auch gerecht geworden. Aktuell ist es so, wir haben unsere komplette Innenstadt neu aufgestellt, das war vor zehn Jahren nicht so wie heute. Wir haben die Konversionsflächen jetzt schon mit großem Tempo entwickelt.
Was würden Sie sagen, wodurch zeichnet sich die Stadt heutzutage aus?
Ich denke schon durch Weltoffenheit, das hat auch wieder mit unserer Geschichte zu tun. Hanau ist immer auch eine Stadt gewesen, die davon profitiert hat, dass Menschen, die nicht Urhanauer sind von außen zu uns kamen, das gilt für die Wallonen und Niederländer, das geht über die Amerikaner nach dem Krieg, die als Befreier kamen und als Freunde gegangen sind, über Gastarbeiter die Anfang der 60er Jahre gekommen sind, bis zu den Flüchtlingen in der jüngeren Vergangenheit. Also Weltoffenheit und Hilfsbereitschaft zeichnet die Hanauer aus. Auch eine große Begeisterung für Kultur, mit den Brüder-Grimm-Festspielen, mit der Wilhelmsbader Sommernacht. Mit vielen Angelegenheiten wie dem Kultursommer und so weiter werden wir diesem Anspruch auch gerecht und, was mich sehr freut, die Hanauer sind durchaus Geschichtsbewusst, also wir wissen was wir auch aus der Geschichte zu lernen haben. Deswegen darf sich alles, was von rechts kommt und glaubt, in dieser Stadt in irgendeiner Form Fuß zu fassen, auf den geballten bürgerschaftlichen Widerstand in dieser Stadt gefasst machen, auch auf meinen ganz persönlich.
Welche Highlights gibt es in Hanau, die man sich unbedingt mal anschauen sollte?
Sicherlich die Brüder-Grimm-Festspiele, mit mittlerweile 80.000 Besuchern im Schnitt. Wir haben jetzt in der Ausgestaltung der Brüder-Grimm-Stadt vor wenigen Wochen das erste Brüder Grimm Mitmachmuseum in Deutschland eröffnet, Grimms Märchenreich genannt. Sie können sich aber auch die Urwildpferde auf Campo Pond anschauen, die Przewalskipferde, auch Teil der Konversionsflächenentwicklung oder die alte Fasanerie in Kleinauheim lohnt immer einen Besuch. Wir haben wunderschöne Altstädte in Kesselstadt und Steinheim zu bieten. Wir sagen selbstbewusst Hessens schönsten Wochenmarkt. Wir glauben auch einen der schönsten Weihnachtsmärkte mittlerweile zu haben, mit Hessens größtem Adventskalender, das ist, glaube ich, unbestreitbar. Die Wilhemsbader Sommernacht, den Märchenpfad durch die Innenstadt und noch vieles mehr. Also Hanau hat reichhaltig was zu bieten.
Was ist ihr persönlicher Lieblingsplatz in Hanau? Wo können Sie abschalten?
Das ist der eigene Garten. Es gibt auch viele schöne öffentliche Flecke im Schlosspark Philippsruhe oder in Wilhelmsbad, die sind wirklich zum Seele baumeln lassen, aber wenn man so ganz abschalten will, dann ist der eigene Garten immer noch zu schätzen.
Wo wollen Sie mit der Stadt in Zukunft hin? Welche Ziele sind angestrebt?
Wir sind jetzt auf dem Weg, wie ich gerne sage, von Hessens größter Kleinstadt zu Hessens kleinster Großstadt. Nach den Baugebieten, die wir weiterentwickeln und die sich einer tollen Nachfrage erfreuen, werden wir voraussichtlich Ende nächsten Jahres die 100.000 Einwohner Grenze überschreiten, damit werden wir offiziell eine Großstadt. Wir streben an, zum ersten April 2021 kreisfrei zu werden, weil wir überzeugte auch kommunale Selbstverwalter sind. Und unsere Verfassung sieht vor, dass man alle Aufgaben, die man vor Ort erledigen kann, auch erledigen sollte. Und alle Aufgaben, die als kreisfreie Stadt zu erledigen sind, trauen wir uns zu. Zumal wir schon jetzt viele Aufgaben wahrnehmen, die üblicherweise nur eine kreisfreie Stadt wahrnimmt. Also nahe Ziele Großstadt werden und ebenfalls ein, zwei Jahre später kreisfrei werden.
Was steht in nächster Zeit in Hanau an?
Ganz aktuell ist es so, dass wir uns auf unseren Kultursommer freuen, den wir mit den Brüder Grimm Festspielen, mit der Wilhelmsbader Sommernacht entsprechend auch begleiten. Wir sind weiter unterwegs, um die einzelnen Entscheidungen in Sachen Kreisfreiheit vorzubereiten und umzusetzen. Wir entwickeln auf den Konversionsflächen jetzt unser Königsprojekt, das ist das Pioneer-Gelände im Stadtteil Wolfgang. Dort werden am Ende des Tages bis Ende 2022-2023 in etwa 4500 bis 5000 Menschen wohnen, allein in diesem Stadtteil. Diesen modern aufzustellen, was Ökologie angeht, was Mobilität angeht, da sind wir jetzt mit Hochdruck dran und das ist auch eine Menge Arbeit, aber sie macht unglaublich Spaß.
Was sind Ihre Interessen sowohl als Bürgermeister als auch privat?
