Main-Kinzig-Kreis: Das sind die Träger des Sozialpreises
Freitag, 03.05.2024
MAIN-KINZIG-KREIS - Es war die letzte Amtshandlung dieser Art der Ersten Kreisbeigeordneten Susanne Simmler. Daher war „die Aufregung ein klein wenig größer als normal“, wie sie in ihrer Begrüßung zur Verleihung des „Sozialpreises“ erklärte. Zudem sei die Auszeichnung bei ihr ohnehin mit besonderen Emotionen verbunden, angesichts des hier freiwillig und selbstlos gezeigten Einsatzes für Mitmenschen in zum Teil schwierigen und auch belastenden Situationen.
„Ich bin persönlich immer wieder erstaunt und begeistert, welch großes persönlichen Engagement hier gelebt wird. Daher freue ich mich, dass der Main-Kinzig-Kreis seit 1998 in jedem Jahr den Preis für besonderes ehrenamtliches soziales Engagement verleiht“, so die Dezernentin. Mit dieser Auszeichnung werde das kontinuierliche, empathische Helfen und Wirken gewürdigt. „Wir verbinden damit unseren Dank an Personen und Gruppen, die ihre Hilfsbereitschaft immer wieder unter Beweis stellen und sich genau da einsetzen, wo es dringenden Handlungsbedarf gibt, um andere Menschen zu unterstützen und ihnen zu helfen. Sie sind Vorbilder und Leuchttürme in unserer Gesellschaft“, betonte Susanne Simmler.
Preis für besonderes ehrenamtliches soziales Engagement verliehen
Knapp 30 Vorschläge waren im vergangenen Jahr beim Main-Kinzig-Kreis eingegangen. Daraus hatte der Ausschuss für Soziales, Familie, Senioren und Demografie fünf Initiativen und Personen ausgewählt. Die Jurorinnen und Juroren fällten ihre Entscheidung nach den Schwerpunkten „Gesellschaftliches Engagement und Demokratie“, „Jugendarbeit und Kinder“ sowie „Integration und Inklusion“. Ausgezeichnet wurden der Kinder- und Jugendhospizdienst Hanau – stellvertretend Beate Weber und Helene Maas –, Uwe Schneider (Selbsthilfe Körperbehinderter Main-Kinzig), Rikschafahrerinnen und Rikschafahrer der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises, Rita Ebel (Projekt „Mobile Lego-Rampen“) und Stephan Siemon (Flüchtlingshilfe).
Wie die Sozialdezernentin in ihrer Rede ausführte, leben bis zu einem Drittel der Bevölkerung mit einem Handicap oder sind zumindest zeitweise auf Unterstützung und Hilfestellung angewiesen. Da werden schmale Türen, Bordsteine, steile Anstiege oder andere Baulichkeiten schnell zu einem unüberwindbaren Hindernis. Manchmal sind es aber auch Rücksichtslosigkeit, Gedankenlosigkeit oder Egoismus der Mitmenschen, die eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren. „Das muss nicht sein – oder noch deutlicher: das darf nicht sein“, machte sie deutlich.
"Lego-Oma" Rita Ebel
Die Realität im Alltag sieht
aber leider häufig anders aus. „Darüber können wir schimpfen, darauf
müssen wir hinweisen, aber wir sollten nicht resignieren“, leitete sie
über zur ersten Preisträgerin des Abends, der Hanauerin Rita Ebel, auch
bekannt als „Lego-Oma“. Durch einen Autounfall vor etwa 30 Jahren ist
sie selbst auf einen Rollstuhl angewiesen – mit den entsprechenden
buchstäblichen Hürden. Vor rund drei Jahren liest sie einen Bericht über
Lego-Rampen und wurde sofort inspiriert. Sie wollte diese Idee auch in
ihrer Heimatstadt Hanau auszuprobieren. Die kleinen Bauwerke sollten
Behinderten in Rollstühlen, Mitbürger mit Kinderwagen oder Rollator und
Sehbehinderten helfen, alltägliche Tätigkeiten einfach ausführen zu
können
Das Ergebnis ist großartig, wie durch viele
Zeitungsberichte und Darstellungen im Internet belegt ist. Rita Ebel hat
mit ihrem Projekt die Aufmerksamkeit auf die Schwierigkeiten von
Personen mit Behinderung gelenkt und auch gleichzeitig ihre
Lebenssituation erleichtert. „Mit ihren Helferinnen und Helfern wurden
schon über 100 Rampen gebaut und diese an Kinder mit Behinderung sowie
an alltägliche Geschäfte verschenkt“, berichtete Susanne Simmler.
