Ortsbeirat Vollmerz in Degenfeld, einem Stadtteil von Schwäbisch Gmünd
Sonntag, 09.07.2023
von WALTER DÖRR
SCHLÜCHTERN - Die Fläche des Schlüchterner Stadtteils Vollmerz (Vollmerz, Ramholz, Hinkelhof) war die ehemalige Grafschaft Degenfeld und deshalb bezeichnen sich die Bewohner noch heute als die Degenfelder. Von 1671 bis 1852 stand die Herrschaft Ramholz unter der Herrschaft der Grafen Degenfeld. Das weitverbreitete Adelsgeschlecht „Tägerfeld” hat seine Wurzeln im Aargau in der Schweiz.
Als nach der Ermordung König Albrechts I. von Habsburg bei Brugg an der Reuß Unruhen drohten, siedelten mehrere Sprossen des Stammes „Tegenvelt” nach Schwaben (Dorf Degenfeld) und Franken um. 1270 wird Ritter Ulrich von Degenfeld in einer Schenkung an das Kloster St. Blasien erstmals urkundlich erwähnt. Durch das „Erneuerungsdiplom des alten Freiherrenstandes” kamen am 27. Januar 1625 Christoph Martin I. von Degenfeld auf Eybach, Dürnau und Neuenhaus sowie sein Bruder Christoph Wolf und sein Vetter Christoph Jacob auf Schloss Neuhaus und Ehrstadt in den Freiherrenstand. Marie Luise, die berühmte Tochter des Heerführers Christoph Martin heiratete den Kurfürsten Karl Ludwig I. von der Pfalz und ging als die „Raugräfin” in die Geschichte ein. Ihre Tochter Karoline Elisabeth, eine von 14 Kindern, heiratete 1683 Meinhard Herzog von Schomburg, 2. Duke of Leinster, deren Erbtochter Lady Maria von Schomburg 1717 Christoph Martin II. von Degenfeld ehelichte (am 15. April 1716 in den Reichsgrafenstand erhoben).
Seitdem nennt sich die Eybacher Hauptlinie Grafen von Degenfeld-Schonburg. Für Schlüchtern-Ramholz interessant ist Maximilian Freiherr von Degenfeld (Auf der Grabplatte in der Eybacher Pfarrkirche nennt er sich Maximilian Freiherr von Degenfeld, Herr auf Hoheneybach, Dürnau und Neuhaus, Herr zu Oberreichholzheim, Ramholz, Vollmerz und Esslingen, ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu Pfalz Wirklicher Geheimer Rat etc). Er war ein Kammerherr, Diplomat und kurpfälzischer Geheimrat, zunächst kinderlos mit Amalie von Landas verheiratet und in zweiter Ehe mit Margaretha Helena von Canstein. Söhne aus der Ehe waren Freiherr Philipp August und Graf Christoph Martin II von Degenfeld.
Letzteren, ein preusischer General der Kavallerie und Kriegsminister, heiratete Maria Gräfin von Schonberg, der auch ihr Onkel zweiten Grades war. Zwei Söhne hatten sie: Friedrich Christoph, ein Generalmajor und Diplomat, der mit Luise Suzanne von Nassau verheiratet war, und August Christoph, verheiratet mit Friederike Helene Elisabeth Freiin von Riedesel. Von deren Kindern Eugen Friedrich Gustav Christoph, Johann Maximilian Christoph, Hanns Philipp Christoph ist Friedrich Christoph, verheiratet mit Luise Gräfin von Erbach, besonders vom Heimatstandpunkt aus wichtig, denn er war der einzige Graf, der längere Zeit im Ramholzer Schloss wohnte. Auf ausdrücklichen Wunsch wurde er in der an die Ramholzer Kirche angebauten Gruft beigesetzt.
Mit dem Bürgerbus in die Schwäbische Alb
Den Vornamen Christoph führte übrigens fast der gesamte männliche Zweig bis ins 19. Jahrhundert. Ein Nachkomme der früheren Herrscher, Ferdinand Graf von Degenfeld-Schonburg, der auf Schloss Eybach in Geislingen wohnt (wurde ursprünglich in der Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut und im 18. Jahrhundert von Graf August Christoph von Degenfeld-Schonburg vom Renaissance-Stil in den Übergangsstil von Rokoko zum Klassizismus umgebaut), besuchte vor Jahren auf Einladung von Dr. Constantin von Brandenstein-Zeppelin seine Burg bei Schlüchtern-Elm. Von der Burg hat man auch einen Blick auf die Nachbargemeinde Vollmerz – die ehemalige Grafschaft Degenfeld.
Sein Interesse am Bergwinkel-Degenfeld bekundete der Degenfelder von der Schwäbischen Alb und so kam von Brandenstein die Idee, „die Degenfelder zusammenzuführen“. Eine Einladung des Grafen für den Vollmerzer Ortsbeirat war vielleicht der Beginn einer freundschaftlichen Verbundenheit der richtigen Degenfelder mit den Ex-Grafschaft Degenfeldern. Bis es zu der „Dienstfahrt“ des Ortsbeirates Vollmerz kam, dauerte es noch eine geraume Zeit – und Bruno Friedrich ist nicht mehr der geschichtlich versierte Ortsvorsteher. Die Idee mit dem Treffen hatte auch Ortsbeiratsmitglied Manfred Schmidt. Als er nämlich ein Interview im Fernsehen mit Skispringerin Carina Vogt sah. Die Olympiasiegerin von Sotschi kommt vom Ski-Club Degenfeld. Also war „Manni“ Schmidt der richtige Tourvorbereiter. Mit dem Bürgerbus der Stadt Schlüchtern fuhren die Vollmerzer Ortsbeiratsmitglieder in die Schwäbische Alb.
Andreas Henrich legte die rund 250 Kilometer auf seinem Fahrrad zurück und fuhr deshalb schon einen Tag früher los. Das gräfliche Gastgeberpaar hieß die Vollmerzer Degenfelder mit Ortsvorsteher Hans-Joachim Kirchner an der Spitze willkommen. Auch der örtliche Degenfelder Ortsvorsteher Hans-Peter Wanasek, der Erste Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Christian Baron, und Stadträtin Dorothea Feuerle begrüßten als politische Vertreter die Gäste in der Destillerie „Old Gamundia“ von Irma und Ulrich Koche. Bei einem Glas speziell für den Urahn der Degenfelder gebrannten Whisky „Ritter Ulrich von Tegenveld“ kam man in dem rustikalen Gewölbekeller ins Gespräch. Als Gastgeschenke hatten die Hessen-Degenfelder regionale Köstlichkeiten mitgebracht und auch ein von Walter Dörr extra angefertigtes CEWE-Fotobuch „Degenfelder Bilderbuch“ mit Aufnahmen aus den drei Ortsteilen Vollmerz, Ramholz und Hinkelhof und fantastischen Motiven vom Stumm´schen Schloss, der Burgruine Steckelberg und der evangelischen Kirche Ramholz.
Abends waren die Vollmerzer Gäste von Ferdinand Graf Degenfeld-Schonburg und seiner Ehefrau Gräfin Madeleine auf Schloss Eybach. Eine Besichtigung der Sprungschanze des Ski-Clubs Degenfeld durfte bei dem Besuch in Degenfeld nicht fehlen. Eine Einladung zum Gegenbesuch sprach man natürlich gerne aus. So könnten irgendwann auch „die Degenfelder“ freundschaftlich vereint sein, wie sie es Ortschaften mit gleichen Namen (Breitenbach, Oberzell) pflegen.