Ich habe schon das große Glück, dass ich mein Hobby auch zum Beruf gemacht habe. Mich interessiert einfach das Thema Stadt, Stadtentwicklung, was hält Menschen in einer Stadt zusammen, wie kann man sie zusammenführen, um neue Dinge zu entwickeln, das interessiert mich vom Grunde her, von daher ist der Beruf nicht so schlecht gewählt. Im privaten bin ich sehr sportinteressiert mit einer besonderen Leidenschaft für die Frankfurter Eintracht. Musikalisch bin ich seit Jahr und Tag Herbert Grönemeyer Fan, von ihm habe ich bei den letzten Tourneen immer ein Konzert irgendwo in Deutschland aufsuchen können und zur Entspannung, wenn auch mit überschaubarem Erfolg, koche ich gerne. Zu diesem Kocherlebnis gehört für mich unbedingt dazu, vorher auch selbst einzukaufen. Ich brauche dann schon so einen halben, dreiviertel Tag dafür. Also auf dem Hanauer Wochenmarkt einkaufen, frische Sachen, gute Sachen, regionale Dinge und damit dann etwas Ordentliches zu kochen. Nichts Hochgestochenes, sondern gute, mediterrane oder auch deutsche Hausmannskost.
Haben Sie noch weitere Hobbies?
Also Fußballgucken ist das eine, ich treibe auch immer noch ganz gerne Sport, jogge vor allem. Musik hören zu Entspannung, nicht nur Grönemeyer aber eben auch besonders. Ich lese sehr gerne. Das füllt die Zeit schon ganz gut.
Was wollten Sie als Kind beruflich machen?
Traditionell, da falle ich nicht aus dem Rahmen, so als kleiner Bub war schon Lokführer ganz oben, wobei man wissen muss, als ich ein kleiner Bub war, war die Dampflok noch das, was man wesentlich mit einer Lokomotive verbunden hat, nicht diese Hightech Geräte, die heute unterwegs sind.
Welchen Werdegang haben Sie dann eingeschlagen, dass Sie es bis zum Bürgermeister geschafft haben?
Ich habe in Hanau an der Otto-Hahn-Schule Abitur gemacht, habe dann an der Fachhochschule studiert, bin Diplom-Verwaltungswirt am Ende geworden. War dann zunächst beim Main-Kinzig-Kreis, war dann hier in meiner Heimatstadt Hanau Fraktionsvorsitzender der SPD in der Stadtverordnetenversammlung, bin dann zunächst 1995 Bürgermeister in Hanau geworden und 2003 dann direktgewählter Oberbürgermeister.
Was sind ihre Zukunftsvision einmal für die Stadt und auch für sie privat?
Die Zukunftsvision für die Stadt, wenn man es etwas abstrakt beschreibt, wird es darum gehen, dass auch in Zukunft Wohlstand und Wohlfahrt in der Stadt sichergestellt werden für die Bürgerinnen und Bürger und wenn ich für die Stadt sage, dann meine ich ausdrücklich immer auch die Region, weil es Hanau immer dann besonders gut geht, wenn Hanau Leistungen erbringt, die der gesamten Region nutzen.
Für mich privat geht es um mehr private Zeit. Das ist nicht ganz leicht, leichter gesagt als zu leben, denn wenn sie Oberbürgermeister oder Bürgermeister sind, dann haben sie einen 24/7 Job, sieben Tage 24 Stunden permanente Erreichbarkeit. Und wenn man in Hanau unterwegs ist, dann ist es immer auch wie eine Art kleine Bürgersprechstunde. Ich bin seit 1995 hier im Hauptamt, nächstes Jahr bin ich 25 Jahre Bürgermeister und Oberbürgermeister, das heißt, ich darf, glaube ich, schon sagen, ich bin bekannt wie ein bunter Hund und die Leute, was ja auch richtig und gut ist, ich freue mich auch darüber, nutzen natürlich auch die Gelegenheit, mir das ein oder andere, was sie noch für verbesserungsfähig in der Stadt halten, auch zu sagen. Das heißt private Zeit in der Stadt selbst ist schwierig. Trotzdem nehme ich mir vor noch etwas mehr Zeit mit Familie, Kindern und Enkelin zu verbringen, da muss ich mal sehen, wie ich das ich das hinkriege.
Wenn Sie sich eine Superkraft aussuchen könnten, welche wäre es und wieso?
Was gut wäre, wenn ich das Schlafen lassen könnte. Das raubt einem schon viel unnütze Zeit. Also man braucht es jetzt zur Regeneration, aber als Superkraft, wenn ich nicht schlafen müsste, ohne dass es gesundheitliche Nebenwirkungen hat, das wäre schon gut. Das würde das Zeitproblem mit der Familie ein bisschen lösen, wobei man dann sehen müsste, dass sie auch nicht mehr schlafen müssen und man könnte hier noch ein bisschen mehr bringen.
Was halten Sie von dem Format KINZIG.NEWS, beziehungsweise von der Idee, dem Main-Kinzig-Kreis solch ein Format zu bieten?
Ich bin ein großer Anhänger von Meinungsvielfalt, deswegen ist mir jeder, der seriös Nachrichten verbreitet, auch gegen eine immer stärker sich verbreitende soziale Medienwelt, die in Teilen asozial ist, hoch willkommen. Deswegen kann ich dem Projekt KINZIG.NEWS nur viel Erfolg und alles Gute wünschen. Dass es sich auch behauptet, dass es wahrgenommen wird und dass immer auch die Zeit gefunden wird, wenn bestimmte Themen recherchiert werden, diese auch seriös auf den Grund recherchieren zu können und nicht einfach etwas übernommen wird, was so durch die Welt flattert. Das wird sicherlich nicht immer nur leicht. +++