Das steckt dahinter: Nachhaltigkeit bei der Spessart Tourismus GmbH
Donnerstag, 02.11.2023
von MORITZ PAPPERT
SPESSART - Der Spessart ist eine Tourismus-Region mitten in Deutschland. Besonders der unberührte Wald, der übrigens der größte zusammenhängende Laubmischwald in Deutschland ist, macht die Region einzigartig. Bei dieser Naturverbundenheit liegt auch das Thema Nachhaltigkeit nahe. Die Spessart Tourismus und Marketing GmbH hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Tourismus in der Region nachhaltiger zu machen. Geschäftsführer Bernhard Mosbacher und seine Stellvertreterin Franziska Weber erklären im Interview, was genau dahintersteckt.
Wie genau definiert Ihr Nachhaltigkeit ?
Weber: „Auf den Tourismus bezogen ist Nachhaltigkeit für uns, dass wir die Entwicklung in der Region mit allen Leistungsträgern, die an der touristischen Wertschöpfungskette beteiligt sind, so gestalten, dass wir wirtschaftlich das Beste für die Region rausholen. Aber so, dass möglichst wenige negative Effekte entstehen. Es geht darum Wirtschaft, Umwelt und Soziales gleichrangig zu betrachten. In unserer Tourismusstrategie haben wir Nachhaltigkeit als Handlungsprinzip. Das bedeutet, dass wir bei allem was wir tun, immer das Thema Nachhaltigkeit mit betrachten.“
Wie gelingt das konkret?
Weber: „Für uns ist das auch eine großer Herausforderung. Es ist ja in jeder Branche auch ein bisschen anders. Deshalb haben wir uns für die Zertifizierung zum nachhaltigen Reiseziel entschieden. Der Vorteil ist, dass die Zertifizierung extra für Tourismusdestinationen entwickelt wurde. Es gibt dort Kriterien in den Bereichen Soziales, Management, Ökologie und Umwelt. Uns geben die Kriterien eine Orientierung. Wenn wir neue Projekte gestalten, können wir daran evaluieren, wie wir die Kriterien berücksichtigen können. Die Kriterien sind die Grundlage für die Entscheidungen.“
Mosbacher: „Ein Beispiel ist auch der Ressourcenverbrauch. Wir mussten zum Beispiel schätzen, wie viel Papier wir verbrauchen. Oder auch die Abfallmenge messen. Das sind aber nur einige Beispiele von 80 verschiedenen Punkten. Da bekommt man aber eine Vorstellung, was das konkret bedeutet.“
Lohnt sich der Aufwand, sich damit zu beschäftigen, auch wirtschaftlich?
Weber: „Das wirtschaftliche ist dabei genauso wichtig, wie Umwelt und Soziales. Das regt oft zum Umdenken an. Also ob wir auch über einen anderen Weg an unser Ziel kommen.“
Mosbacher: „Wenn wir herausfinden, dass wir beispielsweise bei dem Druck unserer Magazine Papier einsparen müssen, dann ist das auch eine wirtschaftliche Dimension, um Kosten zu sparen. Dann müssen wir eben mehr online machen.“
Also ist das nachhaltige Denken auch eine Chance, die eigenen Arbeitsabläufe und Strukturen zu überdenken?
Mosbacher: „Genau. Da geht es zum Beispiel auch um die Bezahlung der Mitarbeiter, also dass wir nach Tarif zahlen. Und unsere Partnerbetriebe müssen dies dann auch umsetzen.“
Kann man Nachhaltigkeit messen?
Weber: „Man hat keine Skala von bis. Und es gibt auch keine 100-prozentige Nachhaltigkeit. Es wäre schön, wenn es so einfach wäre. Aber man kann Dinge immer noch nachhaltiger machen. Und man kann sich immer mit sich selbst vergleichen im Vergleich zum letzten Jahr.“
Mosbacher: „Zum Beispiel bei der Mobilität können wir Dienstreisen mit der Bahn machen oder dem eigenen Hybrid fahren. Nachhaltig zu werden ist auch ein Weg und eine Strategie.“
Wie wichtig ist Nachhaltigkeit in der Tourismusbranche für die Gäste?
Mosbacher: „Es ist kein Reisemotiv, aber den Gästen ist es schon wichtig. Es ist nicht das Hauptmotiv, aber die Gäste erwarten, dass die Region nachhaltig aufgestellt ist.“
Weber: „Wenn Gäste zwei Unterkünfte zur Wahl haben und eine davon zeigt offen, wie sie sich nachhaltig entwickeln, dann fällt die Wahl schon eher auf die nachhaltige Unterkunft.“
Mosbacher: „Und oft sind die Gäste dann auch bereit, etwas mehr zu zahlen. Große Unternehmen gehen auch oft nur in Hotels, die nachhaltiges Reise anbieten, weil sie dies als Vorgabe haben.“
In ländlichen Regionen, wie hier, gibt es doch aber bestimmt noch viele Betriebe, die beim Thema Nachhaltigkeit nicht mitziehen, weil es zu teuer ist, oder?
