Jens Weismantel – ein Dirigent quer durch die Genres der Blasmusik
Sonntag, 09.04.2023
von GERD OCHS
HASSELROTH - Man darf Jens Weismantel ohne Übertreibung sicher zu den herausragenden Dirigenten im Bereich der Blasmusik in Hessen zählen. Einige bemerkenswerte Konzerte hat er in diesem Jahr bereits hinter sich gebracht, weitere stehen bevor – eins davon am Karsamstag im HR-Sendaal in Frankfurt mit dem Landesjugendblasorchester Hessen. Weismantel steht für eine überwältigende musikalische Bandbreite mit ganz unterschiedlichen, von ihm geleiteten Ensembles. KINZIG.NEWS hat sich mit ihm getroffen und zeichnet ein Bild dieses vielseitigen und von seinen Musikern hochgeschätzten Menschen, von denen einer sich eindeutig äußert.
Jens Weismantel ist Jahrgang 1976 und wohnt in Hasselroth - Gondsroth. Seit 2009 unterrichtet er in Vollzeit Musik und Erdkunde an der Karl-Rehbein-Schule in Hanau. Die Musik vereinnahmt aber auch mehr oder weniger den gesamten Freizeit-Menschen Weismantel.
Musikalische Erziehung und Werdegang
„Ich bin musikalisch groß geworden in einer Familie, in der schon mit vier Jahren das Klavier dagestanden hat. Der Papa kümmerte sich um die musikalische Grundbildung, er dirigierte die „Dorfkapelle“, also das Heimatblasorchester in Jossgrund-Oberndorf, meine Mutter spielte dort Querflöte und tut dies bis heute. Ich bin ab dem neunten Lebensjahr als Posaunist dort ausgebildet worden. Die ersten dirigentischen Ausbildungen begannen mit 16. Mit 19 habe ich das Blasorchester der Feuerwehr Rothenbergen übernommen. Als mein Vater in 1999 in Oberndorf aufhörte, wurde ich von den Musikern als Nachfolger ausgesucht. So ging es eigentlich sehr familiär und dörflich los“, blickt Weismantel zurück.
Während seines Schulmusikstudiums studierte er Chorleitung und Orchesterleitung. 2001/2002 absolvierte er beim damaligen Rundfunkblasorchester Leipzig, der heutigen Bläserphilharmonie Sachsen, unter Kapellmeister Jochen Wehner den B-Lehrgang zur Leitung von Blasorchestern. Dirigierkurse bei Jan Cober, Tomas Doss und Walther Ratzek und die Zusammenarbeit mit den Komponisten Rolf Rudin, Johan de Meij, Otto M. Schwarz, Thiemo Kraas, Thomas Doss und Jan van der Roost folgten. 2007 wurde er vom Arbeitskreis Hessischer Musikverbände mit der Gründung eines Landesjugendblasorchesters in Hessen (LJBO) beauftragt, dessen künstlerischer Leiter er bis heute ist. Weismantel hat außerdem einen Lehrauftrag für Gehörbildung und lehrt Orchesterdirigat für Schulmusiker an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt. Zusätzlich ist er als Dozent des Hessischen Musikverbandes für Dirigentenausbildung tätig.
Konzert-Highlights 2023
Als sein ambitioniertestes Projekt beschreibt er die private Gründung der Bläserphilharmonie Rhein Main 2007, auch dieses leitet er bis heute. Auf ein Highlight im Spätsommer freut er sich besonders: „Im September haben wir den spanischen Komponisten Oscar Navarro als Gastdirigenten eingeladen. Er wird eine große Suite über die Götter des Olymps selbst dirigieren – 45 Minuten lang, ein großes sinfonisches Werk.“ Weismantels Augen funkeln vor Erwartung und Freude. Das dürfte beim Blick in den Rückspiegel mindestens genau so sein: zwei musikalische Leckerbissen hat er in den letzten Wochen nämlich bereits hinter sich gebracht. Zunächst ein Doppelkonzert mit dem Musikverein 1964 Oberndorf, unter anderem mit einer Uraufführung eines Werkes von Rolf Rudin. Die tolle Bandbreite seines Wirkens belegt das andere Highlight: mit dem katholischen Jugendorchester Meerholz-Hailer und der Deep-Purple-Tribute-Band „Purple Rising“ traf man in Gelnhausen vor mehr als 800 Zuschauern auf Musik von Deep Purple und Alan Parsons Project. „Ich bin heute noch geflasht“, schrieb Weismantel am Tag danach in Facebook, und auch Landrat Thorsten Stolz formulierte in einem Kommentar zum Konzert überschwänglich, aber von Herzen: „Es war einfach Weltklasse“.
