"Öbern" Bloo trinkt Bier, die "Önnern" Wein

Sinntal: Kirmestradition in Weiperz - Zweimal ist doppelt so schön

Gleich zwei Möglichkeiten, zünftig Kirmes zu feiern, hatten die Weiperzer und deren Gäste... - Fotos: Walter Dörr


Mittwoch, 11.10.2023
von WALTER DÖRR

SINNTAL - Im Sinntaler Ortsteil Weiperz war am Sonntag Wahltag. Auch hier fanden natürlich Landtagswahlen statt. Mit zwei Stimmen konnte man bestimmen, wie sich zukünftig der Hessische Landtag und die Regierung zusammensetzt. 

Zwei Möglichkeiten, zünftig Kirmes zu feiern, hatten die Weiperzer und Gäste von außerhalb aber auch wieder, denn in Weiperz gibt es quasi zwei geografisch getrennte Kirmessen: der „öbern Bloo“ der Trachtenkapelle „Musikfreunde“ Weiperz in Frack, schwarzen Zylindern mit schwarz-rot-gold dekorierten Bändern und urigen Holzschuhen feierte Zeltkirmes auf dem ehemaligen Schulhof und der „önnern Bloo“ vom Musikverein 1924 Weiperz, traditionell in schwarz-weiß karierten Hemden feierte im Saal der Gastwirtschaft Döppler/Gärtner und in einem Zelt auf der Straße davor.

Zwei Bloogesellschaften in einem Weiperz


Musikalische Unterhaltung gab es natürlich im weithin als Musikdorf bekannten Weiperz hier und da. Ein Höhepunkt bildete das Aufsagen der beiden Kirmessprüche. Davor mussten am frühen Sonntagnachmittag erst die buntgeschmückten Kirmessträuße abgeholt werden: die „Öbern“ mit den Akteuren der Musikfreunde in Spessarttracht, die „Önnern“ mit dem Musikverein 1924. Klar, die Orchester in voller Besetzung und mit perfekter Blasmusik. Bei den Bloogesellschaften ist leider ein „Schrumpfen“ festzustellen, denn sowohl „oben“ als auch „unten“ bestanden die diesmal nur aus je zehn Personen – bei den „Öbern“ inklusive vier Bloomädchen. Welche Missetaten und peinliche Situationen in den Kirmessprüchen „angeprangert“ wurden, sind zwar in dem einzigen Dorf passiert, reichten aber für zwei unterschiedliche Kirmessprüche aus.

„Öbern“ Bloo trinkt Bier – die „Önnern“ Wein


Unterschiedlich waren auch die Getränke, mit denen sich die Bloos stimmulierten: Den „Öbern“ schmeckte Gerstensaft, die „Önnern“ leerten genüsslich den Inhalt von traditionell mit Bändern geschmückte Weinflaschen. Viel zu Lachen gab es hier wie da auf der einzigartigen Weiperzer Dorfkirmes. „Von Weitem klingt’s wie Donnerschall, mir „Öbern“ wolle wire Kirmes hall.“ – so begann der erste Spruch von Oberbloo Fabian Herbert auf der Leiter am Dorfgemeinschaftshaus.

Bierpreis wegen Putin so hoch


Der Baum sei tadellos und einwandfrei, aber der Bierpreis wegen der Inflation eine Sauerei, stellte man fest. Kritik übte man auch an der Nachbargemeinde Breunings, die an dem Weiperzer Kirmes-Termin ein Oktoberfest veranstaltete. „Ihr wisst, es Spiel mim Feuer is e gefährliches Tänzche, mir Weiperzer könne nächst Joar aach mache e Faschings-Kräbbel-Kränzche“, so die Bloo-Drohung. Flüssiges nach der Probe der Trachtenkappelle zu genießen, sei üblich – in Maßen. Ein Musiker folgte dem nicht, mit der Folge, dass er ohne seinen Roller nach Hause wankte, tags darauf aber sein Zweirad suchte „Kopfschmerze, Roller weg, so’n Dreck“ reimte der Bloo. Anstelle für den Sperrmüll Sachen rauszustellen, „kam einem was dazwische, die nachbarschaftlichen Biertische“ - daraus resultierte ein Generationenstreit mit Einsatz von Rettungswagen und Polizei. Der Bloo: „Die Moral von der Geschicht, von zehn Bier am Mittag bist du dicht.“ Trinkfreudigkeit war auch am Feuerwehrfest festzustellen.

