"Die Bühne is my home"

Curt Cress aus Brachttal: Er ist einer der besten Schlagzeuger der Welt

Er ist einer der besten Schlagzeuger der Welt - Foto: Moritz Pappert


Samstag, 05.08.2023
von MORITZ PAPPERT

BRACHTTAL / MÜNCHEN - Curt Cress zählt zu den besten Schlagzeugern der Welt. Was viele nicht wissen: Er kommt aus Brachttal im Main-Kinzig-Kreis, hat lange in Erlensee gewohnt. Von dort startete er eine Karriere, die beeindruckend ist. Mit den bekanntesten Musikern hat er schon Songs aufgenommen. Wir von KINZIG.NEWS haben Curt Cress in seiner Münchener Vorstadtvilla für ein Interview getroffen. Übrigens: Wer Curt auch mal live erleben will, hat am 11. September im Colos-Saal in Aschaffenburg bei seinem "Drumtalk" die Möglichkeit dazu (hier mehr dazu).

Wie waren die Anfänge deiner Karriere in deiner alten Heimat in Brachttal?

„Meine Familie hatte den Frankfurter Hof in Schlierbach. Mein Opa war auch schon beim Militär Schlagzeuger. Im Hotel waren oft die Amerikaner. Ich kannte deshalb auch bis ich zehn Jahre alt war nur amerikanische Musik. Dann sind wir nach Erlensee gezogen.

Als die Beatles rauskamen, habe ich Opas Militär-Bassdrum bekommen, ein Cymbal haben wir ohne Ständer von der Decke hängen lassen. Es gab keine Fußmaschine, daher ich habe mit dem Fuß gegen die Bassdrum getreten. Ich habe aber gemerkt: das kann ich irgendwie. Meine erste Band hieß dann ´The Last´. Und der erste Auftritt in meinem Leben war in der Turnhalle in Gelnhausen. Da haben wir ´Satisfaction´ von den Stones gespielt. Dann sind die Leute auf mich aufmerksam geworden. Dann folgte die Band Inspiration Six aus der dann ´Orange Peel´ wurde, mit der wir auch erfolgreich waren.“

Wie ist heute noch die Verbundenheit in deine alte Heimat?

„Meine Eltern sind tot, aber meine Schwestern und mein Bruder leben noch dort. Ich bin leider nicht mehr oft da, aber ich bin gerne dort und treffe gerne meine alten Freunde. Vor allem Ralph Riss aus Hanau, mit dem ich dann in Hanau Golf spiele.“

War für dich schon immer der Traum, mit der Musik Geld zu verdienen?

„Ehrlich gesagt, hat das mit Geld nie etwas zu tun gehabt. Ich wollte immer nur spielen. Die ganzen deutschen Trommler konnten damals noch nicht so richtig im Studio spielen. Für mich war das immer eine Herausforderung. Damals hat man auch nur 50 Mark am Tag bekommen. Irgendwann hat mich Frank Dietz gefragt, ob ich mit ihm und Inga Rumpf ´Atlantis´gründen will. Da war ich 19. Aber das war nicht so erfolgreich. Ich wollte mehr spielen. Dann kam der Kontakt zu ´Passport´ mit KLAUS Doldinger. Und dann bin ich nach München. Daraufhin sind wir direkt nach Mexiko und sämtliche Leute wollten mich für ihre Produktionen buchen. 

Irgendwann fragten mich Ike und Tina Turner, ob in ihre Band einsteige, aber ich wollte nicht. Es ging immer darum, weiterzukommen, außerdem war ich zu der Zeit mehr dem JAZZROCK zugetan“

Du giltst als einer der besten Schlagzeuger der Welt. Hättest du je gedacht, dass man das mal über dich sagen wird?

„Nein. Ich weiß noch, als ich in Erlensee mit 13 Jahren an der Bushaltestelle stand und der beste Schlagzeuger der Welt werden wollte, das war eine Kindheitsfantasie. Ich habe mit der Zeit so viele gute Schlagzeuger kennengelernt, vor denen ich Achtung habe. Und wenn hinter dir diese Leute stehen und dir zwei Stunden lang zuschauen und keiner weg geht, weiß man, dass man nicht unbedingt beschissen ist. Das ist schon eine Anerkennung und es motiviert einfach auch.“

Wie schafft man es trotzdem, so bodenständig zu bleiben?