Rita
Ebel hat ihre Initiative in den vergangenen Jahren immer weiter
ausgebaut und zum Beispiel die Bauanleitung perfektioniert und in neun
Sprachen übersetzen lassen und stellt sie für Interessierte kostenlos
zur Verfügung. Da sie selbst auf sozialen Medien tätig ist, bekommt sie
durch Freiwillige viele Legosteine geschenkt. Durch Geldspenden werden
keine neuen Legosteine gekauft, sondern andere Hilfsmittel wie
Klebstoff.
Im Januar war Rita Ebel außerdem zum Neujahrsempfang
des Bundespräsidenten eingeladen. Dabei hat sie Frank Walter Steinmeier
auch eine kleine Rampe als Muster überreicht. Bis zu 50 Stunden kann der
Bau einer größeren Rampe dauern. Bei Bedarf liefert sie die fertigen
Produkte dann mit ihren Ehemann Wolfgang auch aus. Gemeinsam nahm das
Paar nun die verdiente Auszeichnung im Barbarossasaal des
Main-Kinzig-Forums entgegen. Die Glückwünsche für den Magistrat der
Stadt Hanau übermittelte Stadträtin Karin Dhonau.
Der ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst Hanau
Ein
sehr schwieriges und belastendes Aufgabenfeld übernimmt der ambulante
Kinder- und Jugendhospizdienst Hanau. Rund 50 ehrenamtlich tätige
Personen sowie zwei hauptamtliche Kräfte geben Hilfestellung und
Begleitung, wenn es um die letzte Phase des Lebens geht. Insbesondere
wenn es Kinder betrifft, bedeutet das eine enorme Herausforderung. „Das
ehrenamtliche Engagement stärkt nicht nur Familien, die sich in einer
absoluten Ausnahmesituation befinden und die gleichzeitig für den
betroffenen Angehörigen da sein wollen, es hilft auch denjenigen, denen
nicht mehr viel Zeit bleibt, mit dieser Realität umzugehen“, erläuterte
die Erste Kreisbeigeordnete.
Die Familien mit todkranken Kindern
wenden sich an den ambulanten Hospizdienst und haben ganz verschiedene
Bedürfnisse und Wünsche. So geht es oft um die stundenweise Betreuung
des betroffenen Kindes selbst, oder zum Beispiel um Spielstunden mit den
Geschwistern, oder auch um Gespräche mit den Eltern. Manchmal ist es
auch ein bisschen von allem.
Der Verein bietet mit einem
qualifizierten Vorbereitungskurs eine sehr gute Einführung in dieses
besondere Ehrenamt. Einige der Themen: Grundlagen der Kinder- und
Jugendhospizarbeit, Nähe und Distanz, Trauerarbeit, kindliche
Todesvorstellungen und rechtliche Aspekte. Aber auch die konkrete Trauer
um den gestorbenen jungen Menschen oder die eigene Endlichkeit wird
besprochen.
Die beiden Preisträgerinnen Beate Weber und Helene
Maas opfern ihre freie Zeit zur Unterstützung von Familien, die mit der
Situation eines krebserkrankten Kindes überfordert sind. Vorgeschlagen
für den Sozialpreis wurden sie von Patienten, die ihre Hilfstätigkeit
sehr schätzen: „Sie sind ständig für uns da und bereiten allen Kindern
in dieser schwierigen Zeiten Sonnenschein und die Chance auf Alltag“,
lautete die Begründung der Familie, die auch selbst zur Preisverleihung
gekommen war.
Selbsthilfe Körperbehinderter Main-Kinzig e.V.
Auf
ein starkes Team kann sich auch Uwe Schneider verlassen, der nach einem
Unfall im Rollstuhl sitzt. Seit vielen Jahren ist er Vorsitzender des
Vereins „Selbsthilfe Körperbehinderter Main-Kinzig e.V." mit Sitz in
Erlensee. Neben zahlreicher sozialer Aufgaben des Vereins steht der Bau
und Betrieb integrativer Wohnkomplexe im Mittelpunkt. Mehrere solche
Projekte konnten bereits verwirklich werden, wie der Vorsitzende des
Sozialausschusses, Jörg Mair, berichtete. Seit vielen Jahren begleitet
und bewundert er „den unermüdlichen Einsatz von Uwe Schneider“, den eine
große Hilfsbereitschaft und eine besondere Beharrlichkeit auszeichnet.