Nach 10 Bier am Mittag bist du dicht


Für einen Burschen zu viel, denn er setzte sich in einen Wirepool und vergaß, dass er besoffen in einen Alkoholisch-Komatösen-Tiefschlaf verfällt. Durch „Fünf Stunden Blubber-Pool“ sei im fast die Haut abgefault und in der nassen Unterhose fast nackt am nächsten Morgen „auf einem Walk of Scham“ nach Hause gegangen. Wie hyperaktive Kinder einen Weiperzer Vater strapazieren, berichtete der Bloo. Weil „die Önnern“ nicht, wie es Tradition ist, in die Messe gehen, bezeichnete der „Öbern Bloo“ sie „als ein Haufe, wie konnt de Poarr die nur taufe“. Dass ein Video mit hunderten toten Katzen im Weiperzer Katzenhaus zu sehen war und in der Bild-Zeitung vom Messi-Haus berichtet wurde, schockte den Bloo. „Die Moral von der Geschicht, ekelhafter geht es nicht.“

Weiperzer sorgen für die Energiewende


Eine „Annonce von einer riesen Geldeinnahme-Chance“ machte einen Landwirt „viel schlauer, zu einem Energie- statt Viehzuchtbauer“, berichtete der Bloo. Mit einem ersten Photovoltaikanlagenpark, Windkraftanlagen und einer gestauten Wolper war man sich sicher, alles für die Energiewende in Weiperz getan zu haben. Und auch die Gemeinde Sinntal bekam wegen Kommunikationsdefizite ihr Fett weg. Im Zuge der Standortfrage für Flüchtlings-Wohncontainer am Festplatz kam eine fehlende Fäkalentleerungsgrube zur Sprache. Ein Loch in der Zisterne bedeute, dass im Mai 2024 für 5.000 Euro beim Jubiläum des Musikvereins ein „Scheißhauscontainer-Dorf“ aufgestellt werden muss. Nach dem Aufstecken des „Öbern“-Kirmesstraußes zog der „Önnerne“ Bloo mit dem Musikverein 1924 zur Gastwirtschaft Döppler/Gärtner, wo der zweite Kirmesspruch von Leon Müller aufgesagt wurde. 


100 Jahre Musikverein Weiperz in 2024


 Nach einem einleitenden Werbeblock auf das im kommenden Jahr anstehende 100-Jahre-Jubiläum des Musikvereins berichtete er von einem Eintracht-Frankfurt-Fan, dem bei der verlorenen Begegnung gegen Dortmund mächtig zugesetzt wurde. Stark alkoholisiert und ein zusätzliches Gelage mit einem „BVB-Freund“ führte dazu, dass der Weiperzer Ultra komplett ausgeknockt und ohne Geld und Handy von einer netten alten Dame im Straßenrand aufgefunden wurde. Die habe den „armen Kautz“ in ihr Auto eingeladen und nach Schlüchtern gekarrt. Die Geburt eines „neuen Önnern“ bei der letztjährigen Kirmes führte zu drei „Pinkel-Partys“ des Vaters. Und wie der Bloo wusste, am Vatertag „wie es so is, Männer und Frauen plus Alkoholverzehr, ging es auf einmal los mit dem Geschlechtsverkehr.“ Stöhngeräusche allerorten. „Von Treppenunfällen abgesehen gab es keine Verletzte, wenn dann nur Kinner, von uns so sieben geschätzte,“ orakelte Oberbloo Müller. Letztlich sei der Nachwuchs für den „Önnern-Bloo“ wichtig und der Bloo-Vadder freute sich auf deren erste Kirmes in 15 Jahren.

Bloo-Nachwuchs bei Pinkelparty gezeugt?


„Viele frei laufende wilde Viecher“ störten einen Weiperzer Kautz in Bolivien nicht. Er habe sich durchs Dickicht geschlagen und traf plötzlich „auf zwei undefinierbare Bestien mit fletschenden Zähnen“. „Da hilft kein Kon Fu oder Teakwondo, ich musss schnell hier weg, auf un devo.“ Zu spät, denn er wurde gebissen. Auf der Flucht, schneller als Usain Bolt, sei der Weiperzer todesmutig eine Klippe hinuntergesprungen. Volle Adrenalin und Koka-Blätter habe er geschrien: „Kommt nur ihr verdammten Verrecker, euch schick ich auf die Bretter“ - „so gewaltig und voller Zorn, dass ganz Bolivien wusste, heut wurd ein neuer Krieger geborn.“ Ein Skiurlaub in Österreich kam auch in den Kirmesspruch, denn ein Paar hatte seine Koffer in Weiperz vergessen. Bei Gucci und Prada habe man deshalb vor Ort geshoppt.

Auf Bloo-Spruch-Legenden ist Verlass


Zwei „Bloo-Spuch-Legenden“ lieferten wieder eine Episode, freute sich der Bloo – begründet durch zu viel Alkoholgenuss. Nach stundenlangem Suchen von Feuerwehr und Polizei sei die Frau mit ausgekugelter Schulter im Gebüsch bei den Wildpreiselbeeren gefunden worden. Viel Lustiges auch dieses Jahr im Kirmesspruch. In Geselligkeit und guter Musik feierte man die Kirmes 2023.

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