Schlüchtern: 110 Jahre Kirmestradition in Herolz mit 74 Blooburschen

Dienstag, 26.09.2023
von WALTER DÖRR
SCHLÜCHTERN - Kirmes in Herolz, das hat was...
Grund der 110-jährigen Tradition ist die Weihe der Sankt-Jakobus-Pfarrkirche. Die Jubiläumskirchweih wurde vom Heimat- und Förderverein Herolz veranstaltet und groß gefeiert. Immerhin 74 Blooburschen gab es, darunter 23 aktuelle, die, wie seit jeher vorgeschrieben, unverheiratet und im Alter zwischen 16 und 28 Jahre alt sein müssen.
Das Aufsagen des Kirmesspruches war der Höhepunkt des viertägigen Festes. Der Bloo versammelte sich erst einmal im Pfarrgarten und in einem großen Kreis stehend sang man die eigens einstudierten Kirmeslieder. So stimmgewaltig waren die Blooburschen, wie es sich jeder Männerchor wünschen würde.
Nur Bloo-Burschen zugelassen
74 Sänger plus die Abordnung des Clubs der ehemaligen Kalle-Moats-Präsidenten aus Schlüchtern, die alljährlich zur Herolzer Kirmes kommen, das konnte sich hören lassen. Mit den Klängen der „Biertransportler“ zog dann der lange Zug mit dem buntgeschmückten Strauß von der Pfarrkirche Sankt Jakobus zur Gastwirtschaft „Zur Krone“ (Manusch). Zahlreiche Bürger warteten da, um den Kirmesspruch zu hören, den Oberbloo Marius Euler von einem Balkon vortrug.
„Ach, bie schnell vergeht e Joar, on ich denk, es is net woahr, dass ich just an selber Stelle, die neueste Bosse dat vermelle. Koar Joahr is em annern gleich, wiere woar’s ereignisreich, on bos gelaffe is im Joahr, sollt ihr etz gleich von mir erfoahr“, begann Marius Euler und hat zunächst „dos himmel Aufgebot gelobt, an Alt- und Jungbloo in de Reih, ville sein debei, von de ahle Wechgenosse, um die Kirchweih hoch lebe zu losse.“
Intensive Traditionspflege
„Von Generation zu Generation, wie sich’s gehürt in Tradition, dass noch in honnert Joahre auch, weiter lebt der Väter Brauch, on mer mit Wein, Weib on Gesang, könne Kirmes gefeier e Lebe lang.“ „Net nur die Kirchweih, tu ich kund, feiert dieses Joahr rund, aach des Gesangverein, der sengt schö fleißich, nun meh etz scho honnertdreißich, getreu dem Namensgeber Rehm, für die Urn sehr angenehm“, erinnert der Bloovodder an das Jubiläum. „Es High-Light dieses Joahr gewiss, die Bürcher-Wette gewese is“, spricht der Bloo die Wette mit den Kinzigtal Nachrichten an.
„En Chor woar zu stelle, der ohne stuss, Zeitungslieder senge muss. Un dos im Outfit, wie bizarr, dos aus Zeidungspapier gefriemelt war. De Zuspruch, der woar riesengroß, om Spurtplatz woar die Hölle los, als Siegesprämie, do is klasse, klingelten 1.000 Euro in de Kasse.“ „Spurtlich wurde sich gemesse bei de Wanderfreunde önnerdesse, beim Triatlon mit schwimme, radeln und laufe, Forelle-, Spoferkel un ausreichend zu saufe, bei letzterer Disziplin, ich soarns mit eim Satz, goabs mehrere Anwärter auf den ersten Platz“, berichtete der Bloo über feierfrohe Wanderer.