Mosbacher: „Das gibt es schon, aber es gibt auch viele, die mit auf den Weg gehen. Aber ja, es gibt einige, die sagen, das brauchen wir nicht, das kostet nur Geld.“
Weber: „Es geht aber auch darum, dass das Wirtschaften unterstützt wird. Es soll also nicht nur Geld kosten, sondern an anderen Stellen wieder Geld einsparen.“
Mosbacher: „Eine Investition ist ja nicht Geld ausgeben, sondern investieren, um später wieder Geld zu verdienen.“
Was ist die größte Herausforderung, um nachhaltiger zu werden?
Weber: „Alles, was große Umbaumaßnahmen in der Region betrifft. Zum Beispiel Barrierefreiheit. Das ist ein wichtiges Thema, aber viel schwieriger Umzusetzen, da man viele Dinge berücksichtigen muss, um das wirklich gut zu machen. Das ist etwas anderes, als eine Beschaffungsrichtlinie umzusetzen.“
Mosbacher: „Auf vieles haben wir auch keinen Einfluss. Wie auf beim Thema Mobilität. Klar gibt es schon die Bahn hier im Kinzigtal. Aber Richtung Vogelsberg oder im tiefen Spessart, da gibt es nur Busse. Das können wir aber nicht so einfach verbessern. Wir haben keinen Geldtopf, mit dem Investitionen getätigt werden können. “
Gerade das Thema ÖPNV ist doch schon relativ wichtig für die Region. Man will in die Natur, in den Spessart, muss aber gezwungenermaßen mit dem Auto anreisen. Wie kann man das verbessern?
Mosbacher: „Es wird nicht anders gehen. Man könnte mehr Ladesäulen für Elektroautos aufstellen. Aber alles flächendeckend mit ÖPNV zu betreiben, wird man im ländlichen Raum nie erreichen.“
Weber: „Da muss man auch umdenken. Kann man nicht doch mit dem ÖPNV anreisen und dann ein Auto oder Fahrrad ausleihen? Also so weit, wie es geht die Bahn nutzen und dann das letzte Stück erst mit dem Auto fahren.“
Ist die Region schon so weit, dass man dies umsetzen kann?
Weber: „Noch nicht, aber das sind Themen, woran wir arbeiten. Wir wollen zum Beispiel gerne einen Fahrradverleih einrichten, um von Bad Soden-Salmünster oder Steinau an den Kinzigstausee zu kommen, um dort Ardeas Seenwelt zu erleben. Oder auch die Fahrradmitnahme im ÖPNV wird jetzt kommen.“
Mosbacher: „Es gibt mittlerweile auch schon mehr Busse in touristisch relevanten Bereichen. Es gibt mehr Busverbindungen und Möglichkeiten.“
Wie funktioniert die Ausarbeitung und Umsetzung Eurer Ideen konkret?
Weber: „Wir haben einen Nachhaltigkeitsrat. Das ist unser begleitendes und steuerndes Gremium. Da sind Personen aus verschiedenen Bereichen mit dabei. Die sind unsere Multiplikatoren auch in nicht touristischen Bereichen. Und auch mit unserem Partnernetzwerk setzen wir gemeinsam Ideen und Projekte um. Wir sind diejenigen, die die Strategie verantworten und schauen, dass es für die Region in die richtige Richtung geht. Wie wir dahin kommen, müssen wir alle zusammen sehen.“
Wenn man sich diesen Weg zum perfekten nachhaltigen Reiseziel vorstellt, wo genau steht Ihr da?
Mosbacher: „Wir sind nicht ganz bei null aber wir sind auf dem Weg. Wir haben schon einiges, vieles fehlt aber noch. Gerade beim Thema Barrierefreiheit und ÖPNV da fehlt noch viel. Auch bei der Klimaschutzstrategie gibt es noch einiges zu tun. Als Beispiel wollen wir jetzt Schutzhütten und Trinkwasserstationen an den Fahrradwegen erreichten. Auch das zählt zur Klimaanpassung.“
Die letzte Frage mit Blick in die Zukunft: Wie nachhaltig soll der Spessart in 10 Jahren sein?
Mosbacher: „Meine Vision wäre, dass wir die Mobilität noch nachhaltiger im ländlichen Raum gestalten. Mit selbstfahrenden Autos oder kleinen Bussen. Auch durch den Bahnausbau hier in der Region wird sich vieles zum Positiven hin verändern. Die Züge werden pünktlicher fahren und vielleicht auch öfter. Ich hoffe auch, dass der Wald bestehen bleibt. Und dass der Forst den Wald nicht nur als Wirtschaftsfaktor sieht, sondern als wichtigen Freizeit- und Erholungsfaktor für die Menschen. Ich wünsche mir, dass dieser Schatz der Natur gut gepflegt und erhalten bleibt, aber auch nicht überlaufen wird. “
Weber: „Das schönste wäre, wenn das Thema Nachhaltigkeit bei jedem in Fleisch und Blut übergegangen ist. Sich mit dem Thema zu beschäftigen und das immer mitzudenken, das wäre das schönste. Dass es bei uns allen tief verankert ist. Und das jeder alle möglichen positiven und negativen Auswirkungen des eigenen Tuns immer präsent hat. Und, dass wir noch mehr Partner mit ins Netzwerk holen, die sich mit uns dem Prozess verschrieben haben.“