Politische Bilanz beim Heringsessen des SPD-Ortsvereins

Sonntag, 18.02.2024
von WALTER DÖRR
SCHLÜCHTERN - Der SPD-Ortsverein Schlüchtern hatte wieder zu seinem traditionellen Heringsessen in den Landgasthof Weining nach Breitenbach eingeladen. Vorsitzender Thomas Bertholdt konnte zahlreiche Genossen begrüßen. Einen Impulsvortrag zum Gesundheitswesen hielt die Bundestagsabgeordnete Bettina Müller. Das Mitglied des Gesundheitsausschusses sah große Herausforderungen durch den demographischen Wandel und die Überalterung der Gesellschaft. Man sei viel länger aktiv, selbst bei der AG 60 plus in der SPD sei fast mehr los als bei den Jusos, scherzte Müller.
Mit zunehmendem Alter würden die Gesundheitskosten steigen und die Zahl der Pflegebedürftigen, deren Pflege finanziert werden muss. Dem gegenüber stünden weniger Beitragszahler, da die geburtenstarken Jahrgänge aus der Arbeit ausscheiden und die geburtenschwachen Jahrgänge in den Arbeitsmarkt nachrücken. Das habe nicht nur finanzielle Folgen für die Sozialversicherungssysteme, sondern sei auch negativ für die Gesundheitsversorgung. Es fehlen Pflegekräfte, Ärzte Psychotherapeuten und andere Fachkräfte mehr. Als Lösungsansatz nannte Bettina Müller, dass mehr Geld bei der Gesetzlichen Krankenversicherung fließen muss. Eine gute Lösung sei, nicht die Kassenbeiträge zu erhöhen und die Versicherten zu belasten, sondern die Bürgerversicherung. Beamte und gutverdienende Privatversicherte sollten ebenfalls als Pflichtversicherte in die GKV und in die Pflegeversicherung einzahlen.
Bürgerversicherung die Lösung
„Die Bürgerversicherung war schon immer Position der SPD. Mit den Grünen würde man das hinbekommen. In der großen Koalition war leider die Union der Blockierer, jetzt ist das mit der FDP nicht zu machen“, so Müller. Die gesundheitliche und pflegerische Versorgung vor allem auf dem Land müsse anders organisiert und breiter aufgestellt werden. Angesichts der dünner werdenden ärztlichen Versorgung sprach sich Müller für mehr Kompetenzen für andere Gesundheitsberufe aus. Mit dem Pflegestudiumsstärkungsgesetz werde die nichtärzliche Berufsausbildung um Ausbildungsinhalte erweitert. Das Physiotherapeutengesetz soll mit dem Ziel reformiert werden, dass der Direktzugang ohne ärztliche Verordnung möglich wird. Gesundheitsberufe müssen sich erfolgreich gegen andere Ausbildungsberufe durchsetzen.
Ein ganz wichtiger Aspekt sei die Digitalisierung und Telemedizin, Krankschreiben per Telefon, Videosprechstunden oder Telekonsil. Die Gesundheitspolitik gehöre zu den Bereichen mit der meisten Gesetzgebung. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken. 2024 stehen mit der Krankenhausreform, der Notfallreform und mehreren Berufsgesetzen weitere große Projekte an, die hoffentlich nicht der Blockade durch die FDP zum Opfer fallen sollten“, so Müller.
Der Main-Kinzig-Kreis ist eine Erfolgsgeschichte
Über eine Erfolgsgeschichte 50 Jahre Main-Kinzig-Kreis referierte Landrat Thorsten Stolz. Zukunftsfähig und attraktiv sei der stärkste Kreis Hessens. Nach Frankfurt und Wiesbaden liege der Main-Kinzig-Kreis am dritten Platz bei der Wirtschaftskraft. Stolz lobte die engagierte Bürgerschaft – auch in den Vereinen. Dank geschaffener Arbeitsplätze nahm der Kreis eine gute Entwicklung. Mutmacher und einen gesellschaftlichen Zusammenhalt wünschte sich der Landrat in einer schwierigen Zeit.
