Magistrat gibt grünes Licht: Stadt Hanau will Kaufhof-Immobilie erwerben

Dienstag, 26.09.2023
HANAU - „Der Kaufhof in Hanau ist nicht nur einfach ein Gebäude, sondern ein geschichtsträchtiges Symbol unserer Innenstadt. Deshalb können und werden wir nicht einfach zuschauen, was mit dem Gebäude nach der geplanten Schließung passiert. Wir nehmen unsere Verantwortung für die Innenstadt wahr, kaufen die Immobilie und werden dort einen Ort schaffen, an dem sich Menschen treffen und an dem sie etwas Besonderes erleben können“, so Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky.
Der klaren Ansage von Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky, die Kaufhof-Immobilie in der Innenstadt zu erwerben, damit „keine Brache in 1A-Lage“ entsteht, folgten am Montag nun die nächsten wichtigen Schritte: Der Magistrat der Stadt Hanau stimmt dem Ankauf in seiner gestrigen Sitzung am Morgen zu, am Abend wurden die detaillierten Untersuchungen und Pläne der Öffentlichkeit im Struktur- und Umweltausschuss vorgestellt. Am kommenden Montag (2. Oktober) wird die entsprechende Nachtragssatzung für den städtischen Haushalt auf den Weg gebracht. Final entscheiden wird die Stadtverordnetenversammlung am 16. Oktober.
1929 wurde der Kaufhof in Hanau als Tietz AG gegründet, im Mai 1957 wurde am jetzigen Standort der Neubau begonnen, am 27. November 1957 eröffnete Kaufhof am Marktplatz. Am 13. März 2023 verkündete der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Konzern die Schließung von mehr als 50 Häusern in Deutschland. Darunter auch die Filiale in Hanau. Direkt an dem Tag positionierte sich Hanau. Oberbürgermeister Kaminsky sagte den Beschäftigten zu, ihnen zur Seite zu stehen, traf sich zwei Tage später erstmals mit dem Hanauer Kaufhof-Betriebsrat.
"Müssen Verantwortung übernehmen"
Kaminsky kündigte zudem bereits am 13. März an, den Erwerb der Immobilie voranzutreiben (KINZIG.NEWS berichtete): „Wichtig ist jetzt, dass wir die Verantwortung übernehmen, wir können die Immobilie nicht den freien Marktkräften überlassen. Hier muss die soziale Marktwirtschaft greifen. Der Plan heißt nun, das Haus in der Innenstadt zu übernehmen, ins Eigentum zu kommen.“ Er setzte eine Experten-Runde um Stadtentwickler Martin Bieberle ein, welche die Fragen nach Bausubstanz, Finanzierung, Brandschutz, Statik und weiteren Bausteinen klärte. Die Fachleute aus der Unternehmung Stadt Hanau und externen, teilweise bereits beim Stadtumbau involvierten Spezialisten, bewerteten auch die städtebaulichen Aspekte. Parallel wurden die Vertragsverhandlungen mit dem Eigentümer, dem Immobilienfonds KH Hanau S.C.S. Objektgesellschaft mit Sitz in Luxemburg, vorangetrieben.
„Der Kaufhof war und bleibt eine der besten Adressen der Stadt. Die Immobilie ist mit ihrer zentralen Lage von herausragender Bedeutung für unsere Innenstadt“, so Oberbürgermeister Kaminsky. Die Innenstädte befinden sich, so der OB, im „Schicksalsjahrzehnt“. Online-Boom, Immobilien-Spekulantentum, Kaufzurückhaltung – und nun die Kaufhaus-Krise. „Hanau stemmt sich seit Jahren erfolgreich dieser Abwärtsentwicklung entgegen“, so Kaminsky. Er versteht die Innenstadt als wandelbares Energiezentrum einer selbstbestimmten Stadt, widerstands- und lernfähig.
