Gründau: Putzmeister schließt heimische Stahlproduktion (UPDATE)
Freitag, 01.03.2024
GRÜNDAU - Auf seiner Homepage schreibt das Unternehmen Putzmeister über seine Werte unter dem Stichpunkt Integrität: "Wir werden unsere Integrität niemals der Rentabilität unterordnen. Wir werden ohne zu zögern auf persönlichen und unternehmerischen Erfolg verzichten, wenn unsere Integrität auf dem Spiel steht." (KINZIG.NEWS-Recherche, Stand: 29.02.24, 11:30 Uhr)
Am Donnerstag erreichte K.N eine Pressemitteilung der Gewerkschaft IG-Metall: Die Putzmeister-Gruppe hat nach einem Umsatzrekord im Jahr 2023 ihre Pläne zur Schließung von zwei der deutschen Werke bekanntgegeben. Eines davon in Gründau-Rothenbergen.
Am Mittwoch, den 28. Februar, fand eine Mitarbeiterinformation sowohl im Werk Gründau als auch im Werk Heimertingen statt, bei der über 280 Mitarbeiter über die geplante Schließung bis Ende 2024 und die Verlagerung der Aktivitäten zu den türkischen und slowenischen Standorten unterrichtet wurden.
Die Betriebsräte der betroffenen Werke, Gründau und Aichtal/Heimertingen, äußerten sich bestürzt über die Entscheidung des Managements. Insbesondere verwiesen sie auf den im Jahr 2019 vereinbarten umfangreichen Standortsicherungstarifvertrag. Das Management gibt strukturelle Gründe im Markt und im Kundenverhalten an, die angeblich die Schließung der beiden Standorte Gründau und Heimertingen unausweichlich machen würden.
Der Betriebsratsvorsitzende des Werks Gründau, Alexander Müller, betonte nach der Informationsveranstaltung: „Die Beschäftigten stehen jetzt vor ihrem existenziellen Ruin. In dieser strukturschwachen Region ist das nicht nur völlig unverantwortlich den Beschäftigten gegenüber, sondern auch gegenüber der Region.“
Kevin Eckert von der IG Metall Hanau-Fulda äußerte sich ebenfalls erschüttert und kündigte an, das weitere Vorgehen intensiv zu prüfen und sich gemeinsam mit den Beschäftigten für den Erhalt der Arbeitsplätze einzusetzen.
Entscheidung „unternehmerisch völlig sinnfrei“
Jörg Löffler, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Putzmeister Concrete Pumps, kommentierte die Entscheidung als „unternehmerisch völlig sinnfrei“, da sie den Erfolg der gesamten Gruppe gefährde. Besonders verwerflich in diesem Zusammenhang ist, dass den Beschäftigten in Gründau in der vergangenen Betriebsversammlung im Dezember von der Geschäftsführung noch erklärt wurde, Gründau ist und bleibt das Leitwerk für Stahlbau in der Putzmeister-Gruppe.
Grüne Kreistagsfraktion übt Kritik
„Wir stehen voll und ganz hinter den Beschäftigten bei Putzmeister“, sagt Jakob Mähler, Fraktionsvorsitzender der Grünen Main-Kinzig. Hintergrund ist der geplante Stellenabbau von 250 der rund 270 Stellen im Gründauer Werk: „Für die Produktion am Standort Rothenbergen gibt es eine Standortsicherungsvereinbarung bis 2028. Jetzt sollen Ende 2024 fast alle Stellen abgebaut und die Produktion in die Türkei verlegt werden. Das ist in keiner Weise nachvollziehbar.“
Putzmeister hatte die Entscheidung mit Verweis auf Energie- und Produktionskosten getroffen: „Während diese aber hierzulande wieder sinken, wir dennoch eine Verlegung der Stahlproduktion angestrebt. Hier wird deutlich, dass es dem Unternehmen in chinesischer Hand nicht um eine Unternehmenssicherung, sondern um eine Gewinnmaximierung geht, ohne Rücksicht auf heimische Produktion.“
Mähler verweist auf die Standortsicherungsvereinbarung: „Ein aktuell gültiger Vertrag ist, ohne Wenn und Aber, durchzusetzen. Hierfür werden wir uns entsprechend stark machen und fordern die politischen Vertreter auf Kreis- und Landesebene auf, entsprechende Gespräche zu führen, mit dem Ziel, den Gründauer Standort zu erhalten“, so Mähler abschließend.
Landrat Thorsten Stolz äußert sich in einer Pressemitteilung am Freitag:
Die Bestürzung bei allen Beteiligten war am Mittwoch (28.2.) groß: Die Putzmeister-Gruppe will zwei ihrer deutschen Standorte bis Ende 2024 schließen und ins Ausland verlagern – auch das Werk Gründau ist mit 253 Beschäftigten betroffen. „Für die Menschen, die zum Teil schon seit Jahrzehnten für Putzmeister arbeiten, ist das eine Katastrophe. Sie werden vor vollendete Tatsachen gestellt, die ihre wirtschaftliche Existenz bedrohen. Diese Unternehmensentscheidung kommt völlig überraschend, zumal es einen Standortsicherungstarifvertrag bis 2028 gibt“, erklärte Landrat Thorsten Stolz am Freitag (1.3.) nach einem Gespräch mit den beiden Betriebsratsmitgliedern Alexander Müller (Vorsitzender) und Rainer Endlicher (stellvertretender Vorsitzender).
Landrat Stolz hatte die Betriebsratsvorsitzenden kurzfristig zum Gespräch eingeladen, um seine Unterstützung in moralischer und politischer Hinsicht deutlich zu machen und sich über die gegenwärtige Lage und die Hintergründe zu informieren. Fest steht: Die Stimmung innerhalb der Belegschaft ist desolat, zu groß ist der Schock über die mitgeilten Pläne zur Schließung des Werks in Gründau. Denn während einer Betriebsversammlung im Dezember wurden noch ganz andere Signale an die Belegschaft gegeben, wie Alexander Müller und Rainer Endlicher dem Landrat erklärten. Demnach solle Gründau das Leitwerk für Stahlbau in der Putzmeister-Gruppe bleiben. Dort wird seit über 30 Jahren produziert. Ab 2025 soll es jedoch in der Türkei weitergehen. Der Landrat kündigte an, dass er in der kommenden Woche das Gespräch mit der Geschäftsleitung suchen werde.
„Wir werden um die Arbeitsplätze und um den Standort in Gründau kämpfen, das steht fest. Wir wissen natürlich jetzt noch nicht, ob wir Erfolg haben werden“, bekräftigten Alexander Müller und Rainer Endlicher. Gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsrat und den Gewerkschaften soll nun eine Strategie erarbeitet werden, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Landrat Thorsten Stolz kündigte seine Unterstützung an. „Wir wissen, dass das Unternehmen Putzmeister schon ganz andere Krisen und Herausforderungen in seiner Unternehmensgeschichte gemeistert hat. Deshalb sieht es für mich eher so aus, als sei die Entscheidung, die beiden Standorte zu schließen, auf die allgemeine Stimmungslage in Deutschland zurückzuführen und weniger aus der wirtschaftlichen Not heraus“, erklärt Landrat Stolz und ergänzt: „Eine solch überstürzte Entscheidung schafft kein Vertrauen in die Unternehmenskultur und in die Geschäftsleitung. Das haben die Menschen in Gründau, die dem Unternehmen über viele Jahre hinweg die Treue gehalten haben, nicht verdient.“ (red, tby)