Impuls von Stefan Buß: Bedrohlicher Trend
Samstag, 15.07.2023
von STEFAN BUß
FULDA / MKK - Es sind katastrophale Zahlen, die man da hört. Fast eine halbe Millionen Katholiken und fast ebenso viele Protestanten sind aus der Kirche ausgetreten. Auch allein im kleinen Bistum Fulda sind 7500 Menschen ausgetreten. Nach den Ursachen wird in diesen Tagen oft gefragt. Ich glaube, die Antworten sind immer schnell gefunden, sie sind aber vielschichtig.
Da sind der Missbrauchsskandal und der Umgang damit sicherlich ein Grund. Er hat auch viel Vertrauensverlust mit sich gebracht. Es sind gesellschaftliche Stimmungen. Man will sich nicht mehr fest verpflichten. Es hat auch etwas mit dem Schwund des Glaubens zu tun und wenn ich eine Glaubensgemeinschaft nicht mehr brauche und nicht in den Gottesdienst gehe, warum soll ich dann Kirchensteuer bezahlen. Der finanzielle Aspekt spielt auch eine Rolle und es sind sicherlich auch, da und dort, ganz persönliche Erfahrungen, wo Menschen negative Erfahrungen mit Gottes Bodenpersonal, sprich in der Gemeinschaft der Kirche, gemacht haben. „Was ist zu tun?“, wird auch oft gefragt. Ich glaube auch hier gibt es kein Patentrezept, man kann eine Strömung in der Gesellschaft nicht einfach aufhalten.
Es gibt einige Dinge zu überdenken. Es geht, glaube ich, mehr und mehr authentisch zu sein als Vertreterinnen und Vertreter der Kirche oder Gemeindemitglied. Es gilt auch Zeugnis abzulegen von den vielen guten Dingen, die in Gemeinden passieren und wo viele Haupt- und Ehrenamtliche sich redlich mühen, Tag für Tag. Es gilt zu fragen, was bedarf auch der Mensch in unserer Zeit. Jesus fragt den Blinden: „Was willst du, dass ich dir guten soll!“ (Lk. 18,41). Er kommt also nicht mit einem Rezept „dreimal Eine und dann wird es gut“, sondern er fragt: „Was brauchst du in deiner jetzigen Situation!“ Es verlangt das Wahrnehmen. Wir würden sagen „am Menschen dran sein“ in der Seelsorge und aufspüren, was seine Bedürfnisse sind. Ich leide als zumal darunter, dass viele gute Dinge passieren in unserer Gemeinde, vor Ort, viele Aktivitäten laufen. Menschen auch diese zahlreich besuchen. Gottesdienste, die nicht schlecht besucht sind. Kinder- und Jugendfreizeiten sind überfüllt, wir könnten drei Zeltlager durchführen.
Es gehen viele Jugendliche mit auf den Weltjugendtag in Lissabon. Es finden Veranstaltungen statt. Wir gehören zum Bild der Kirche von Fulda auf dem Stadtfest und bei vielen städtischen Veranstaltungen. Und doch wird man immer daran gemessen, nicht, was Gutes vor Ort geschieht, sondern was im Mainstream und in den Medien an erster Stelle kommt. Das ist stärker als das, was vor Ort passiert. Ich weiß nicht, wie man den Spieß rumdreht. Darum geht es aber auch eigentlich nicht. Es geht darum, als Kirche auch deutlich zu machen, wir haben Inhalte, die es wert sind. Wir prägen Werte in unserer Gesellschaft. Wir haben spirituelle Angebote in unserer Kirche, wo Menschen, die auf der Suche sind, vielleicht auch einen Halt finden. In einzelnen Dingen erlebe
ich das immer persönlich auch ganz dicht. In den Trauergesprächen, wo sich ein Mensch aufgehoben fühlt und dankbar ist für kirchliche Rituale. Für Angebote, wo sie Offenheit erfahren, und angenommen sind auf vielfältige Weise. Ich weiß nicht, wohin das Schiff der Kirche lenkt in dieser Zeit? Was Gott uns mit dieser Situation sagen will. Aber er schenkt uns auch das Vertrauen, auch in schwierigen Zeiten dürfen wir als Christen aufrecht gehen. Dürfen wir von dem künden, was uns wichtig und wertvoll ist und was auch den Menschen in seiner jeweiligen Lebenssituation hilfreich sein kann. Hinter den Zahlen der Austritte stehen Menschen und hinter den Menschen stehen Entscheidungen, die sie sich nicht immer leicht gemacht haben. Wir sind mit einigen im Gespräch und ich glaube, es ist auch wichtig zu signalisieren, du gehörst trotzdem dazu. Du bist nicht außen vor. Es ist wichtig im Gespräch zu bleiben und zu erfahren, welche Sehnsüchte und Erwartungen haben diese Menschen. Vielleicht kann dann da und dort auch eine Tür wieder neu sich öffnen. Auf alle Fälle gilt es, die Botschaft authentisch zu vertreten und zu bezeugen, denn nur das zählt.