„Bodenständigkeit hat damit zu tun, dass man nicht abhebt und keine Drogen nimmt. Als Schlagzeuger kannst du dir nicht erlauben, keinen klaren Kopf zu haben. Meine Kinder kamen auf die Welt, da war ich 27, da kann man nicht wie ein Idiot rum turnen. Ich habe gestern Tommy von ´Kiss´ getroffen. Der ist auch normal. Genauso wie Alice Cooper. Übrigens spielt der auch Golf. Viele Leute, die kein Golf spielen sind tot. Golf spielen, das heißt ja nicht nur diesen Sport zu betreiben. Sondern, dass man raus geht, an der frischen Luft ist und konzentriert ist. Alice (Anm. d. Red.: Cooper) hat auch mal gesagt, dass Golf ihm sein Leben gerettet hat. Und was ich immer vermieden habe: in der Freizeit nur mit Musikern rum zu hängen, sondern auch generell Menschen aus anderen Berufen/Welten zu treffen und zuzuhören.“

Fotos: Lauro Cress (3)
Fotos: Lauro Cress (3)

Mit welchem Musiker war die Zusammenarbeit am schönsten?

„Udo Lindenberg. Ich kenne ihn seit über 50 Jahren. Wir haben uns kennengelernt, als er mit seinem R4 in Hamburg 1972 bei uns ankam und für mich bei ATLANTIS eingestiegen ist. Er hat mir seine erste Platte gegeben und ich ihm meinen Schlüssel für die Villa, in der wir damals in Hamburg gelebt haben. Seitdem kennen wir uns. Später hat er mich oft geholt, um mit ihm seine Platten zu spielen. Das war immer lustig. Auch heute noch gilt: Wenn wir uns sehen, dann ist es wie früher. Wir haben viel Spaß zusammen.

Auch die Arbeit mit Rick Springfield und SAGA in Los Angeles waren toll, genauso mit FALCO. Aber auch die LPs, die ich mit Peter Kraus produziert habe, haben unheimlich Spaß gemacht.“

Mit welchen Musikern ist der Kontakt heute noch intensiv, wo ist vielleicht eine Freundschaft entstanden?

„Mit Wolfgang Schmid, mit dem ich bei Passport viel erlebt habe. Und dem Gitarristen Peter Weihe. Mit dem Produzenten Udo Arndt, der von Nena, Nina Hagen und Rio Reiser alles produziert hat in Berlin. Oder auch mit Reinhold Heil (SPLIFF), der mittlerweile in Hawaii lebt.“

Würdest du heute jungen Musikern noch raten, beruflich Musik machen zu wollen?

„Da ich auch eine Professur an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater habe, fragen mich einige, wie man mit Musik Geld verdienen kann. Da ist meine Antwort: Diese Frage ist falsch. Das ist nicht die Motivation. Wenn man sich das schon fragt, ist man falsch. Es gibt ja nicht nur Leute, die Musik machen, weil sie viel Geld damit verdienen. Ich würde jungen Leuten raten es zu versuchen, wenn sie spüren, dass sie etwas Besonderes haben.

Was ist schöner, Studio oder live spielen?

„Beides. Die Bühne is my home. Wenn ich auf die Bühne gehe, fühle ich mich wohl. Egal ob in kleinen Clubs oder vor 60.000 Leuten. Aber Studio liebe ich auch. Das ist aber nur dann schön, wenn am Mischpult jemand sitzt, der weiß was er tut und die Musiker auch. Dann macht es Spaß.“

Du wirst oft auf die Zeit mit Freddy Mercury angesprochen. Wie war das damals für dich?

„Der Produzent von Queen hat mich angerufen und gefragt, ob ich mit Freddy Mercury spielen will. Ich habe zugesagt, weil ich nichts anderes zu tun hatte (ha ha). Ich saß dann im Studio und Freddy war nicht da. Und plötzlich geht die Tür auf und Freddy kommt rein. Der Typ hatte eine Ausstrahlung, wie sie wenige haben. Nachdem ich aufgehört habe zu spielen, hat mich Freddy umarmt. Ein sehr netter Typ. Wir haben gemeinsam Musik gemacht und sind auch am Viktualienmarkt zum Essen gegangen. Er im Unterhemd und einer Plastiktüte in der Hand. Da hat niemand auf ihn geachtet, es erwartet ja niemand dass da Freddie Mercury mitten in der Stadt herumläuft.

Wie ist das, wenn man sich im Radio selbst hört?

„Früher war ich ganz stolz. Mittlerweile höre ich mich dauernd spielen. Beim Italiener hört man ständig Felicita von Albano und Romina Power oder man hört Udo Jürgens, oder Rio Reiser und Freddie.

Wie sieht dein Leben aktuell aus?

„Wir leben in München, Spanien und Kitzbühel. Ich arbeite an Filmmusik, an Serien, habe eine Plattenfirma und einen Verlag. Ich spiele nicht viel, aber durch den Drumtalk (Anm. d. Red.: eine Veranstaltungsreihe) habe ich eine Sache gefunden, die Spaß macht. Ich plane eine neue Solo-Platte. Aus dem Drumtalk könnte auch wieder eine kleine musikalische Kapelle werden. Wenn man immer älter wird, ist das Gute, dass man noch nicht gestorben ist. Ich habe immer noch Ideen und beschäftige mich mit neuen Grooves. Und ich spiele Golf, wenn es geht.“

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