Wasserfontäne für den Riedweg
Einem Anwohner im Riedweg passierte ein nasses Missgeschick. Als er nämlich an seinem Haus aufgebaggert hat, erwischte die Wasserleitung und produzierte dadurch eine Wasserfontäne. „Die Moral von der Geschicht, is mer önnerömm net dicht, kömmt zum Ärcher, den mer hot, obedrei aach noch de Spott.“
Ein Rindvieh, wie eine Studie zeigt, sei der Musik nicht abgeneigt. Der Milchertrag erhöhe sich bald, wird es mit Mozart oder Bach beschallt, wusste der Bloo und leitete zum nächsten Fall über, denn den Rindern von einem Bauersmann, seien der Musik sehr zugetan und wollten diese am Helle Markt in Schlüchtern live erleben. Dorthin sind sie nämlich ausgebüxt, denn „beim Böhmischen Traum onn der Vogelwieselässt es Lebe sich genieße. Sie hon sich völlig unscheniert bei de Planemächer amüsiert.“
Kühe fühlten sich am Helle Markt wohl
„Alle Joahr on
Fronleichnam, do wird konkurriert, ber im Dorf de schönst Teppich
trappiert“, beleuchtete der Bloovodder die Anstrengungen, für die
Prozession den schönsten Altar herzurichten. Nach dem Motto: „Den
Flieder in die Truhe und dann hast du bis Fronleichnam Ruhe“ hätten
Bürger „im Bermuda-Dreieck“ kurzerhand frische Blumen eingefroren. Doch
nach dem Auftauen habe man nicht die volle Blüte feststellen können –
eher das Gegenteil. „Im Gefrierbeutel ganz für die Katz, der
Blütenträume schönster Schatz. Die Moral, bie mir dun fenne, wollt es Ei
schlauer sei als bie die Henne. Ressourcen ganz ömsonst verschwend,
aufs Blumme-Konserviern kricht ihr koar Patent.“
Für einen
Festivalbesuch in Österrreich hatten sich vier junge Herolzer gut
vorbereitet – dachten sie zumindest – auch mit einer kühlenden
Zapfanlage für das Bier. Doch sie funktionierte nicht und der
Gerstensaft war brühwarm. „Bier zu kaffe is in Östreich deuer, das
Trinkbedürfnis aber ungeheuer, die Rettung woar Zitronen-Limonade –
eisgekühlt ins Bier, schade, schade. Unterhopfung is ne Qual do muss mer
nemm, bos mer dut krieche, in de Not, do fresst de Deufel aach
Flieche“, erzählte Marius Euler aus eigener Erfahrung. „Beim BH is es
dos Ding, er hält die Hupen, so se sinn. Doch gibt er net nur dem Busen
Stütze, mer kann en aach ganz annerscht nütze“, so begann der
Oberbloobursch die missliche Geschichte einer Sekretärin, beim
Frühstücken auf die Toilette musste. Weil sie Angst hatte, dass man ihr
gekochtes Ei stibitzen würde, versteckte sie es kurzerhand im Dekolte´.
Plups, da war das Ei
„Nachdem
sie ihr Geschäft verricht, gings weiter in de Arbeitspflicht. Dos Ei
jedoch, ganz unvermesse, hat die Gute glatt vergesse. Es hot jo aach
recht gut behüt, in ihrem Dekolde gebrüt. Später musst se sich emoa
bücke, do höppt dem Chef ganz zum Entzücke, du meine Güte, alter Falter,
es Ei ihr aus em Büstenhalter, kullert dem Boss groad vür die Füss,
wenn dos nur net emo peinlich is. Die Moral von der Geschicht, Eier hot
mer oder nicht, moa seins klanne, moa seins große, doch in de Rechel in
de Hose.“
Der alkoholbedingten Fress-Attacke wollten zwei Herolzer
mitten in der Nacht entgegentreten und beschlossen, sich in der
heimischen Küche noch eine eingefrorene Pizza her-zurichten. Anstelle
des Backofens machten sie aber eine Herdplatte an und „hätten fast eine
heiße Nacht veranstaltet“. Der Bloo dazu: „On die Moral von der
Geschicht, im Ofenrohr, do gibts e Licht, leucht dos net, so iss es
halt, bleibt des noachts die Küche kalt.“
Schwierige Autowäsche
Das
Auto in einer Waschanlage zu waschen, machte einer Herolzerin Probleme.