Seit
inzwischen 50 Jahren engagiert sich der Verein für eine Verbesserung
der Lebensbedingungen von Personen mit Behinderung. Große Verdienste hat
sich dabei „der Vorsitzende und Motor Uwe Schneider erworben. So wurden
erfolgreiche Projekte bereits in Erlensee, Bad Soden-Salmünster, Hanau,
Gelnhausen und Schlüchtern umgesetzt. „Hier geht es um die wirkliche
Teilhabe von behinderten Menschen am Alltag, damit Integration und
Inklusion keine Worthülsen blieben“, betonte Jörg Mair in seiner
Laudatio.
Stephan Siemon
Als ein Mann der Tat
versteht sich auch Stephan Siemon aus Wächtersbach, der sich seit Jahren
in der Flüchtlingshilfe engagiert. Im Rahmen der humanitären
Organisation Space Eye unterstützt er zum Beispiel die Rettung von
Bootsflüchtlingen und seit Beginn des russischen Angriffs auf die
Ukraine setzt er sich ein für die Sammlung und den Transport von
Hilfsgütern. Wie sein Mitstreiter Olaf Parré berichtete, ist Stephan
Siemon schon 25mal mit seinem voll beladenen Transporter zum Sammelplatz
nach Regensburg gefahren, um seinen Güter auf den Weg zu bringen. „Ein
beispielhafter Einsatz mit großem persönlichen Engagement“, wie Jörg
Mair bestätigte. Hervorzuheben sei zudem die wirksame
Öffentlichkeitsarbeit, mit der Siemon für seine Projekte wirbt. So werde
die Reichweite und Mitwirkung erreicht, die „aus einer Idee eine gute
Tat“ werden lässt.
Sich selbst bezeichnet Siemon daher auch als
„kleiner Kerl mit großer Klappe und einem leeren Laster“. Doch dank der
Unterstützung von Olaf und Anja-Frieda Parré und zahlreichen
Mitwirkenden sowie eigener Geldmittel und Spenden können Lebensmittel,
Hygieneprodukte und auch Notstromaggregate zur Verfügung gestellt
werden. Darüber hinaus hat Stephan Siemon sein Privathaus auch als
Unterkunft für Geflüchtete angeboten.
„Dieser starke und
uneigennützige Einsatz ist herausragend und hat die Auszeichnung absolut
verdient“, sagte Jörg Mair, der die Urkunde stellvertretend an Olaf und
Anja-Frieda Parré überreichte.
Rikschafahrer und -fahrerinnen der Alten- und Pflegezentren
Einen
ganz anderen Bereich der Unterstützung und Lebenshilfe decken die
Rikschafahrer und -fahrerinnen der Alten- und Pflegezentren des
Main-Kinzig-Kreises ab. Das seit mehreren Jahren bestehende Angebot der
begleiteten Ausflüge hilft den Bewohnern, aktiv wieder an der
Gesellschaft teilzunehmen, berichtete Dr. Monika Fingerhut, die diese
Gruppe auch für den Sozialpreis vorgeschlagen hatte. Die Fahrten helfen
den älteren Menschen, ihre Umgebung wieder neu zu entdecken und die
Natur zu genießen
Viele mobilitätseingeschränkte Bewohner der
Altenpflege seien nicht mehr in der Lage, außerhalb der
Pflegeeinrichtung an Spaziergängen oder Ausflügen teilzunehmen.
Irgendwann entstand die Idee, diese muskelbetriebenen Taxis
anzuschaffen. Ein Projekt, das vom Main-Kinzig-Kreis als Betreiber der
Alten- und Pflegezentren gern unterstützt wurde. „Heute sind die zwei
Fahrzeuge ein großer Erfolg und werden intensiv genutzt“, erzählte Dr.
Monika Fingerhut. Somit sei es eine tolle Sache, dass rund 30
freiwillige Fahrerinnen und Fahrer dieses Angebot auch immer wieder ins
Rollen bringen.
Die Fahrten ermöglichen den Bewohnern, ihre Lieblingsorte und Familienangehörige zu besuchen. Es sei ein Stück Freiheit und ein unbezahlbares Erlebnis, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner voller Freude den Wind spüren und den Sonnenschein genießen. Diese Eindrücke und Argumente haben auch die Jury überzeugt, so dass die Gruppe ebenfalls mit dem Preis für besonderes ehrenamtliches soziales Engagement gewürdigt wurde. (red)