"Wir haben einen klaren Kompass für unsere Innenstadt"
Der
Stadtführung war sofort klar, dass ein langanhaltender Leerstand an
dieser exponierten Stelle erhebliche Auswirkungen auf die umliegenden
Geschäfte und Gastronomien sowie den Wochenmarkt und die gesamte
Innenstadt haben würde. Sinkende Frequenzen, Umsatzverluste bis hin zur
Verödung von Straßenzügen als Folge von Still- und Leerstand hatte die
Expertengruppe bei ihren Recherchen in anderen Städten festgestellt und
gestern Abend vorgestellt. „Wir haben einen klaren Kompass für unsere
Innenstadt, für unsere Stadt“, so Kaminsky.
Die Untersuchungen
ergaben, dass sich das denkmalgeschützte Gebäude statisch in gutem
Zustand befindet. Für die Zeit direkt nach dem Kauf ist eine
Zwischennutzung geplant: Die Hanau Marketing GmbH (HMG) soll mit
innovativen Konzepten dafür sorgen, den Leerstand zu überbrücken. „Um
die Frequenz im und rund um das Gebäude zu erhalten, Magnetwirkung zu
entfalten und unseren Wochenmarkt zu stärken. Wir werden auch
ungewöhnlichen und neuen Ideen die Chance geben, sich auszuprobieren,
für Start-ups risikoarme Konditionen ausrufen. Dabei wollen wir testen,
ob die Konzepte auch langfristig in unserer Innenstadt funktionieren“,
so HMG-Geschäftsführer Martin Bieberle.
Die Bandbreite der Ideen reicht von Markthallen-Flair im Erdgeschoss bis hin zu Jugend- und Sportangeboten im Untergeschoss. „Wir wollen einen Ort schaffen, in denen unterschiedliche Nutzerinnen und Nutzer ihre Ideen aus den Bereichen Erleben, Treffen, Sport, Kultur, Bildung anbieten. Damit folgen wir der Logik, die wir beim Stadtentwicklungsprogramm Hanau aufLADEN erfolgreich ausprobieren“, so Bieberle.
"Lust auf den 'neuen Kaufhof' machen"
Für
die Obergeschosse, die aufgrund der problematischen
Erschließungsmöglichkeiten für größere (externe) Nutzungen in der
Zwischennutzungsphase schwer möglich sind, gibt es verschiedene
Optionen. Sie reichen von Räumen für Volkshochschule oder das Zentrum
für Demokratie und Vielfalt, das dort Formate und Konzepte während des
Umbaus am Kanaltorplatz ausprobieren könnte, bis hin zu Flächen für
Sportangebote. Im dritten Obergeschoss könnte die HMG, die nach dem
Abriss des „Haus des Handwerks“ am Schlossplatz neue Räume sucht,
vorübergehend Büros beziehen. Die Dachterrasse könnte als
Gastronomiefläche mit Möglichkeiten für Märkte, Urban Gardening, Kino
und City-Beach dienen – als Vorbild dient hier der etablierte Fronhof am
Schlossplatz. „Für die Zeit rund um die Schließung planen wir
Veranstaltungen, die Lust auf den ‚neuen Kaufhof‘ machen“, so Bieberle.
Ein
finales Nutzungskonzept soll unter Federführung der BAUprojekt Hanau
GmbH im Laufe des Jahres 2024 erarbeitet werden. „Hierzu wird es ein
strukturiertes Verfahren geben, das die Öffentlichkeit ausdrücklich mit
einbezieht. Auch die mögliche Einbindung privatwirtschaftlicher Partner
werden wir prüfen“, so Martin Bieberle. Nach einer geplanten
Kernsanierung kann die Immobilie für viele Jahrzehnte in
unterschiedlichen Formen genutzt werden. Die Umbaukosten sind mit etwa
39,5 Millionen Euro veranschlagt. Aus dem Bundesförderprogramm
„Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ liegt – vorbehaltlich des
Ankaufs – für die Jahre 2024 und 2025 die Zusage für eine Unterstützung
in Höhe von circa 1,1 Millionen Euro vor. Zudem legt das Hessische
Wirtschaftsministerium für die sieben in Hessen betroffenen
„Galeria-Karstadt-Kaufhof-Kommunen“ einen Sondertopf über drei Millionen
auf, Hanau wird sich bewerben.
