Als in den Bieberer Stollen die "Krummhälse" schwere Arbeit verrichteten
Donnerstag, 06.07.2023
BIEBERGEMÜND - Der Biebergrund und seine abwechslungsreiche Geschichte stehen im Mittelpunkt des neuen Biebergrundmuseums in Biebergemünd-Bieber.
Der Geschichtsverein, der Betreiber des Museums ist, hat vor kurzem neue Räumlichkeiten im ehemaligen Postgebäude bezogen. Dafür wurde das Gebäude, in dem 100 Jahre lang Briefe und Pakete abgefertigt wurden, von der Gemeinde Biebergemünd umfangreich saniert – unter Mitwirkung des Geschichtsvereins. Nun finden Gäste des Museums ansprechende museale Räumlichkeiten im Obergeschoss vor.
Auch Landrat Thorsten Stolz stattete dem Museum einen Besuch ab und sprach mit den Mitgliedern des Geschichtsvereins über die gelungene Neukonzeption.
Eintauchen in längst vergangene Zeiten
Im unteren Bereich informiert das Museum gleich am Eingang anhand von Exponaten über das frühere Postwesen. Für Vereine und Gruppen gibt es auf Erdgeschossebene einen Gesellschafts- und Multifunktionsraum mit Verpflegungstheke. Im Obergeschoss erkunden die Gäste anhand von fünf Themenschwerpunkten die Vergangenheit von Biebergemünd, tauchen ein in die Frühgeschichte (Besiedelung durch Kelten), lernen die geologischen Besonderheiten der Region kennen, die durch das Vorkommen von Eisenerz und Kobalt den Bergbau ermöglichten und erfahren Wissenswertes über die Spessartbahn, die Rohstoffe aus den Stollen abtransportierte. Auch die Religion prägte die Menschen über lange Zeit stark, weshalb es in Biebergemünd noch immer sechs Kirchen gibt.
„Die hier zu sehenden Exponate stammen aus einer längst vergangenen Zeit, die gerade für Kinder, die heute hauptsächlich digital aufwachsen, sehr spannend sind“, stellte Landrat Thorsten Stolz beim Besuch der neuen Räumlichkeiten fest. Das Museum wird vom früheren Vorsitzenden Peter Nickel geleitet, der den Landrat zusammen mit Vorsitzendem Simon Beck, Monika Meixner, der stellvertretenden Vorsitzenden Martina Weibezahn und dem Kulturbeauftragten der Gemeinde Biebergemünd, Reiner Faß, bei seinem Gang durch das Museum begleitete.
Jahrhundertealte Geschichte aufgearbeitet
Der Geschichtsverein hat in mühevoller Kleinarbeit jahrhundertealte Geschichte aufgearbeitet und präsentiert diese nun ansprechend. Dabei kamen überraschende Fakten zu Tage: Etwa, dass der heutige Biebergemünder Ortsteil Wirtheim 1365 die Stadtrechte erhalten hat „und wohl auch seitdem nie aberkannt bekam“, sagte Peter Nickel vergnügt über diese Entdeckung. Dieser Umstand berechtigte und verpflichtete die Wirtheimer damals, zum Schutz eine Stadtmauer rund um den Ort zu errichten. Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges sei viel zerstört worden, erklärte Simon Beck. Überhaupt sei das 17. Jahrhundert für die Menschen in der Region sehr verlustreich gewesen. Viele starben im Krieg oder überlebten die Pest nicht.
Thorsten Stolz zeigte sich sehr interessiert an der Neukonzeption des Museums und lobte die Konzentration auf Schwerpunktthemen. „Ein Museum, das sich mit der Geschichte eines Ortes befasst, gerät schnell in Versuchung, alles zeigen zu wollen. Da ist es oft sinnvoller, sich auf bestimmte, wichtige Themen zu beschränken, um die Museumsgäste nicht mit zu vielen Eindrücken zu überfordern“, stellte der Landrat fest. Im Biebergrundmuseum sei das prima gelungen. Neben Schaukästen mit Gesteinsproben gibt es auch multimediale Angebote: Auf Bildschirmen haben die Gäste die Möglichkeit, mehr Informationen und auch Videos abzurufen. Akustische Signale geben einen Eindruck davon, wie es einst am Bahnsteig der Spessartbahn zuging.
Für Kinder hat sich das Museumsteam etwas Besonderes einfallen lassen: Sie können in einen nachempfundenen Stollen kriechen, der die Räume miteinander verbindet und einen realen Eindruck darüber erhalten, wie beengt das Arbeiten für Kinder in diesen Bergbau-Jahrzehnten war. „In Deutschland ist es zum Glück nicht mehr vorstellbar, Kinder und noch dazu unter solch schweren Bedingungen arbeiten zu lassen. Mit Hilfe des Biebergrundmuseums erhalten wir direkte Einblicke in die Vergangenheit dieses Ortes, in dem es früher normal war, dass auch Kinder unter zehn Jahren zum Lebensunterhalt der Familie beitragen mussten und vielfach auch auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit“, sagte Thorsten Stolz.
"Krummhälsearbeit für kleine Leute"
Es war „Krummhälsearbeit für kleine Leute“, da sie durch die Enge in den kalten und nassen Schächten nur in verkrümmter Körperhaltung arbeiten konnten. Vielfach war deren Wirbelsäule dann dauerhaft verformt. Seine Blütezeit erlebte der Bieberer Bergbau zwischen 1736 bis 1790. 300 bis 400 Menschen arbeiteten im Bergbaurevier und bauten unter anderem Silber ab, das zur Münzprägung verwendet wurde. 1925 markiert das Ende der Bergbau-Ära. Und auch der Betrieb der schmalspurigen Spessartbahn wurde 1951 stillgelegt.
Wie Thorsten Stolz im Gespräch mit dem Museumsteam sagte, sei die Erforschung der regionalen Geschichte eines Ortes von unschätzbarem Wert für eine Gesellschaft. Den Ehrenamtlichen gebühre großer Dank für ihre jahrelange kleinteilige und mühevolle Arbeit, Exponate aufzuspüren, aufzubereiten und ihre Geschichte zu dokumentieren. „Der Besuch des Biebergrundmuseums ist deshalb auch unbedingt Familien mit Kindern zu empfehlen“, erklärte der Landrat.
Das Museum hat jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr und nach Absprache geöffnet. (red)