Zu seiner Bandbreite sagt er: „Ich bin weiter auch bei den „Dorfvereinen“ tätig, also auch bei Unterhaltungsmusikauftritten, und mache auch die sogenannte „Dicke-Backe-Musik“ im Festzelt. Im Blasorchester geht es eigentlich von Unterhaltungsmusik, volkstümlicher Musik bin hin zu den großen Konzerten. Das ist ja auch das schöne, dass man so alles abdecken kann.“
Man kann als Zaungast erahnen, dass ein solch umfängliches Engagement nur möglich ist, wenn die Familie es mitträgt. Weismantel: „Meine Frau Petra habe ich ‚natürlich‘ beim Musizieren kennengelernt. Sie ist Saxophonistin in der Bläserphilharmonie Rhein Main, so dass dies ein gemeinsames Projekt ist. Ich bin ihr und unseren Kindern sehr dankbar für ihr Verständnis und die Unterstützung. Die Musik gehört bei uns einfach immer mit dazu und viele gemeinsame Aktivitäten sind mit der Musik verknüpft. Die Kinder waren schon ab zwei Jahren mit im Konzertsaal dabei, sie werden quasi damit groß. Auch jetzt während der LJBO-Wochen-Arbeitsphase in der Jugendherberge Oberbernhards haben wir uns alle dann mal in Fulda zum Essen getroffen.“
2013 wurde Jens Weismantel übrigens für sein kulturelles Engagement mit dem Kulturpreis des Main-Kinzig-Kreises ausgezeichnet.
Flammende Lobesrede eines Trompeters
Jan Kleikemper aus Darmstadt ist seit 2011 Trompeter im LJBO und damit einer der „Dienstältesten“ des hessischen Auswahlorchesters. Mit 27 sei er „eigentlich schon zu alt“, aber für das große Passionskonzert am Karsamstag ist er noch einmal mit an Bord. Zu Weismantel sprudelt es aus ihm heraus: „Jens Weismantel hat mich wesentlich in meiner persönlichen und musikalischen Entwicklung begleitet. Er hat eine sehr einnehmende Art für wirklich Jede und Jeden. Er versucht immer offen und auf Augenhöhe mit den jungen Leuten zu kommunizieren. Dadurch hat er eine unheimlich harmonische Orchestergemeinschaft erschaffen, auch weil er auf einer sehr emotionalen Ebene arbeitet. Das ist einfach seine Art, die er auch immer ganz offen und ehrlich kommuniziert. Dazu gehört, dass für ihn Musik Emotion ist und er versucht, das auch so zu vermitteln. Damit schafft er es auch immer wieder, die Musiker damit anzustecken – mich auch! Das ist wirklich eine ganz besondere Art, die ihn auszeichnet. Natürlich auch seine Fachexpertise und sein Anspruch, gut Musik zu machen, aber für ihn steht immer um Vordergrund, dass jeder immer emotional erfüllt ist bei dem, was er hier tut, dass er sich entwickelt, dass er Spaß hat. Genau das trägt er nach außen, er ist definitiv ein extrovertierter Mensch und das merkt auch jeder, dass er so ist, wie er ist. Dabei bleibt er auch grundsätzlich ruhig und gelassen und konzentriert sich auf die Emotionalität der Musik!“
Wow – welch eine authentische, praktisch druckreif am Stück gesprochene Hymne auf einen langjährigen Wegbegleiter. Und ganz ehrlich: bei dem erneuten Besuch des Autors „hinter den Kulissen“, bei einer Probe des Orchesters, bestätigt sich der Eindruck: Weismantel ist einer von ihnen, zwar mit selbstverständlicher Autorität versehen, aber damit untrennbar verbunden sind gegenseitiger Respekt und Wertschätzung. Beeindruckend schon auch äußerlich: bei der Probe lässig und cool mit Kapuzenpulli, beim Galaauftritt 2022 in der Fuldaer Orangerie aber mit einer großartigen, bis in die letzte Musiker- und Publikumsreihe zu sehenden und zu spürenden Haltung: sie füllt auch den „feinen Zwirn“ von innen her komplett stimmig.
Passionskonzert am Karsamstag in Frankfurt
Für Kurzentschlossene besteht am Karsamstag um 17.00 Uhr im HR-Sendesaal die Gelegenheit für einen musikalischen Leckerbissen unter der Leitung von Jens Weismantel: die Aufführung unter dem Titel „La Passio de Christ“. Auf dem Programm steht u.a. die 2. Sinfonie des spanischen Komponisten Ferrer Ferran "La Passió de Crist".
"Musik ist nicht nur Jubel, Trubel, Heiterkeit, sondern drückt auch die Stimmung der Passionszeit aus. Aber ganz klar: dazu gehört dann auch die Hoffnung, und die wird auch zum Ausdruck kommen!", verspricht Weismantel.
Karten sind noch an der Abendkasse erhältlich. Veranstalter ist die Junge Musik Hessen gGmbH.