Anstelle sich spezielle Wertmünzen zu besorgen, warf sie Euros in den
Schlitz – mit denen tat sich aber nichts. Bis ihr das alles zuviel wurde
und sie wieder mit ihrem schmutzigen Auto nach Hause fuhr. „Beim
Obräume vom Faschingswoa, do woar mer fleißich, on brochte es welke
Fichte-Reisich mim ahle Feuerwehrauto in die Holl, buh es dann verbrenne
soll“, berichtete der Bloo von einem Missgeschick dreier junger
Wehrleute. Sie fuhren nämlich zu nah an die Feuerstelle und verursachten
eine Explosion mit hoher Rauchsäule und einem ausgedehnten
Flächenbrand.
„Die Moral von der Geschicht, beherrscht du das
Spiel mit dem Feuer nicht, geht de Schuss schnell los noach henne, un du
dust schö die die Fenger verbrenne.“ Beim Befüllen eines Wasserfasses
für sein Vieh auf der Weide wurde ein Bauernsohn gestört. Am Mühlstein
gab es nämlich etwas zu trinken und der Feierabend-Schoppen zog sich
hin. Als er tags darauf mit dem (leeren) Fass „de Schindsgroabe“
rauffuhr, dachte er sich „Ach perfekt, de Bulldog zieht heut bie
verreckt. Auf de Weide wärt derweil dehie, sehnsuchtsvoll das durstige
Vieh.“ Abends wunderte es den Bauern sehr, dass es Fass ist wieder leer.
Bauer trinkt und das Vieh hat Durst
„Es
hing dem oarme Vieh, vür Duscht die Zonge on de Knie.“ Zwei von fünf
Herolzern, die ein Konzert in Frankfurt besucht haben. Kamen zum letzten
Heimzug zu spät und mussten am Bahnhof übernachten. Mit dem ersten Zug
frühmorgens wollte man Schlüchtern fahren, so der Plan, um noch zum
„Sonndichs-Amt“ zu kommen, denn „doa woar Kirche für mei Verwandte, e
kürzlich versturbene amerikanische Dante“. Die Nachwehen des Vorabends
ließ die beiden „ins Koma fallen“. Als der Zug merklich einmal anhielt,
stürzten sie aus dem Zug, da man dachte, schon in Schlüchtern zu sein.
Es war aber erst Hanau und der Zug fuhr ohne sie weiter. Da die Zeit
drängte, half ein Anruf nach Hause, sodass man mit dem Auto abgeholt
wurde.
„Die Moral von der Geschicht, Bahn fahrn kann mer oder
nicht, mer kann nur on die Birn sich greife, bann Landeier in die Ferne
schweife“, so der Bloo über die lustige Geschichte. Ein Herolzer
Bloo-Bursch ließ sich das Bier bei der Vollmerzer Kirmes schmecken –
zuviel. „Als er om Ramholzer Wasser stand, den klanne Könichsticher in e
Hand, gewaltich woar er om schwanke und in Gedanke, de Allehol ließ ihm
koarne Schangse und er koam aus de Balangse. Es dud en Bomp on mit em
Schlach, mächt er koppüber in die Bach.“ Zu den für die Beteiligten
unangenehmen Begebenheiten zählte auch, dass eine Herolzerin nach der
Arbeit nach dem Aussteigen aus dem Zug in Schlüchtern bemerkte, dass sie
eine Kuchenplatte im Zug vergessen hatte.
Güldenes Tupper-Ding
Also düste sie mit ihrem Auto nach Fulda, um die Tupperdose zu holen. Sie durchquerte den Zug, fand aber nichts. Der Schaffner war die Rettung, denn er hatte „das vermaledeite Tupper-Ding“ gefunden. Doch bevor der Kuchen wieder seine Besitzerin erreichte, setzte sich der Zug in Verbindung Richtung Neuhof. Dort stieg sie aus und wartete auf die nächste Verbindung nach Fulda, wo ihr Auto stand. Mit Verspätung ging es dann erst auf den Heimweg. Viele lustige Sachen wurden im Kirmesspruch berichtet.
Nach dem Spruch feierten zahlreiche Bürger „bei Ebels“ mit musikalischer Unterhaltung der „Biertransportler“. Am Montag fuhr der Bloo mit fünf urigen Fahrzeugen – darunter die wilde Sofie – durch Herolz. Ein spezielle Kinderprogramm gab es am Sportplatz und Kirmesausklang war wieder im Gasthaus Manusch.