Impuls von Stefan Buß: Quelle, Bach und Fluss

Mittwoch, 14.06.2023
von STEFAN BUß
FULDA / MKK - Ich möchte Ihnen von einem kleinen Waldstück erzählen, oder genauer, von einer kleinen Lichtung, mitten in diesem Wald. Dort nämlich, schon beinahe am Rande dieser Lichtung, dort entspringt eine kleine Quelle. Munter sprudelt das Wasser aus der Erde hervor, sammelt sich zu Füßen eines großen Baumes und formiert sich dann zu einem kleinen Bach.
Über unzählige Steine hinweg gräbt sich jener kleine Bach dann seinen Weg den Hang hinunter, bis weit hinein in das Tal. Und er wächst dabei, er wird größer und mächtiger, wird zu einem richtigen Gebirgsbach. Und unten im Tal, wo dieser Bach dann ankommt, dort ist er dann schon so groß geworden, dass die Menschen, die an seinem Ufer wohnen, bereits von einem Fluss sprechen. Aus der kleinen Quelle, die mitten im Wald entspringt, ist ein kleiner Fluss geworden, ein Fluss, der sich dann ganz am Ende, fernab von seinem Ursprung im Wald in ein großes Meer ergießen wird.
Davon wollte ich Ihnen heute erzählen: von einer Quelle, von einem Bach und einem Fluss. Dieses Bild der Quelle hilft mir, wenn ich mich schon fast verzweifelt gefragt habe, was die Theologie denn meint, wenn sie von der Dreifaltigkeit spricht. Ihnen geht es vielleicht ähnlich? Es gibt im Glauben wohl keinen schwierigeren Punkt als dieses Sprechen vom dreifaltigen Gott, von einem Gott, der ein einziger ist, aber dennoch in drei Personen existiert. Da haben sich zu allen Zeiten die klügsten Theologen die Köpfe darüber zerbrochen. Gott wird für den Menschen auch immer ein Geheimnis bleiben. Wo aber alles menschliche Denken versagt, da hat mir dann diese kleine Quelle geholfen.
Ein wunderschönes Bild, das mir ein klein wenig hilft, mit diesem ach so schwer verständlichen Satz von der Dreifaltigkeit zumindest ein klein wenig umgehen zu können. Im 4. Jahrhundert hat der große Theologe Gregor von Nazianz (329 – 390, Bischof von Sasima in Kappadokien) diese Geschichte von der Quelle, dem Bach und dem Fluss zum ersten Mal erzählt. Und er hat dies getan, um den Menschen seiner Zeit ein klein bisschen deutlich zu machen, wie man sich das mit der Dreifaltigkeit denn so ganz von ferne zumindest vorstellen könne. Gregor sagt, das mit der Dreifaltigkeit, das ist vielleicht sowie mit dieser Geschichte. Wir haben eine Quelle, einen Bach und einen Fluss und wir meinen, diese drei ganz deutlich voneinander unterscheiden zu können: Da ist die Quelle, da ist der Bach und da ist der Fluss. Und Gregor sagt, das ist vielleicht ganz ähnlich wie bei Gott. Wir sprechen schließlich von Gott, dem Vater und dem Sohn und dem Geist.
Wir sagen, das ist das Wirken des Geistes, oder hier ist der Vater am Werk. Aber wenn wir genau hinschauen, dann geht es uns oft wie bei diesen drei Gewässern. Wenn wir genau hinschauen, dann müssen wir feststellen, dass wir die drei so ganz sauber gar nicht auseinanderhalten können. Obwohl wir eine Quelle, einen Bach oder einen Fluss haben, so ist das Wasser, das aus der Quelle heraussprudelt, dann doch genau das gleiche, das den Bach durchläuft, genau das gleiche, das sich dann auch in den Fluss ergießt. Obwohl es drei verschiedene Gewässer sind, eine Quelle, ein Bach und ein Fluss, es ist trotzdem ein und dasselbe Wasser, das sie alle durchfließt.
Vielleicht ganz ähnlich wie bei Gott. Christen glauben in ihm drei Personen unterscheiden zu können. Alle drei aber durchweht ein und dasselbe göttliche Wesen. Es ist ein Gott, in den drei Personen, vielleicht ganz ähnlich wie es nur ein Wasser in diesen drei Gewässern ist. Quelle, Bach und Fluss haben mir ein klein wenig geholfen - nicht Gott zu verstehen, das wird nie geschehen -, aber mir ein klein wenig vorzustellen, wie ich mich diesem göttlichen Geheimnis im Denken nähern kann. Sie haben mir das Geheimnis nicht entzaubert, aber sie haben mir die Begegnung mit diesem Gott ein wenig erleichtert.
Ich kann von daher ohne große Schwierigkeiten davon sprechen, dass dieser Gott ein Gott in drei Personen ist, denn ich denke dann insgeheim an diese Quelle, den Bach und den Fluss. Sie sind für mich ein Bild geworden für das eine göttliche Wesen, das in drei Personen existiert.