Plakat-Kampagne „Schieb den Gedanken nicht weg“

Wenn der sexuelle Missbrauch in der eigenen Familie stattfindet

Vorstellung der Plakat-Kampagne „Schieb den Gedanken nicht weg“ in den Räumen der Bildungspartner (BiP) Main-Kinzig. - Foto: Main-Kinzig-Kreis


Donnerstag, 26.10.2023

MAIN-KINZIG-KREIS - „Schieb den Gedanken nicht weg“ – unter diesem Motto startet eine Plakat-Kampagne des Vereins Lawine in Kooperation mit dem Main-Kinzig-Kreis und der Stadt Hanau, die für ein wichtiges Thema sensibilisieren soll: Sexuelle Gewalt an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen findet vor allem in deren engstem Umfeld statt. Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler und der Hanauer Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri haben die Schirmherrschaft übernommen.

„Der Gedanke, dass sexueller Missbrauch in unserem direkten Umfeld stattfinden kann, ohne dass etwas bemerkt wird, ist ebenso unerträglich wie verstörend. Um aber Hilfe leisten zu können, ist es wichtig, Anzeichen zu erkennen und auch Hilferufe der Betroffenen richtig deuten zu lernen. Die Plakataktion soll dabei helfen, ein Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen“, erklärte Susanne Simmler. Zusammen mit Dr. Maximilian Bieri war sie zur Eröffnung der Kampagne in die Räume der Bildungspartner Main-Kinzig in Gelnhausen gekommen, wo Nadine Chaudhuri von der Lawine-Beratungsstelle in Hanau das Projekt vorstellte – im Beisein der Unterstützerinnen und Unterstützer.

Der Verein Lawine e.V. ist eine Fachberatungs- und Anlaufstelle für die Stadt Hanau und den Main-Kinzig-Kreis, die auf Fälle von sexueller Gewalt spezialisiert ist. Der Verein holt mit seinem Engagement die bundesweite Plakat-Kampagne des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs in den Main-Kinzig-Kreis. Um die Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Thema zu lenken, sind die Plakate Teil eines „begehbaren Kinderzimmers“. „Geh nicht mit Fremden mit“ – heißt es in einer Ecke des Plakats, das ein normales Kinderzimmer zeigt. In der anderen Ecke lenkt die Frage „Und wenn es gar kein Fremder ist?“ auf das eigentliche Thema der Plakataktion. Im Vordergrund stehen ein kleiner Tisch und ein Stuhl, Spielzeug liegt umgekippt auf dem Teppich. Die auf den ersten Blick idyllische Szene wirkt auf den zweiten Blick, als sei etwas aus dem Gleichgewicht geraten und zieht so das Interesse auf sich.


Es wird geschätzt, dass ein bis zwei Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind

 

„Es wird geschätzt, dass ein bis zwei Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind. Dennoch halten viele Erwachsene sexuelle Gewalt in ihrer Familie und im eigenen Umfeld für unwahrscheinlich und warnen vor allem vor dem Fremdtäter“, sagte Nadine Chaudhuri. Laut einer Forsa-Umfrage im Oktober 2021 würden es 90 Prozent der Befragten zwar für wahrscheinlich halten, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfindet. 85 Prozent der Befragten würden es aber für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen halten, dass sexuelle Gewalt in ihrer eigenen Familie passiert oder passieren kann. „Es ist also falsch zu glauben, dass Fälle von sexuellem Missbrauch nur woanders stattfinden“, betont Nadine Chaudhuri. Sie ging auf die vielen tausend Missbrauchsfälle pro Jahr ein, die zur Anzeige gebracht werden. Das Dunkelfeld – also die Zahl der Fälle, die nicht bei der Polizei gemeldet werden - sei allerdings um ein Vielfaches größer. Die Plakat-Ausstellung ist noch bis zum 8. November auf dem Campus der Bildungspartner in Gelnhausen zu sehen.

Susanne Simmler und Dr. Maximilian Bieri bedankten sich beim Lawine-Verein für dessen Engagement. „Besonders wichtig ist uns, dass die Kampagne nicht auf einen einzigen Ort begrenzt wird, sondern an vielen verschiedenen Stellen zugänglich sein wird. Wir wollen möglichst viele Menschen erreichen. Deshalb freuen wir uns, dass die bundesweite Kampagne nun auch in der Stadt Hanau und in möglichst vielen Kommunen des Main-Kinzig-Kreises dieses wichtige Thema in den Mittelpunkt rückt“, so Bieri. Die Koordination übernimmt das Referat für Frauenfragen und Chancengleichheit des Main-Kinzig-Kreises.


Gerade das Kinderzimmer als Schauplatz von sexueller Gewalt und Missbrauch zu zeigen, sei schwer zu ertragen


Gerade das Kinderzimmer als Schauplatz von sexueller Gewalt und Missbrauch zu zeigen, sei schwer zu ertragen. „Denn das ist der Ort, an dem wir unsere Kinder sicher und geborgen sehen wollen, nicht ein Ort, der mit großem Schrecken und Angst vor Übergriffen verbunden ist“, so Susanne Simmler. Dr. Maximilian Bieri betonte, wie wichtig die Arbeit von Beratungsstellen wie Lawine ist. „Sie übernehmen Verantwortung und sind Anlaufstelle für Menschen, die vor einem Scherbenhaufen stehen, die oft traumatisiert und zutiefst verletzt sind“, so Bieri.

Ein großes Dankeschön ging auch an die Sponsoren, die durch ihre Spenden das Projekt erst ermöglichen. Die Firma Ströer Deutsche Medien GmbH aus Frankfurt und Petra Lott, eine ehrenamtliche Unterstützerin des Lawine Vereins, übernehmen die Kosten für 35 großflächige Plakatflächen, die über das Kreisgebiet hinweg platziert werden sowie den Druck der Plakate. Die kreiseigene Gesellschaft für Arbeit, Qualifikation und Ausbildung (AQA) fertigt zusätzliche Plakataufsteller an, damit weitere begehbare Kinderzimmer in interessierten Kommunen aufgestellt werden können. Diese begehbaren Plakate können auch von Gruppen der Erwachsenenbildung oder Fachkräften in Erziehung und Bildung sowie Vereinsverantwortlichen und höheren Schulklassen besucht werden. Die Fachberatungsstelle Lawine wird an einigen Ausstellungsorten öffentliche Infovorträge halten. (red)

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