Mottgerser Chronik liefert 1.100 Jahre Dorfgeschichte auf 320 Seiten

Donnerstag, 22.06.2023
von WALTER DÖRR
SINNTAL - Jahrelang haben sich die Bürger des Sinntaler Ortsteils Mottgers auf ihr 1.100-Jahre-Jubiläum vorbereitet.
An Pfingsten war es dann soweit: Mudjesch bot zwei Tage lang ein „extra scharfes“ Programm – vor allem der stehende Festzug mit 55 Stationen fand das Interesse der zahlreichen Besucher. Im ganzen Dorf gab es etwas zu sehen und zu erleben. Und wer wollte, konnte sich das bunte Treiben auch aus einem Helikopter von oben ansehen.
Das 1.100-jährige Jubiläum, das unter der Schirmherrschaft des Sinntaler Bürgermeisters Thomas Henfling und des Landrates des Main-Kinzig-Kreises, Thorsten Stolz, stand, ist vorbei und Geschichte. Die Erinnerung an das einmalige Gemeinschaftserlebnis bleibt aber noch einige Zeit erhalten. Im Vorfeld – genau seit Januar 2020 – traf sich ein Chronikteam bestehend aus Tonja Eigenbrod, Karl-Heinz Fischer, Ralf Müller, Karl Kohlhepp, Reinhold Zeller, Hans-Georg Föller, Thomas Gibietz, Oliver Maly, Stephan Przewosnik und Jens Nietgen, um die Geschichte von Mottgers zusammenzutragen und in einer Print-Ausgabe zu editieren.
Geschichte der Nachwelt erhalten
Die A.R.G.E. Mottgers
(Aktiv, Regional, Gemeinsam, Echt) hat 1.100 Jahre Dorfgeschichte von 923
(damals hieß Mottgers Otekaresdorf) bis 2023 dokumentiert. Nach der
ältesten erhaltenen Urkunde schenkte der aus angelsächsischem Geschlecht
stammende Graf Hessi seinen gesamten Mottgerser Besitz an das Kloster
Fulda. 320 Din A4-Seiten umfasst die Ortsgeschichte, die für immer und
ewig erhalten bleibt. Auch nach dem Jubiläum kann die Chronik für 30
Euro bei Jens Nietgen (Telefon 0171 6718396) oder E-Mail an
chronik@mudjesch.de erworben werden.
Im Grußwort der Chronik lobt Landrat Thorsten Stolz das besondere Engagement, die vorbildliche Tatkraft und den gelebten Gemeinsinn der Mottgerser. Man könne stolz auf die Dorfgemeinschaft und das Erreichte sein. Bürgermeister Thomas Henfling, der in Mottgers wohnt, lädt mit der Chronik zu einer Zeitreise ein: Geschichte und die Gegenwart erleben. Ortsvorsteher Robert Heil ist stolz auf seine Mitbürger und die funktionierende Dorfgemeinschaft. Vieles sei in der langen Zeit von 1.100 Jahren in Mottgers passiert.
Und der Leser der Chronik kann viel entdecken. In der umfangreichen Zeittafel zum Beispiel. Auch wie sich der Dorfname „Mottgers“, der seit 1682 gilt, verändert hat. Aus Otkaresdorf 923 wurde 1167 Otekares, 1355 Motkars, 1453 Motgarß, 1600 Muttgers, 1643 Mutgers, 1650 Motgers und seit 1682 Mottgers. In der Chronik abgedruckt sind auch die einst von Wilhelm Sperzel und Hans Gibietz gemachten Nachforschungen „über Mottgers, im östlichen Teil von Hessen gelegen und einer der Ortsteile der Gemeinde Sinntal“. Aufgezählt werden natürlich die Schultheiße, Bürgermeister und Ortsvorsteher (von 1975 Kurt Markgraf bis seit 2021 Robert Heil). Der Kirche ist ein großes Kapitel gewidmet, der Schule, den Mühlen, Firmen und den örtlichen Vereinen. Zeitzeugenberichte aus den Kriegs- und den Nachkriegszeiten gehören ebenso zur Mottgerser Vergangenheit.
Mudjescher Senffresser
„Mudjesch“,
wie Mottgers umgangssprachlich genannt wird, hat einen eigenen Dialekt
und in der Chronik wird auch das Geheimnis gelüftet, warum die
„Mudjescher“ als Senffresser bezeichnet werden. Ende der 1940er Jahre
gingen nämlich die jungen Herren des Dorfes gerne zum Feiern auf den
Maimarkt, die Kirmes oder sonntags ins unterfränkische Zeitlofs. Ein
Genuss soll die Fleischwurst des dortigen Metzgers und Wirts vom
„Fränkischen Hof“ Karl Sachs gewesen sein.
Nach dem
Marsch seien die Mottgerser richtig hungrig gewesen und hätten auch
schon vor dem Servieren der Fleischwurst den Senf, der in Töpfen auf den
Tischen stand, ausgiebig gekostet. Und als an einem Sonntag wieder
einmal die Mottgerser „im Anmarsch waren“, soll der Sohn des Worts,
Ludwig Sachs, gerufen haben: „Babbe, du die Senfdöbbe weg, die
Mudjescher Senffresser komme“ (Übersetzung ins Hochdeutsche: Vater,
räume die Senftöpfe weg, die Mottgerser Senfesser kommen). Seit dieser
Zeit haben die Mottgerser den kulinarischen Beinamen.