Nicht nur 50 Jahre Main-Kinzig-Kreis auch 75 Jahre Bundesrepublik und das Grundgesetz, durch das man das Privileg habe, in Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und einem gewissen Wohlstand zu leben. Unzufriedenheit mit der Politik und eine Demokratieverdrossenheit habe zu den AfD-Wahlergebnissen geführt. Die demokratische Mitte gelte es zurückzugewinnen.
Die SPD soll klare Kante zeigen
Die SPD müsse klare Kante gegenüber Verfassungs- und Staatsfeinden zeigen. Durch das AfD-Treffen in Potsdam sei man wachgerüttelt worden. Stolz warb zur Teilnahme an einer Demonstration für Demokratie und gegen rechts am 16.3., 14 Uhr, am Untertorplatz in Schlüchtern. Eine Nachfrage aus dem Publikum betraf eventuelle Auswirkungen durch den Ausstieg Hanaus aus dem Main-Kinzig-Kreis. Stolz sah keine größeren Verwerfungen, da Hanau jetzt schon Sonderregelungen habe. Schlüchterns Bürgermeister Matthias Möller, ein parteiloser Genosse, betonte die starke Stimme des Ostkreises. Schlüchtern habe den achten Haushalt mit einem deutlichen Plus und 11,1 Millionen Euro Rücklage abgeschlossen.
Eine gute Wirtschaftspolitik werde gemacht und gerne verwies der Bürgermeister auf die Millionen schwere Investitionen am Langer-Areal, Dorfgemeinschaftshäusern in Elm und Hutten oder im Freibad Schlüchtern. Schlüchtern sei eine Einsiedlerstadt mit jetzt rund 17.000 Einwohnern und wo sich Gewerbebetriebe ansiedeln. Schlüchtern habe das größte Städtebauprojekt im Main-Kinzig-Kreis. Einen Dank für konstruktive Gespräche und die Begleitung der Projekte dankte Bürgermeister Möller den Mandatsträgern. Auf dem schwierigen und anstrengenden Weg stehe jetzt eine Förderung von Arztpraxen an.
Weiter so in Schlüchtern
Der SPD-Landtagswahlkandidat Rainer Schreiber, Jossgrund, dankte für die Unterstützung. Er habe der Nachrücker von Heinz Lotz werden wollen, sollte aber nach dem Ergebnis-Debakel nicht sein. Der ehemalige Bürgermeister lobte, dass in Schlüchtern was laufe und motivierte: „Macht weiter so.“
Der Vorsitzender der SPD Schlüchtern, Thomas Bertholdt, sagte in seiner ersten politischen Rede, dass man nach einem Landtagswahl-Desaster aufgrund eines nicht optimal geführten Wahlkampfs und der Spitzenkandidatin Nancy Faeser trotzdem im Regierungssattel sitze. Ob die Koalition der SPD guttut, stellte Bertholdt in Frage. Zum Rechtsruck im Land müssten die demokratischen Parteien mit einer guten Politik begegnen. Außerdem müsste man parteiübergreifend zusammenstehen. Die nächste Möglichkeit in Schlüchtern sei am 16. März, 14 Uhr, bei einer Demonstration „für Demokratie und gegen rechts“ am Untertor.
Beim Heringsessen zeichnete die SPD langjährige Genossen aus: Für 65 Jahre Mitgliedschaft Ernst Müller-Marschhausen, Schlüchtern, für 60 Jahre Mitgliedschaft Bernd Gericke, Hutten, Gerhard Dorn, Gundhelm, für 50 Jahre Mitgliedschaft Klaus Fischer, Schlüchtern, Heinz Knüttel, Niederzell, Luise Meister, Schlüchtern, Helmut Meister, Schlüchtern, Helmut Ott, Kressenbach, Hans-Georg Sperzel, Niederzell, Jürgen Zich, Schlüchtern, für 40 Jahre Mitgliedschaft Helmut Behm, Breitenbach, Fritz Dänner, Klosterhöfe, Andre Funke, Elm, Wolfgang Müller, Schlüchtern, Brigitte Schmidt, Niederzell, Dieter Euler, Hohenzell, Achim Kleinhens, Vollmerz und für 25 Jahre Mitgliedschaft Dirk Löwe, Herolz. Vorsitzender Bertholdt händigte auch einem Neumitglied das rote Parteibuch aus.