Verstärkung im MKK gesucht: "Mich erfüllt die Arbeit als Berufsbetreuer"
Dienstag, 12.09.2023
MAIN-KINZIG-KREIS - Jedem kann es passieren...
Ein Unfall, ein Schlaganfall und andere Erkrankungen können der Auslöser dafür sein, dass Menschen ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr eigenständig regeln können. Oft sind auch ein hohes Alter, Demenz, eine Sucht oder andere körperliche und seelische Behinderungen der Grund, dass das Betreuungsgericht Unterstützung sucht.
Diese wird zuerst im Familienkreis angefragt. Nur, wenn sich niemand findet und die betroffene Person keine Vorsorgevollmacht verfasst hat, leitet das Gericht ein Betreuungsverfahren mit einem Berufsbetreuer ein. Berufsbetreuerinnen und -betreuer werden derzeit jedoch dringend gesucht.
„Es gibt viele Gründe für den hohen Bedarf. Einer davon ist der demografische Wandel“, sagt die Richterin Karin Lang vom Amtsgericht Gelnhausen. „Es gibt immer mehr Ältere und weniger Heimplätze, die Leute haben keine Kinder oder ihre Kinder sind weit weggezogen.“ Hinzu kommen die zunehmend umfangreichen Aufgaben einer Betreuungsperson im Rahmen der neuen gesetzlichen Vorgaben und Digitalisierung.
Beraten, unterstützen und vertreten
Berufsbetreuung beinhaltet das Beraten, Unterstützen und Vertreten von Erwachsenen in rechtlichen Angelegenheiten, zum Beispiel bei Finanzen (Rente oder Sozialhilfe geltend machen, Schuldenregulierung einleiten, Unterhaltspflichten prüfen), im Umgang mit Behörden (Beratung bei Anträgen, Ansprüche durchsetzen), bei der Organisation von pflegerischen Diensten (Pflegedienste beauftragen, Rehabilitationsmaßnahmen beantragen) oder bei ärztlichen Behandlungen. Sie prüfen Mietverträge oder schließen Verträge mit Heimen ab. Praktische Alltagshilfen wie Einkaufen oder Fahrdienste gehören nicht zu ihren Aufgaben. Die Betreuerinnen und Betreuer können aber die betreuten Personen bei der Organisation einer individuellen Versorgung unterstützen.
„Essentiell ist, dass die Betreuung immer nur in vom Gericht festgelegten Aufgabenbereichen stattfindet und nur so lange, wie die betreute Person sich nicht selbst darum kümmern kann“, betont Bernd Kaltschnee, Leiter der Betreuungsbehörde des Main-Kinzig-Kreises. „Eine Betreuung ist keine Entmündigung.“
"Der Bedarf ist groß"
Der Bedarf sei groß, da im Zuge der Betreuungsrechtsreform in diesem Jahr einige Personen ausgeschieden seien, berichtet Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler. „Wer Menschen betreut, steht ihnen vertrauensvoll, sensibel und helfend zur Seite. Das ist eine wichtige und erfüllende Aufgabe. Ich kann alle Interessierten nur ermutigen, die nächsten Schritte zu gehen oder sich mit unserer Betreuungsbehörde direkt in Verbindung zu setzen. Wir helfen gerne bei Fragen weiter“, so die Sozialdezernentin.
Betreuen kann man auch ehrenamtlich als Mitglied eines Betreuungsvereins. Wer selbstständig als Berufsbetreuerin oder Berufsbetreuer tätig sein will, muss seit diesem Jahr von der Betreuungsbehörde zugelassen und registriert werden. „Leider gibt es in der Bundesrepublik keine klassische Ausbildung für die Berufsbetreuung, sondern Qualifizierungskurse“, erklärt Bernd Kaltschnee. Die Betreuungsbehörde des Main-Kinzig-Kreises muss in einem direkten Gespräch die persönliche und fachliche Eignung prüfen. Neben relevanten Arbeitszeugnissen müssen auch ein polizeiliches Führungszeugnis sowie eine Auskunft aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis vorgelegt werden. Gute Voraussetzungen zur Anerkennung bieten ein Studium der Sozialen Arbeit oder Rechtswissenschaft. „Interessierte aus anderen Bereichen können bei zertifizierten Qualifizierungsinstituten Sachkundelehrgänge besuchen“, erläutert Kaltschnee.
"Mich erfüllt der Beruf"
Jan Schäfer kam 2021 als Quereinsteiger dazu. Zuvor hatte der Fitnessökonom Fitnessstudios geleitet und verlor während der Corona-Pandemie seinen Job. Durch Zufall erfuhr er von der Option, als Berufsbetreuer tätig zu sein und stellte sich der Betreuungsbehörde vor. Nach seiner Qualifizierung und viermonatiger ehrenamtlicher Tätigkeit als Betreuer wurde er als Berufsbetreuer zugelassen. „Mich erfüllt der Beruf“, sagt er. Die Aufgaben seien sehr vielseitig. „Man lernt in allen Bereichen viel dazu und hat viel mit Menschen zu tun, sei es mit den Betreuten und ihrer Familie, mit Notariaten oder mit Ärztinnen und Ärzten“, sagt der 38-Jährige.
„Ich genieße es, mich selbst zu organisieren und kleine Erfolgserlebnisse zu haben: Beispielsweise konnte ich kürzlich einem Mann dabei helfen, aus einem schwierigen familiären Umfeld in eine eigene Wohnung zu ziehen. Auch wenn ein Antrag auf Bürgergeld bewilligt wird, freut man sich.“ Natürlich gebe es auch Misserfolge. „Eine Frau zum Beispiel kann nicht mit Geld umgehen. Sobald ich ihr für eine Woche Geld gebe, ist es innerhalb weniger Stunden ausgegeben“, berichtet Schäfer. Daher organisiert er nun eine Einkaufshilfe. Man müsse mit psychisch kranken Menschen umgehen können und erlebe auch Todesfälle. „Man sollte deswegen unbedingt abends abschalten können, und da ich drei Kinder habe, bin ich gut abgelenkt“, sagt Schäfer.
„Es ist auf jeden Fall eine sehr anspruchsvolle Aufgabe“, bekräftigt Richterin Karin Lang. „Es reicht nicht, eine Person nur zu ‚verwalten‘, sondern man muss sich in die Lebenssituation von fremden Menschen einfühlen. Oft trifft man Menschen in ihrer dunkelsten Stunde an, sie haben ihre Gesundheit verloren und man muss ihnen schonend beibringen, aus der eigenen Wohnung ausziehen zu müssen. Und bei all den Problemen muss man die Übersicht behalten und überlegen, nach welcher Priorität vorgegangen werden muss.“ Derzeit sind im Main-Kinzig-Kreis mehr als 100 Berufsbetreuerinnen und -betreuer tätig.
Wer ehrenamtlich Betreuungen übernehmen möchte, kann sich an den Betreuungsverein Main-Kinzig e.V. wenden unter www.betreuungsverein-mk.de. Wer Berufsbetreuerin oder Berufsbetreuer werden will, kann die Betreuungsbehörde des Main-Kinzig-Kreises kontaktieren unter Telefon 06051/8511600. (red)