Die Zielsetzung ist, das Gebäude
als starken Frequenzbringer für die Innenstadt zu positionieren. Es soll
in seiner Grundform multifunktional organisiert sein, um auf wechselnde
Bedürfnisse angepasst werden zu können. Neben der Ertüchtigung der
Versorgung und der energetischen Situation, sind die Neuorganisation der
Erschließung, vor allem der oberen Stockwerke sowie das Integrieren von
Lichthöfen erforderlich.
Kaufpreis in Höhe von 25 Millionen Euro
„Diese
hochwertige Innenstadtimmobilie eröffnet uns die Möglichkeit, das
Quartier neu zu entwickeln. Das Projekt dient zu einer nachhaltigen
Aufwertung des Stadtquartiers. Damit schiebt sich der Wert der Immobilie
nach oben“, so Kaminsky. Die Stadt Hanau, so der Beschluss des
Magistrats, erwirbt das Gebäude und das Erbbaurecht, das 1965 zwischen
Stadt und der damaligen Kaufhof AG auf 99 Jahre vertraglich vereinbart
wurde. Das Gebäude hat 16.000 Quadratmeter Gesamtfläche und etwa 11.000
Quadratmeter Nutzfläche. Die Immobilie wird zum 1. Februar 2024 durch
die Stadt Hanau zu einem Kaufpreis in Höhe von 25 Millionen Euro
erworben, so der Magistratsbeschluss, vorbehaltlich der Genehmigungen
der nächsten Woche im Magistrat behandelten Nachtragssatzung sowie des
Regierungspräsidiums Darmstadt.
Im Congress Park Hanau hatten
Oberbürgermeister Kaminsky, Stadtentwickler Bieberle und das
Expertenteam, zu dem unter anderem Rechtsanwalt Dr. Olaf Otting, Rainer
Krebs („Der Kaufhof ist hervorragend in die vielfältigen
innerstädtischen Nutzungen eingebunden“) für städtebauliche und
architektonische Fragen, Thomas Müller (Terramag; „Die Chance zum
städtischen Erwerb kann als einmalig betrachtet werden und ist zur
Sicherung langfristiger städtebaulicher, kommunalwirtschaftlicher und
qualitativer Ziele und Chancen ohne vergleichbare Alternative“),
HMG-Geschäftsführer Daniel Freimuth gehören, am gestrigen Montagabend in
einer gemeinsamen öffentlichen Sitzung des Struktur- und
Umweltausschusses und des Ortsbeirates Innenstadt die Ergebnisse der
Untersuchung vorgestellt.
„Es geht um nichts weniger als die
Zukunft unserer Stadt“, so Oberbürgermeister Kaminsky, der mit Verweis
auf die Erfolge des Stadtumbaus und der Konversion folgerte: „Wir
knüpfen an die Tugenden an, sind mutig, entschlossen, erfahren und mit
Schlacht-erprobtem Selbstbewusstsein unterwegs.“ Groß-Immobilien stehen
für die Transformation von Innenstädten: „Wenn wir jetzt nicht
entscheiden, droht langer Leerstand und es folgt in ein paar Jahren die
Erkenntnis, dass die Stadt eingreifen muss. Dem werden wir zuvorkommen –
so wie man es aus Hanau kennt. Denn jedes Jahr, das wir verstreichen
lassen, geht von diesem Quartier eine furchtbar traurige Nachricht aus.
Und jedes Jahr, in dem wir arbeiten, Nutzungen ermöglichen und darüber
sprechen, geht von diesem Quartier Zuversicht aus. Es macht keinen Sinn,
Ideen für eine Liegenschaft zu sammeln, zu erarbeiten, zu diskutieren
und zu kommunizieren, die einem nicht gehört.“
Am 31. Januar 2024 schließt der Kaufhof in Hanau. „Das Datum markiert das Ende einer Tradition und den Beginn einer neuen Zeitrechnung für die Innenstadt von Hanau. Wir nehmen die Entwicklung in unsere Hand und gehen mutig voran. Wir nutzen die historische Chance“, so Oberbürgermeister Claus Kaminsky. (red)